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Petra Köpping in Bautzen: „Wir müssen moderaten Stimmen wieder mehr Raum geben.“

Staatsministerin Petra Köpping spricht in Bautzen über gesellschaftlichen Zusammenhalt. Nicht alle im Publikum wollen das gerne hören.

Von Johannes Frese
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Petra Köpping sprach am Freitagabend im Dom St. Petri bei den Bautzener Reden über gesellschaftliche Spaltung und Dialog.
Petra Köpping sprach am Freitagabend im Dom St. Petri bei den Bautzener Reden über gesellschaftliche Spaltung und Dialog. © Steffen Unger

Bautzen. Wer am Freitagabend für die Bautzener Rede von Staatsministerin Petra Köpping in den Dom St. Petri kam, könnte sich in der verbreiteten Meinung bestätigt fühlen, dass Deutschland in Lager gespalten ist. Die Ministerin hat noch keine fünf Minuten gesprochen, da gehen die Ersten bereits.

Köpping ist gerade dabei, die verschiedenen Krisen unserer Zeit aufzuzählen, als ungefähr 50 Menschen sich geschlossen von den hinteren Kirchenbänken erheben und still, aber demonstrativ den Dom verlassen. Wenn Köpping durch den stummen Protest irritiert ist, so lässt sie es sich nicht anmerken.

Der kurze Moment ist bezeichnend für die Frage, der die Staatsministerin für Soziales und Gesellschaftlichen Zusammenhalt an diesem Abend in ihrer Rede nachgeht: Wer hält unsere Gesellschaft zusammen?

Deutschland sei nicht gespalten, betont sie, das bestätigten wissenschaftliche Studien. Dieser Eindruck entstehe aber durch die lautstarke Präsenz der radikalen Ränder. Oft höre sie, dass man heute ja nichts mehr sagen dürfe – das liege allerdings nicht an Sprechverboten, so Köpping, sondern daran, dass differenzierte Meinungen in der Öffentlichkeit zurzeit einen schweren Stand hätten.

"Warum sind gerade wir hier so sensibel?"

„Wann fing das an, das man einander permanent bewertet und beschuldigt?“, fragt Köpping. Um überhaupt gehört zu werden, fühlten sich viele Menschen in eine radikale Haltung gezwungen. Doch wenn nur noch die aggressiven Ränder sich Gehör verschafften, verstumme die Mitte und zöge sich zurück. „Wir müssen moderaten Stimmen wieder viel mehr Raum geben“, so Köpping.

Die Mitte, von der Köpping spricht, scheint an dem Freitagabend auf den Holzbänken des Bautzener Doms zu sitzen. Ihre nächste Frage wirkt daher umso mehr wie eine Reaktion auf die frühzeitig Abgereisten: „Warum sind gerade wir hier so sensibel?“

Um die Reaktionen im Osten auf die derzeitigen Krisen zu verstehen, müsse man sich die anhaltenden Folgen der Nachwendezeit bewusst machen: die nach wie vor existierenden Einkommensunterschiede im Vergleich zum Westen Deutschlands und eine grundsätzliche Veränderungsmüdigkeit.

Dies seien Aspekte, die zu einer Radikalisierung beitragen könnten. Es sei jedoch wichtig, sich zunächst für die Position des anderen zu öffnen und zu versuchen, in einen echten Dialog zu treten. Doch auch hier gebe es Grenzen. „Wenn das Gegenüber die Menschenwürde in Frage stellt, kann man sagen: Mit dem rede und streite ich auch nicht mehr.“

"Es muss gerecht zugehen"

Natürlich werde auch in der Mitte der Gesellschaft gestritten. Doch wenn man im Gespräch über Meinungen und Zuspitzungen hinausgelangt sei, trete häufig zutage, dass über das Ziel auf beiden Seiten Einigkeit besteht. So sähen etwa viele Menschen die Gefahren des Klimawandels und stellten das Ziel einer ökologischen Transformation nicht in Abrede. Aber sie wollten, dass es dabei gerecht zugehe. „Beim Klimaschutz bewegt den einen das Ende der Welt, den anderen das Ende des Monats." Beide Perspektiven müssten berücksichtigt werden. Es gehe darum, dass die Welt schrittweise verändert werde.

Ein neues "Wir" – dafür plädiert Köpping zum Schluss ihrer Rede. Der Glaube an etwas Gemeinsames habe weiterhin Strahlkraft, davon sei sie überzeugt. Und dieses "Wir" sehe sie bereits dort, wo Menschen gemeinsam etwas auf die Beine stellen: In der neuen ostdeutschen Arbeiterbewegung, bei den Demonstrationen gegen Rechtsextremismus. "Ich sehe jeden Tag, dass Menschen in Sachsen einfach machen." Deren Geschichten gingen häufig unter im tosenden Rauschen der Ränder. "Doch es sind genau sie, die unsere Gesellschaft tragen."