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Schlussakkord nach 40 Jahren an der Musikschule

Margitta Luttner, die künstlerische Leiterin der Kreismusikschule Bautzen, geht in den Ruhestand. Doch Musik wird in ihrem Leben weiter den Takt angeben.

Von Miriam Schönbach
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Abschied ohne Moll: Margitta Luttner galt als das Gesicht der Kreismusikschule Bautzen, nun geht sie in den Ruhestand.
Abschied ohne Moll: Margitta Luttner galt als das Gesicht der Kreismusikschule Bautzen, nun geht sie in den Ruhestand. © SZ/Uwe Soeder

Bautzen. Viel zu streng schaut Ludwig van Beethoven gleich aus drei verschiedenen Bildrahmen von der Wand im Zimmer der Kreismusikschule. Lachend sitzt dagegen Margitta Luttner am August-Förster-Flügel unter den Bildnissen des Komponisten. Ein paar Noten liegen bereit. „Ich liebe Herrn Beethoven, die Verbindung von der Polyphonie zur Harmonie, die Reflexion der gesellschaftlichen Entwicklung in seinen Konzerten und Sonaten“, schwärmt die langjährige künstlerische Leiterin und quasi "Außenministerin" der Kreismusikschule Bautzen. Mit dem Ende des Schuljahres hat sich die 65-Jährige in den Ruhestand verabschiedet – ohne ein Moll-Gefühl.

Margitta Luttner streift durch die leeren Flure der Musikschule, hinter den verschlossenen Türen proben an diesem späten Nachmittag ihre Kollegen noch mit Musikschülern. Das dunkle Cello mischt sich beim genauen Lauschen mit einem Klavier und ein bisschen Blockflöte. Noch gut erinnert sich Margitta Luttner an ihre ersten Schritte auf dem Instrument als Schülerin im Haus. Die gebürtige Bautzenerin ist gerade zehn Jahre, als sich die Klassen- und Musiklehrerin zum Hausbesuch anmeldet. Sie berichtet den Eltern vom Gesangstalent und rät, das Kind in der Musikschule anzumelden. Es ist das Jahr 1966.

Klassenlehrerin begeistert vom Gesangstalent

Für das kleine Mädchen öffnet sich eine neue Welt. Zwar kann der Großvater mütterlicherseits sein Klavier bei der Vertreibung aus Gleiwitz (heute Gliwice) mit dem Kriegsende nach Bautzen retten, doch das Instrument erklingt eigentlich nur zur Weihnachtszeit. Der Anmeldung zur Musikschule geht ein Eignungstest voraus. Nach Bestehen wird das Mädchen am Leistungszentrum für junge Talente aufgenommen. Im Zimmer 28 des heutigen Schiller-Gymnasiums bekommt es seine ersten Klavierstunden. Dort befinden sich damals Musikschulräume.

Über 50 Jahre später unterrichtet Margitta Luttner gut 80 Schüler pro Woche. „Ich weiß nicht, wie viele Kinder und Jugendliche insgesamt seit 1981 in meinen Unterricht kamen“, sagt die Pädagogin. Ihre musikalische Begeisterung ebnet den beruflichen Weg. Vielleicht kommt bei der Berufswahl auch das Lehrer-Gen ihres Vaters durch. Er bildet Bankkaufleute im ehemaligen Landständischen Lehrerseminar in den Schilleranlagen aus. Heute befinden sich unter dessen Dach das Berufliche Schulzentrum für Wirtschaft und Technik - und die Musikschule.

"Bückware" von einst immer noch im Plattenschrank

Bevor es zum Studium der Schulmusik und Klavierpädagogik an der Musikhochschule in Weimar geht, arbeitet Margitta Luttner nach dem Abitur noch ein Jahr in der Dombuchhandlung und im Plattenladen „Melodie“ auf der Reichenstraße. „Da gab es Adamo als Bückware“, erinnert sie sich lachend. Einige ihrer damaligen Ausbeuten finden sich immer noch im Plattenschrank zu Hause mitten im Biosphärenreservat Oberlausitzer Heide- und Teichlandschaft in der Nähe von Förstgen. Ihre erste Platte bekommt sie von der Mutter geschenkt, das 1. Klavierkonzert von Tschaikowsky. Den Ohrwurm dürften nicht nur Klassikfans kennen – und es kann vorkommen, dass diese und andere beliebte Kompositionen auch mal nachts in den abgeschiedenen vier Wänden angestimmt werden.

Margitta Luttner ist zurück vom Unterrichtszimmer an ihrem Schreibtisch. Darauf stapeln sich Noten, Unterlagen, Verträge. Ihr geliebtes Klavier ist für sie ein Allrounder, das Cello würde sie heute reizen, Unterrichtsfach im Studium war auch die Blockflöte. „Mein Ziel war es immer, nach Bautzen an die Musikschule und in die Frühförderung von Kindern zurückzukehren“, sagt die Fast-Ruheständlerin. Nach einem kurzen Abstecher ans Institut für Lehrerbildung in Löbau geht dieser Wunsch auch in Erfüllung. Ihr erster Einsatzort ist die damalige Bautzener Außenstelle in Ebersbach.

Zeit für einen Konzertbesuch beim Walzerkönig

Über 40 Jahre an der Musikschule – wie fällt da das Resümee aus? „Jede Altersklasse hat ihren Reiz: Bei den Kleinen begeistert mich das Staunen beim Musizieren, bei den Pubertierenden versuchen wir, es zu schaffen, dass sie weitermachen, und die Großen unterstützen wir dann beim eigenen Weg“, sagt Margitta Luttner.

Bis September wird sie noch weiter für die Planung und Konzertvorbereitung zuständig sein. Dann hofft sie, dass es einen Nachfolger gibt. Trotzdem bleibt sie ihrem Haus verbunden, im Kreis-Norden wird sie sich um die musikalische Früherziehung von Kindern kümmern.

Auch Abschiedsgeschenke lässt Margitta Luttner da. Ihre gleichnamige Stiftung wird sich weiter um die Unterstützung benachteiligter Schüler kümmern. Und ihre Kollegen dürfen sich auf eine neue Musikschule in der Tzschirnerstraße freuen. Der Kampf um vernünftige Unterrichtsbedingungen begleitete die Pädagogin über Jahre. Jetzt gibt es den einstimmigen Kreistagsbeschluss, eine fertige Bauplanung und angekündigte Förderung für das neue Domizil der klingenden Zimmer.

Es ist der richtige Zeitpunkt, den beruflichen Schlussakkord anzustimmen, denn privat will Margitta Luttner noch ein paar Melodien in Dur anstimmen. „Ich freue mich über einen nun selbst bestimmteren Tagesablauf“, sagt die Nachtarbeiterin. Vielleicht bleibt dann auch mal wieder Zeit für einen Besuch des Musiksommers in Bad Kissingen oder eines Konzerts von Walzerkönig André Rieu. Für Kaffeehausmusik am eigenen Flügel fühlt sich die Lehrerin außer Dienst dagegen selbst zuständig. Und es ist schon jetzt abzusehen, dass auch künftig die Musik den Takt im Ruhestand vorgibt.