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Bei mir gab es keine Zweiklassenfeuerwehr

Friedemann Böhme lenkte 26 Jahre lang die Geschicke der Gemeindewehren Ponickau und später Thiendorf – jetzt hat er sein Amt an einen Jüngeren übergeben.

Von Manfred Müller
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Bleibt der Ortsfeuerwehr seines Heimatdorfes erhalten: Friedemann Böhme vor dem Ponickauer Gerätehaus.
Bleibt der Ortsfeuerwehr seines Heimatdorfes erhalten: Friedemann Böhme vor dem Ponickauer Gerätehaus. © Anne Hübschmann

Thiendorf. E-Mails sind nie seine Sache gewesen. „Man muss miteinander reden“, sagt Friedemann Böhme, „am Besten von Angesicht zu Angesicht.“ Keine leichte Aufgabe, wenn man zwölf Ortsfeuerwehren mit 236 aktiven Kameraden vorsteht. Jede hat ihre speziellen Probleme, jede wünscht sich eine modernere Ausrüstung, und die Feuerwehrleute in den kleineren Dörfern reagieren sehr sensibel, wenn der große Nachbar bevorzugt wird.

 „Bei mir gab es keine Zweiklassenfeuerwehr, jeder bekam so viel wie nötig“, sagt Friedemann Böhme. Dabei hatte der heute 58-Jährige keine Scheu, auch mal anzuecken. Kritik müsse erlaubt sein und ausgehalten werden, sagt Böhme, schließlich habe man es bei der Feuerwehr mit gestandenen Männern und Frauen zu tun.

Und klar, manchmal seien Gemeindeverwaltung und Bürgermeister erschrocken gewesen, wenn er seinen Haushaltplan vorlegte. Alles in allem aber hat Thiendorfs Feuerwehr unter Böhmes Ägide technisch und in Sachen Ausbildung eine gute Entwicklung genommen.

Friedemann Böhme lebt seit 1970 in Ponickau; sein Vater war Pfarrer im Ort, und als Kind schaute oft fasziniert zu, wenn die Feuerwehr zum Einsatz ausrückte. „Das kam ziemlich oft vor“, erzählt er. Gleich nebenan lag der Königsbrücker Truppenübungsplatz, den die Russen bei ihren Militärübungen regelmäßig in Brand setzten. Böhme erlernte den Zimmermannsberuf, und als er selbst ein Haus baute, standen plötzlich zwei ältere Feuerwehrleute aus dem Ort vor der Tür.

„Du willst doch für dein Haus einen Schutz haben, wenn es einmal brennt“, sagten sie rundheraus und winkten mit dem Eintrittsformular. Da war ein „Nein“ gar nicht drin. Schon bald wählten ihn die Kameraden zum Chef der Ortsfeuerwehr, eine Funktion, die er bis heute ausübt. Als Ponickau mit Thiendorf zusammenging, war Böhme zunächst stellvertretender Gemeindewehrleiter, ab 2002 schließlich der Chef.

 „Das Ehrenamt hält das ganze Land am Leben – nicht nur bei der Feuerwehr“, sagt er heute. „Wenn man es gewissenhaft machen will, lässt sich der Zeitaufwand gar nicht abschätzen.“ Deshalb macht es den  Ponickauer wütend, wenn Politiker erst große Töne spucken und am Ende für seine Kameraden nichts dabei herauskommt. 

Die „Feuerwehr-Rente“, also die Anrechnung von Rentenpunkten für langjährige Tätigkeit in der Feuerwehr sei so ein Beispiel. Da rede heute kein Mensch mehr davon. Oder der Lkw-Führerschein, den man braucht, um ein Löschfahrzeug zu steuern. Da blieben immer noch um die tausend Euro privat bei den Kameraden hängen. So etwas bringe ihn auf die Palme.

Thiendorfs Brandschützer zollen ihrem rührigen, manchmal auch unbequemen Gemeindewehrleiter großen Respekt. Bei seiner Verabschiedung auf der Jahreshauptversammlung bekam er stehenden Beifall. Da hätten ihm die Tränen in den Augen gestanden, sagt Friedemann Böhme. 

Und er habe den Beifall natürlich nicht allein verdient. Ohne die gute Arbeitsteilung mit seinen beiden Stellvertretern Jörg Noack und Steffen Naumann stünde die Gemeindewehr nicht dort, wo sie heute ist. Und ohne seine verständnisvolle Ehefrau Simone hätte er die  Sache wohl nicht auf Dauer durchgehalten.

Die prägendsten Ereignisse für Thiendorfs Feuerwehren während seiner Amtszeit? Da fällt Friedemann Böhme als erstes das Sturmtief Friederike ein, das im Januar 2018 die Wälder im Nordosten des Landkreises umknickte. Die Kameraden seien tagelang im Einsatz gewesen, um Straßen und Wege freizubekommen. Oder der große Scheunenbrand in Tauscha, wo selbst ein Riesen-Aufgebot an Feuerwehren nur noch Schadensbegrenzung üben konnte. 

Der kuriose Einsatz im Thiendorfer Gewerbegebiet vor zweieinhalb Jahren, als ein BMW-Fahrer 80 Liter Benzin in die Regenentwässerung abgelassen hatte. Und natürlich diverse Notrufe bei schweren Unfällen auf der Autobahn. Bei all diesen Schadensfällen leisteten die Thiendorfer Ortsfeuerwehren gute Arbeit. Für deren Ausstattung und Ausbildung ist nun der Stölpchener Michael Reiske verantwortlich. 

Böhmes Nachfolger, obwohl noch jung, bringt schon Erfahrung als Gemeindewehrleiter im benachbarten Lampertswalde mit. „Ein guter Mann“, sagt Friedemann Böhme. „Und mit dem Computer kann er allemal besser umgehen als ich.“

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