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Harthaer Gymnasiasten: Klares Nein zur Legalisierung von Cannabis

Die Ampelkoalition will Cannabis legalisieren – zumindest teilweise. Doch wer in der Praxis mit Drogenabhängigen arbeitet, sieht das anders.

Von Sylvia Jentzsch
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Das Foto zeigt Polizeihauptmeisterin Katrin Michel und symbolisiert, wie Drogen die Wahrnehmung stören.
Das Foto zeigt Polizeihauptmeisterin Katrin Michel und symbolisiert, wie Drogen die Wahrnehmung stören. © Foto: Lutz Weidler

Hartha. Wie stehen Sie zur Legalisierung von Cannabis? Diese Frage stellte ein Zehntklässler des Martin-Luther-Gymnasiums Hartha jedem Protagonisten der Podiumsdiskussion zum Thema Drogen und Sucht.

Vertreter der Polizei, die SPD-Landtagsabgeordnete Simone Lang und Grit Graatz, Chefärztin der Rehabilitationsklinik für Abhängigkeitserkrankungen waren einer Meinung: Sie sind gegen die Legalisierung von Cannabis und erklärten auch, warum.

Cannabis noch mehrere Wochen nachweisbar

„Langfristig schränkt der Cannabis-Konsum die kognitiven Fähigkeiten stark ein“, so Simone Lang, gesundheitspolitische Sprecherin der SPD-Landtagsfraktion und gelernte Krankenschwester.

Wenn sie von kognitiven Fähigkeiten spricht, meint sie unter anderem Wahrnehmung, Aufmerksamkeit, Gedächtnis, Lernen, Denken, Entscheidungsfindung und Sprache. Die Chefärztin Grit Graatz muss nicht lange überlegen, um die Frage zu beantworten.

„Ich halte von der Legalisierung nichts. Ich erlebe junge Leute mit Psychosen. Die Betroffenen haben Halluzinationen oder Wahnvorstellungen sowie schwerwiegende Denkstörungen. Vieles ist nicht oder sehr schwer behandelbar. Wir sprechen hier nicht von den Joints, die 1968 geraucht worden sind. Die Substanzen haben jetzt eine viel höhere Wirkung“, so Graatz.

Mindestens sechs Wochen könne der Konsum von Cannabis nachgewiesen werden.

Die Droge Cannabis ist älter als der Alkohol. Sie senkt die Schmerzempfindlichkeit und vermittelt ein Hochgefühl. Reicht das irgendwann nicht mehr aus, wird zu härteren Drogen gegriffen.

„Wird der Konsum bei einer Verkehrskontrolle festgestellt, dann sind nicht nur Punkte in Flensburg, ein Bußgeld und der Entzug der Fahrerlaubnis fällig, sondern auch eine medizinisch-psychische Untersuchung.

„Ich kann nur sagen, Cannabis hilft nicht bei Blödheit“, so Polizeihauptmeisterin Katrin Michel vom Polizeirevier Mittweida. Bevor die teilweise Legalisierung komme, müsse das Betäubungs- und Jugendschutzgesetz geändert werden. Auch Katrin Michel spricht sich gegen eine teilweise Legalisierung von Cannabis aus.

Gesellschaft toleriert Alkoholmissbrauch zu sehr

Stephan Büchel ist leitender Bürgerpolizist des Döbelner Polizeireviers und hat einen großen Einblick in den polizeilichen Alltag mit drogenabhängigen Menschen. Alkohol bezeichnen er und auch seine Kollegin aus Mittweida als die meist tolerierte Droge, die es gibt.

Dabei sei Alkohol ein Zell- und Nervengift und fördere wie Cannabis den seichten Einstieg zur Drogenabhängigkeit. Schon deshalb sei Büchel gegen die Legalisierung. Reichen Alkohol oder Cannabis nicht mehr als Stimmungsmacher aus , wird zu Marihuana und später zu Crystal Meth gegriffen.

„Aus dieser Spirale kommt man nicht allein heraus. Man bekommt das Leben nicht mehr auf die Reihe“, so Stephan Büchel. Jeder Süchtige glaube, er habe alles im Griff. Das ist ein großer Irrtum, so Grit Graatz.

Sucht eng mit Kriminalität zur Beschaffung verbunden

Die Sucht sei die eine negative Seite, die Kriminalität, die die Abhängigkeit mit sich bringe, die andere. „Das Geld, um die Drogen zu kaufen, muss beschafft werden. Die Klassiker sind Einbrüche, Gewaltdelikte, Raub oder Erpressung. Manche versuchen auch, durch Prostitution an Geld zu kommen“, so Stephan Büchel.

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Er hält es für unwahrscheinlich, dass durch die Legalisierung von Cannabis die Beschaffungskriminalität gesenkt wird. Das Leben werde von der Sucht bestimmt. Er kenne viele junge Menschen, auch welche mit Abitur, die die besten Jahre ihres Lebens wegen ihrer Drogenabhängigkeit weggeschmissen hätten.

„Deshalb ist eine klare Definition, was man im Leben erreichen will, wichtig. Man muss sich klare Ziele setzen und daran arbeiten. Auch wenn es nicht immer leicht ist“, so Büchel. Er bestätigt, dass es in der Region Döbeln eine gefestigte Betäubungsmittelszene gibt.

Polizei braucht bei Hinweisen konkrete Fakten

Katrin Michel weist die Schüler darauf hin, dass sie die Polizei anonym darauf hinweisen können, wenn sie Zeuge von illegalem Drogenhandel oder -konsum geworden sind. Dann allerdings müssten die Hinweise konkret sein.

Nur dann könne die Polizei der Sache nachgehen. „Euer Gewissen ist gefragt, wenn ihr merkt, dass Freunde oder Bekannte Drogen konsumieren. Schaut nicht weg. Zieht klare Grenzen. Sagt, bis hierhin und nicht weiter“, so die Polizeihauptkommissarin.

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Das könne auch bedeuten, dass diejenigen nicht mehr an den Unternehmungen der Gruppe teilnehmen können. Wichtig sei aber auch der Hinweis zu Hilfsangeboten. Welche es gibt, stellte die SPD-Landtagsabgeordnete vor.

Doch wie erkennt man jemanden, der Drogen nimmt? „Die ersten Anzeichen sind Zuckungen im Gesicht oder das Knirschen mit den Zähnen im Wachzustand. Gehirn und Extremitäten arbeiten nicht mehr zusammen, Bewegungen werden unkoordiniert.

„Typische Kiffer haben knallrote Augen. Wer Crystal Meth nimmt, hat neben körperlichen Beschwerden oft ein schlechtes Hautbild mit Abszessen. Der Zahnstatus ist eine mittlere Katastrophe“, so Grit Graatz.

Gymnasium will Kompetenz fürs Leben vermitteln

Drogen sind ein gesellschaftliches Problem. „Deshalb ist die Suchtprävention eine wichtige Aufgabe, der wir uns auch als Schule stellen. Das heißt, dass wir zu diesem Thema nicht nur eine klare pädagogische Grundhaltung beziehen, sondern den Schülern Lebenskompetenz mitgeben“, sagte Schulleiterin Heike Geißler.

Den Jugendlichen müsse eine positive Grundhaltung vermittelt, ihnen gezeigt werden, wie Probleme zu lösen sind. „Jeden, den wir vor einer Sucht bewahren können, haben wir gewonnen“, so die Schulleiterin.

Am Martin-Luther-Gymnasium gebe es keinen konkreten Anlass für die Veranstaltung zur Drogenprävention, organisiert von der Friedrich-Ebert-Stiftung. „Sie ist vielmehr ein Teil unseres geschlossenen Präventionskreises“, so die Schulleiterin.

Dazu gehören Veranstaltungen in Klasse 5 und 6 zum Klassenklima, in Klasse 8 das Projekt mit dem Fachkrankenhaus Bethanien in Hochweitzschen und dem Zwischenstopp in Bockelwitz. In Klasse 9 gibt es eine Präventionsveranstaltung zum Thema Cannabis und in Klasse 10 die Podiumsdiskussion zu Drogen.

„Seit Herbst 2019 planen wir diese Veranstaltung. Dann kam Corona dazwischen. Ich bin froh, dass nach so einem langen Anlauf alles gepasst hat“, sagte Schulleiterin Heike Geißler.