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900 Jahre Bühlau: So feiert ein Dorf mit Verspätung

Wegen Corona fiel im vorigen Jahr das Jubiläum des Ortes bei Großharthau aus. Zur Nach-Feier schenken sich die Bühlauer nun ein Museum unter freiem Himmel.

Von Miriam Schönbach
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Sebastian Meinel und Beate Kuban gehören zu den Organisatoren der 900-Jahr-Feier in Bühlau, einem Ortsteil von Großharthau. Zum Jubiläum entsteht unter anderem eine Tafelausstellung für das Dorf.
Sebastian Meinel und Beate Kuban gehören zu den Organisatoren der 900-Jahr-Feier in Bühlau, einem Ortsteil von Großharthau. Zum Jubiläum entsteht unter anderem eine Tafelausstellung für das Dorf. © SZ/Uwe Soeder

Bühlau. Dieser Fakt geht garantiert in die Bühlauer Dorfchronik ein: Mit einem Jahr Verspätung feiert der Ort in der Gemeinde Großharthau sein 900-jähriges Jubiläum. „Dem Dekan Cosmas von Prag und dem markanten Berg, dem ,Stulpen', haben wir unsere Ersterwähnung vor 900 Jahren zu verdanken. Die meisten anderen Orte im Umkreis von gut 80 Kilometern geraten oft erst 100 Jahre später in den Blick der Geschichte“, sagt Heimatforscher Dietmar Rentsch.

Der 78-Jährige gehört wie Beate Kuban und Sebastian Meinel zum Vorbereitungskreis des wegen Corona verlegten Jubiläumsjahrs. Unter anderem soll ein Geschichtspfad entstehen. Dessen erste Tafel soll am 10. April eingeweiht werden.

An diesem verregneten Dienstagvormittag steht die neue historische Übersicht noch beim Kunststoffhandel von Thomas Marschner in der großen Halle. Der Unternehmer zeigt auf ein Schwarz-Weiß-Bild. Ein paar junge Leute sind auf der alten Aufnahme auf Ski und in bester Laune zu sehen. „Da ist meine Großmutter dabei“, sagt Marschner lächelnd.

Schnell ist eine Diskussion im Gang, wer noch auf den Abbildungen zu erkennen ist. Die ersten Recherchen führten das Autorenteam zur Geschichte des Turnvereins Grün-Weiß Bühlau und der dazugehörigen Turnhalle. Auch dieser imposante Bau schaut inzwischen auf eine fast hundertjährige Geschichte zurück.

20 Tafeln mit historischen Fakten und Geschichten

Das 900-Jahr-Projekt ist ein ehrgeiziges Vorhaben. Insgesamt sollen rund 20 Tafeln für den gut 400-Seelen-Ort entstehen. „Wir haben in den vergangenen Jahren viele persönliche Bilder, Dokumente und Geschichten zusammengetragen – und dabei viele Bühlauer besucht. Die gesammelten Fakten bereiten wir auf. Wir wollen Geschichte erlebbar machen“, sagt Beate Kuban. Ursprünglich war geplant, die Tafelausstellung in den Museumsräumen in der alten Schule zu zeigen. Doch unter freiem Himmel lässt sich die nun entstehende Schau ganz corona-konform anschauen.

Noch besser ist es , wenn Dietmar Rentsch sein Wissen auspackt. Der Heimathistoriker hat zu jedem der neun Jahrhunderte alle Fakten plus Geschichten parat. Der Museumsbetreuer ist das Gedächtnis des Dorfes. Er geht nochmals zurück ins Jahr der Ersterwähnung. In jener Böhmischen Chronik findet sich Bühlau noch unter dem Namen Byla. Dort heißt es: „Anno 1121 sind die Teutschen eingeschlichen und haben nicht fern von einem Dorf, Byla genannt, auf einem hohen Berg ein Schloss gebaut.“

Wurde ein Bienenkorb nach Napoleon geworfen?

Dietmar Rentsch sorgt mit seinen Erzählungen auch bei Einheimischen noch für Aha-Momente. So lässt der geschnitzte Jesus aus der Zeit um 1380 die Zuhörer staunen. Das Alter haben Wissenschaftler bestätigt, die Glocken in der Dorfkirche sind besonders. „Wir gehen davon aus, dass sie ab 1500 läuteten. Damals war es üblich, dass die Glocken vor Ort gegossen wurden“, sagt der Ortschronist. Das Alter führen er und Experten auf die Inschriften in den Bronzen zurück. Die erste Glocke ist gotisch beschriftet, die zweite trägt lateinische Buchstaben. Es grenzt fast an ein Wunder, dass sie weder im Ersten noch im Zweiten Weltkrieg zu Rüstungszwecken eingeschmolzen wurden.

An ein Wunder indes glaubt Dietmar Rentsch nicht, wenn es darum geht, dass mancher Krieg um Bühlau einen großen Bogen gemacht haben soll. Schließlich liegt das Dorf im sumpfigen Wesenitz-Land. Geschichten über Feldherren indes gibt es reichlich. So soll in der Gegend ein aufgebrachter Dorfbewohner einen Bienenkorb nach Napoleon geworfen haben, einen Beleg gibt es dafür aber nicht. Anekdoten dieser Art erzählt Rentsch auch bei seinen jährlichen „Bühlauer Plaudereien“. Einen solchen Vortrag soll es im November anlässlich des Ortsjubiläums auch wieder geben.

Auftakt mit Brunch vor der Turnhalle

So weit will die Vorbereitungsgruppe aus Heimat- und Sportverein jetzt noch gar nicht schauen. Von ihrem Auftakt am Sonntag mit Brunch vor der Turnhalle versprechen sich die Organisatoren einen Mitmacheffekt. „Vielleicht gibt es noch Leute, die Personen auf den Fotos erkennen. Vielleicht gibt es auch noch weitere Geschichten. Auch Mitstreiter sind noch gern gesehen“, sagt Beate Kuban. Weitere Tafeln sollen zu den Themen Bauernhöfe, Handwerk/Industrie, Kultur/Sport und Kirche und zu besonderen Objekten im Ort entstehen. Gefördert wird das Projekt durch den Fonds „Kleinstinfrastruktur im Wander- und Pilgerland Sachsen“.

Die große 900-Jahr-Nachfeier ist nun zwischen dem 17. und 19. Juni geplant. Das Wochenende soll mit einem Vortrag eröffnet werden. Am Sonnabend steht der „Tag der offenen Höfe“ im Programm, es gibt einen Festgottesdienst und eine Kirchenführung.

„Die nächsten vier Tafeln sind schon ausgearbeitet, unter anderem zum Sportplatz und zur Dammmühle. Bis zur Feier sollen mindestens zehn Tafeln fertig sein. Wir wissen: Das bedeutet noch viel Arbeit“, sagt Beate Kuban und verabredet sich gleich mit Dietmar Rentsch und Sebastian Meinel zum nächsten Termin. Auch mit einem Jahr Verspätung gibt es für das Vorbereitungsteam noch viel zu tun.

Auftaktveranstaltung zu 900 Jahre Bühlau am 10. April ab 10 Uhr vor der Turnhalle in Bühlau.