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Eine Firma aus Bischofswerda begrünt die Wüste

Vom Blumentopf bis zum Sarg - was das Unternehmen Pulp-Tec alles aus Altpapier herstellt und wie damit Randgebiete von Wüsten wieder nutzbar gemacht werden.

Von Miriam Schönbach
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Sebastian Schuhmann, Produktionsleiter an den Pulp-Tec-Standorten Bischofswerda und Neustadt, zeigt eine Gussform, auf der ein Geräteträger produziert wird.
Sebastian Schuhmann, Produktionsleiter an den Pulp-Tec-Standorten Bischofswerda und Neustadt, zeigt eine Gussform, auf der ein Geräteträger produziert wird. © SZ/Uwe Soeder

Bischofswerda. Mit einer Taschenlampe leuchtet Sebastian Schuhmann in den Trockenofen in der einstigen Halle des Mähdrescherwerks in Bischofswerda. Ganz langsam nähern sich dem Produktionsleiter der Firma Pulp-Tec die noch warmen Transportverpackungen. „Es ist der erste Probedurchlauf, aber der Rand knickt noch weg. Wir gehen jetzt alle Parameter durch, um gegensteuern zu können“, sagt der 35-Jährige und läuft zum Anfang der Anlage. Auf einem Förderband liegen Pappreste. Per Knopfdruck wandern sie in einen riesigen Mixer.

Die Firma Pulp-Tec ist einer der führenden Hersteller von Faserguss in Europa. Im vergangenen Jahr sind Ute Jantschke (l.) und Patric Lothmann - beide Geschäftsführer - mit großen Teilen der Fertigung und Mitarbeitern in die ehemaligen Fortschritt-Hallen
Die Firma Pulp-Tec ist einer der führenden Hersteller von Faserguss in Europa. Im vergangenen Jahr sind Ute Jantschke (l.) und Patric Lothmann - beide Geschäftsführer - mit großen Teilen der Fertigung und Mitarbeitern in die ehemaligen Fortschritt-Hallen © SZ/Uwe Soeder

Pappmaché ist der erste Gedanke, Eierpappe die zweite Assoziation. Geschäftsführer Patric Lothmann nennt die Technologie Faserguss mit einer Spezialisierung auf technische Verpackungen. „Altpapier mit Wasser, ein bisschen Kleber, 100 Prozent biologisch abbaubar und kompostierbar. Wir sind nicht nur bei unseren Produkten nachhaltig, sondern auch bei den Gebäuden“, sagt der 40-Jährige.

2021 ist der Mittelständler mit Stammwerk in Neustadt/Sachsen mit Teilen der Fertigung in die Fortschritt-Hallen im Max-Aicher-Gewerbepark gezogen. Auf 4.000 Quadratmeter stehen zwei Anlagen, die im Mai 2021 in den Testbetrieb gingen. 3,2 Millionen Euro hat das Familienunternehmen an neuen Standort investiert.

Kartonagen-Reste kommen in den Mixer

Der überdimensionierte Mixer macht aus den Abfällen der Kartonagen-Produktion und Wasser einen Brei. Links und rechts der Anlage liegen bereits fertige Faserguss-Erzeugnisse. „300 bis 400 unterschiedliche Produkte stellen wir her. Die Auftraggeber kommen unter anderem aus der Elektronik, Automobil- und Nahrungsmittelindustrie, aus Pharma, Möbelbau oder Garten und Floristik“, zählt die kaufmännische Geschäftsführerin, Ute Jantschke, auf.

Durch die Corona-Pandemie sei der Verpackungsmarkt weltweit gewachsen, davon profitiere Pulp-Tec. Die Bücher seien voll. Wenn sich der Bedarf weiter so entwickle, sollen in Bischofswerda künftig fünf bis sechs Anlagen arbeiten.

Die Formen für den Sarg haben die Schiebocker Pulp-Tec-Mitarbeiter für eine Unternehmensschwester in Großbritannien gefertigt.
Die Formen für den Sarg haben die Schiebocker Pulp-Tec-Mitarbeiter für eine Unternehmensschwester in Großbritannien gefertigt. © Pulp-Tec

Feiner Nieselregen wirbelt aus der Anlage. Mit Pressluft wird das überschüssige Wasser durch ein Sieb fauchend aus dem vorher in den Faserbrei getauchten Werkzeug gepresst. Auch die Konstruktion der Werkzeuge erfolgt in Bischofswerda. In der Abteilung tüfteln Ingenieure und Werkzeugmacher, wie sich Pappmaché nach den Ideen der Kunden am besten in Form bringen lässt. Das Design wird in 3-D erstellt.

Nach diesen Vorlagen entstehen kompostierbare Blumentöpfe, die mit eingepflanzt werden können, genauso wie Särge aus Faserguss. Die Formen für jene Tragehilfe auf dem letzten Weg haben die Schiebocker für eine Unternehmensschwester in Großbritannien gefertigt.

Für ein wahres Zukunftsprojekt verwandelt Pulp-Tec den Faserbrei in einen ganz besonderen Pflanztopf. Patric Lothmann nimmt den etwas überdimensionierten Deckel mit Loch in der Mitte in die Hand. „Wir sind seit 2013 Partner der Land Life Company. Das Unternehmen ist bekannt durch seine Aufforstungsprojekte in Wüstenrandgebieten“, sagt der studierte Architekt.

Dafür wird im Fasergusstopf ein Setzling fixiert und das Ganze mit Wasser gefüllt. Der sogenannte „Cocoon“ kommt unter die Erde, der Abschluss dient auch als Verdunstungsschutz. Ziel der Land Life Company ist die Wiedernutzbarmachung von zwei Milliarden Hektar Land. Die Schiebocker sind dabei.

Die Firma Pulp-Tec stellt aus Abfällen aus der Kartonagenproduktion Faserformprodukte her. Über ein Förderband kommen die Pappreste in einen großen Mixer.
Die Firma Pulp-Tec stellt aus Abfällen aus der Kartonagenproduktion Faserformprodukte her. Über ein Förderband kommen die Pappreste in einen großen Mixer. © SZ/Uwe Soeder

Produktionsleiter Sebastian Schuhmann und Technologe Patric Lothmann sinnieren über die abgekippte Kante. „Wir machen das, woran andere Hersteller verzweifeln“, sagen sie selbstbewusst. Die Pulp-Tec-Produkte können tiefgezogenen Kunststoff und Styropor ersetzen. Selbst den verpackten Inhalt von Adventskalendern und den Impfstoff des Pharma- und Chemiekonzerns Merck tragen sie inzwischen in die Welt hinaus.

„Wir sind einer der führenden Hersteller für Faserguss in Europa, wir haben unter anderem Kooperationspartner in den USA und in Israel“, sagt der Geschäftsführer. Die Wurzeln aber führen zurück in eine Papiermühle aus dem Jahr 1547 in Polenz.

Einst das Armaturenbrett für die "Renn-Pappe" produziert

Jene Papiermüller setzen schon immer auf Innovationen. In den 1920er-Jahren stellen sie Membranen für Lautsprecher her, in der DDR produziert das Hartpappenwerk Rückwände für Fernseher und das Armaturenbrett für den Trabant, die sogenannte „Renn-Pappe“.

Nach der Wende spezialisiert sich das alteingesessene Unternehmen ab 2011 auf den Faserguss. 17 Mitarbeiter sind es damals, zehn Jahre später sorgen 60 Kollegen im Drei-Schicht-System für einen reibungslosen Ablauf der Produktion. Gesucht werden trotzdem weitere Mitarbeiter und Auszubildende. „Auch wer Lust auf Ferienarbeit hat, kann sich bei uns gern melden“, sagt Ute Jantschke. Nach Bischofswerda ist der Mittelständler gezogen, weil es rund um das Werk in Neustadt/Sachsen keine Erweiterungsmöglichkeiten mehr gab.

Die Vergrößerung ist ein Schritt Richtung Zukunft, die Forschung an alternativen nachwachsenden Rohstoffen ein weiterer Punkt. „Es gibt schon die ersten Muster aus französischen Weinreben“, sagt Patric Lothmann. Wozu? Selbstverständlich als Schutzverpackung für Weinflaschen. Auch Hanf, Flachs, Gras, Miscanthus lassen sich verarbeiten.

Doch jetzt spuckt das Ofenband erstmal noch die Träger aus den Pappresten aus – immer noch mit Knick. Sebastian Schuhmann legt erneut einen Spurt zum Anfang der Anlage hin. Er ist sich ganz sicher, er und das Pulp-Tec-Team werden auch dieses Problem lösen.

Weitere Informationen unter www.pulp-tec.com