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Der Winzer von der Wesenitz

Vor zehn Jahren hat Benjamin Groß die ersten Rebstöcke in den Putzkauer Garten gesetzt. Inzwischen gibt es vier Sorten Wein aus seinem Kinderheitsort.

Von Miriam Schönbach
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Der Mai ist Weinbergzeit: Winzer Benjamin Groß knipst die unteren Triebe einer Weinrebe ab. Die oberen Triebe bleiben stehen.
Der Mai ist Weinbergzeit: Winzer Benjamin Groß knipst die unteren Triebe einer Weinrebe ab. Die oberen Triebe bleiben stehen. © Miriam Schönbach

Schmölln-Putzkau. Die Putzkauer Kirchturmspitze lugt gerade so über die Bäume am Weinhang an der Wesenitz. Benjamin Groß hockt zwischen den Rebstöcken und knipst flink mit den Fingern die unteren Triebe weg. „Erziehung“ nennt er diesen Handgriff. „Wir lassen nur die kräftigsten Fruchttriebe oben stehen, die anderen müssen wir entfernen. Die Reben beginnen jetzt zu drücken“, sagt der Winzer. Der Boden zwischen den Pflanzen ist noch leicht feucht vom Regen in der Nacht zuvor. Jetzt lässt die Sonne die zarten Blätter der schmackhaften Traubenlieferanten im hellsten Maigrün leuchten.

Benjamin Groß "erzieht" mit einer Anbindezange die Rebstöcke.
Benjamin Groß "erzieht" mit einer Anbindezange die Rebstöcke. © Miriam Schönbach

Benjamin Groß geht durch die Reihen, seine Frau Nicole ist auch dabei. Der drei Monate alte Nachwuchs darf im Auto noch einen Mittagsschlaf halten. „Beim Rebenschneiden hatte ich Nora schon im Tragetuch dabei“, sagt der Familienvater. Vor zehn Jahren setzte der 32-Jährige die ersten Weinstöcke hinter das elterliche Haus. Damals träumt er noch von eigenem Weingut im Kindheitsort Putzkau. Inzwischen ist aus der Vision Wirklichkeit geworden. Wieder knipst er junge Triebe von aufstrebenden Weinreben ab.

Zur Ausbildung an die badische Weinstraße

Der Idee vom eigenen Weingut schmiedet Benjamin Groß vielleicht sogar schon viel eher. „Wir haben früher viele Jahre bei Freunden aus Sardinien Urlaub gemacht. An dem Ferienhaus gab es einen Weinberg, auf dem ich schon mitgeholfen habe“, sagt der Putzkauer. Irgendwann setzt ihm der Vater den Floh ins Ohr, dass er auch Winzer lernen könne. Da er sowieso auf der Suche nach einem handwerklichen Beruf ist, recherchiert er jene Schulen, wo er Experte für die Weinherstellung werden kann. Er schreibt über 100 Bewerbungen an Weingüter als Ausbildungsbetriebe. Aus Freiburg erhält er eine Rückmeldung und die Einladung zum Vorstellungsgespräch.

Die Erinnerung an diesen jungen Mann lässt den heutigen Benjamin Groß schmunzeln, ein bisschen Staunen schwingt auch noch mit. Winzer-Vorkenntnissen muss er im Gegenüber mit dem künftigen Arbeitgeber verneinen. „Das fanden sie aber toll, denn die meisten Auszubildenden kommen aus Winzerfamilien“, sagt der Winzer von der Wesenitz. Er unterschreibt den Lehrvertrag, zieht mit 17 Jahren in eine Ein-Raum-Wohnung vom fast östlichsten Zipfel in den gut 800 Kilometer entfernten fast südlichsten Zipfel Deutschlands. Sein Handwerk lernt er im Weingut Moosmann an der Badischen Weinstraße. 25 Hektar Weinreben und 20 Hektar Obstbäume gehören zu Betrieb.

Von diesen Größen ist sein Weinhaus Groß weit entfernt. 40 Reben strecken sich an Drähten an der Wesenitz, auf dem Acker neben dem Rebenhain sollen in diesem Jahr Sonnenblumen blühen. Ein paar Fahrminute entfernt liegt auf einem Grundstück mit noch vielen Bäumen eine frisch angelegte Schmetterlingswiese. Perspektivisch soll auch dort Putzkauer Wein in der Oberlausitzer Sonne reifen. Ein Freund hat dem jungen Weinbauern einen Hang gegenüber der Schule überlassen. Dort stehen inzwischen 100 Weinstöcke. Zehn Mal so viele könnten es auf den Weinhängen im Ort einmal werden.

Benjamin Groß strahlt, wenn er über seine Leidenschaft erzählt. Er lernt in seinem Ausbildungsbetrieb nicht nur alles über den Weinanbau, sondern auch über den Verkauf. Um noch einen anderen Blick auf das Handwerk kennenzulernen, wechselt er von Baden nach Rheinhessen ins größte Weinanbaugebiet Deutschlands. Im Weingut Thörle bleibt er acht Jahre. Dort ist der Sachse zwischen 2016 und 2019 erster Kellermeister, kümmert sich um den Ausbau von Weißwein und Rotwein und den guten Geschmack. „Im Kopf war ich aber schon immer hier mit dem eigenen Weinhaus – und ich musste ja in kein Familienweingut zurück“, sagt der junge Unternehmer. 2019 kehrt er zurück.

Vier Mal Wein aus Putzkauer Trauben: Nicola Groß freut sich über die Kollektion aus dem eigenen Weinhaus.
Vier Mal Wein aus Putzkauer Trauben: Nicola Groß freut sich über die Kollektion aus dem eigenen Weinhaus. © Miriam Schönbach

"Sommerbrise" ist der Bestseller

Die kleine Nora ist aufgewacht. „Es dauert, zwei, drei Jahre, bis Rebstöcke genügend Wein tragen. Den Weinanbau mache ich für die nächste Generation. Wir wachsen mit unseren Reben“, sagt der Winzer – und sorgt mit ein paar gezielten Handgriffen auch gleich am Weinberg an der Schule für die Erziehung der Reben. Im Frühjahr werden die Grundlagen für eine gute Ernte im Herbst gelegt. Bis zum 2021er Jahrgang hat er seine Trauben von einem guten Freund in Rheinhessen veredeln lassen. Im Weinverkauf finden sich aber längst vier Sorten, die in Teilen auf Putzkauer Erde gewachsen sind.

Die „Sommerbrise“ ist der Bestseller. Fast ausverkauft ist auch die jährliche Sommerverkostung. „Ein paar wenige Plätze sind noch“, beruhigt Nicole Groß gerade einen Anrufer am Telefon. Sie überlegt mittelfristig eine Sommelier-Weiterbildung zu machen. Aus der Vision des jungen Winzers vom eigenen Weinberg mit Vinothek und Weinverkauf in Putzkau ist längst ein Familienprojekt geworden. Ein großer Unterstützer ist auch der Vater. „Im Keller steht ein Traktor, die neuen Rebenpflanzen sind angekommen. Ich plane, dass wir dieses Jahr unsere Ernte komplett hier verarbeiten. Es bekommt alles Hand und Fuß“, sagt er. Doch von Plänen allein wird noch gar nichts. Deshalb verabschiedet sich Benjamin Groß. Der Mai ruft den Winzer auf den Weinberg.