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Demitz-Thumitz: Zum 100. Geburtstag eine eigene Bank

Das Lebenselixier von Ursula Lehmann sind Spaziergänge und das Schwimmen im Bad in Bischofswerda. Beides wird künftig noch schöner - dank besonderer Geschenke.

Von Miriam Schönbach
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Ursula Lehmann wurde am 11. Februar 1922 geboren. Zu ihrem 100.Geburtstag bekam sie von ihren Kindern und der Gemeinde Demitz-Thumitz ihre Ursula-Bank zum Ausruhen bei den täglichen Spaziergängen geschenkt.
Ursula Lehmann wurde am 11. Februar 1922 geboren. Zu ihrem 100.Geburtstag bekam sie von ihren Kindern und der Gemeinde Demitz-Thumitz ihre Ursula-Bank zum Ausruhen bei den täglichen Spaziergängen geschenkt. © SZ/Uwe Soeder

Demitz-Thumitz. Ein dickes Kreuzworträtselbuch liegt auf dem Couchtisch. Beim Durchblättern findet Ursula Lehmann kaum noch ein Kästchen zum Ausfüllen. „Wenn ich mal etwas nicht weiß, lasse ich es weg. Oder es ergibt sich aus den anderen Buchstabenkombinationen“, sagt Wahl-Demitz-Thumitzerin. Dabei sitzt sie eigentlich gar nicht so gern still auf der Ottomane im kleinen Wohnzimmer. Gern geht sie immer noch ein paar Schritte entlang der Bahnlinie, die Natur und die Wolkenformationen immer im Blick.

Auch auf die Saison im Freibad in Bischofswerda freut sie sich. Dort will sie mit ihren nun 100 Jahren noch weiter ihre Bahnen schwimmen. Ursula Lehmann setzt sich kerzengerade auf den Wohnzimmerstuhl. „Manchmal gehe ich zum Kalender und staune, wie alt ich bin“, sagt sie.

Die Eröffnung des Freibades in Bischofswerda miterlebt

Am 11. Februar 1922 wird sie in Bischofswerda geboren. Der Vater ist eigentlich Fleischer, kommt aber schwer verwundet aus dem Ersten Weltkrieg zurück und heuert bei der Post an. Die ersten Jahre lebt die Familie noch in der ehemaligen Kaserne außerhalb der Stadt. Den Weg über die Bautzener Straße hinein tippelt die sechsjährige Erstklässlerin mit ihren kurzen Beinen Schultag für Schultag bei jedem Wetter.

Das Jahr 1928 bleibt der kleinen Power-Frau mit gerade einmal 1,55 Meter und viel Disziplin nicht nur wegen ihrer Einschulung in der Erinnerung. „Ich war bei der Eröffnung des Freibads in Bischofswerda dabei. Schwimmen war und ist mein Lebenselixier“, sagt die vielfache Ur- und Ur-Ur-Großmutter. Eine alte Schwarz-Weiß-Postkarte erinnert an den 5. August 1928. Mädchen in schicken Kleidchen und Jungen in Matrosenanzügen drängeln sich am Beckenrand der neuen Anlage in der Dresdener Straße. Wer mag wohl in diesem Gewimmel die kleine Ursula sein?

Am 5. August 1928 wird das Freibad in Bischofswerda eröffnet. Schon damals war die heute immer noch begeisterte Schwimmerin Ursula Lehmann dabei.
Am 5. August 1928 wird das Freibad in Bischofswerda eröffnet. Schon damals war die heute immer noch begeisterte Schwimmerin Ursula Lehmann dabei. © Stadtarchiv Bischofswerda

Auf jeden Fall übt das Freibad eine besondere Anziehung auf das Mädchen aus. „Meine Mutter gab mir einen Zehner für die Schulmilch. Dieses Geld hob ich auf, um mir den Schwimmgurt mit Korken auszuleihen“, erinnert sich die Hundertjährige. Irgendwann legt sie die Schwimmhilfe ab und schwimmt im großen Becken. Bei den Erzählungen klingt der Stolz mit.

Nach der Schule wechselt sie an die Handelsschule nach Bautzen und beginnt eine Lehre als Verkäuferin in der Buchhandlung Grafe. „Zu meiner Zeit war es das erste Geschäft am Platz“, sagt Ursula Lehmann. Es hält sie nicht ab, vor Dienstantritt um 8 Uhr schon ein paar Bahnen zu schwimmen.

Es folgt eine kurze Zeit, wo sie ihrem geliebten Bischofswerda den Rücken kehren muss. Zum Reichsarbeitsdienst wird sie zu einem Bauern im Vogtland geschickt. Unter dem Motto „Mit Spaten und Ähre“ ziehen die Jugendlichen durchs Land. „Obwohl ich den halben Tag knietief in der Erde stand, war es für mich eine schöne und unbeschwerte Zeit in der Jugend“, sagt Ursula Lehmann. Nach ihrer Rückkehr in die Heimat beginnt sie im Büro des Bautzener Karosseriewerks August Nowack (später VEB Roburwerke), bis sie 1943 heiratet. Ein Jahr später kommt ihre Tochter Dörthe zur Welt. Unter deren Dach wohnt Ursula Lehmann seit zwei Jahren in Demitz-Thumitz.

Die Söhne Armin und Udo, Zwillinge, leben in Bischofswerda. Dort hat die Seniorin bis zu ihrer Rente in der Abteilung Landwirtschaft beim Rat des Kreises gearbeitet. Ihr Freundeskreis ist in den vergangenen Jahren immer kleiner geworden. Trotzdem ist sie in ihrer Heimatstadt immer noch bekannt, auch wegen ihrer Leidenschaft für das tägliche Schwimmen in der Saison im Freibad. Fast jeden Tag zog sie in den vergangenen Jahren gut 20 Minuten ihre Runden. Dahinter verbergen sich 300 bis 400 Meter. Natürlich wartet sie schon jetzt auf einen hoffentlich schönen Badesommer.

Von der Stadt gibt es eine Jahreskarte fürs Freibad

Die Zeit bis dahin vertreibt sich die begeisterte Schwimmerin mit Spaziergängen, Gedanken an die Vergangenheit, Plaudereien im Haus und so mancher siegreichen Rommee-Runde. Doch zum Geburtstag gehen ja auch Wünsche in Erfüllung. Für ihre Spaziergänge gibt es nun eine Ursula-Bank, weil sie häufig klagte, dass es auf ihrer Strecke keinen Platz zum Ausruhen gab. Familie und Gemeinde lösten dieses Problem. Anlässlich ihres Ehrentags ließen ihre Kinder ein Schild anfertigen, und die Gemeinde überholte eine alte Bank und stellte die am Spazierweg auf - zur Freude der Hundertjährigen.

Der Demitz-Thumitzer Bürgermeister Jens Glowienka gehörte genauso zu den Gästen wie Bischofswerdas Oberbürgermeister Holm Große. Für die langjährige Einwohnerin und die selbsternannte „Wasserratte“ gibt es eine Jahreskarte fürs Freibad – und von Tochter Dörthe und ihrem Mann das Versprechen, sie regelmäßig ins benachbarte Schiebock für den Schwimmausflug zu fahren.

„Ich bin eine Frohnatur und lasse mich nicht gleich unterbuttern“, sagt die Jubilarin voller Kraft – und Vorfreude auf die Freibad-Saison. Anfang Juni soll sie nach jetzigen Planungen wiederbeginnen. Für Ursula Lehmann steht jetzt schon fest: Wenn die Gesundheit es zulässt, wird sie dann wieder ihre Bahnen im Wasser ziehen. Schließlich ist das Schwimmen ihr Lebenselixier.