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Kamera statt Töpferscheibe: Kunsthandwerker aus Schmölln werden zu Filmstars

Gegensätze ziehen sich an. Das beweisen Porzellan-Designerin Maranke Thunig und Töpfermeister Thomas Thunig. Für eine Sache aber brennen sie gemeinsam. Das zeigt jetzt ein Film.

Von Miriam Schönbach
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Thomas und Maranke Thunig sind Töpfer und Designerin - und jetzt im neuen Imagefilm für das sächsische Kunsthandwerk zu sehen.
Thomas und Maranke Thunig sind Töpfer und Designerin - und jetzt im neuen Imagefilm für das sächsische Kunsthandwerk zu sehen. © Steffen Unger

Schmölln-Putzkau. Der Blick reicht weit aus dem großen Bistro-Fenster in der ersten Etage der Töpferei in Schmölln-Putzkau. Auf dem Tisch steht selbstverständlich Handgetöpfertes. Thomas Thunig gießt Tee ein, seine Frau Maranke kommt dazu. Durchatmen, rausschauen, Anfang des Jahres 2024 liegen hinter dem Töpfermeister und der Porzellanproduktdesignerin vollgefüllte Arbeitstage. Doch auch jetzt bleibt nur wenig Zeit für Müßiggang. „Wir stecken schon mitten in der Produktion für dieses Jahr und wollen wieder zu ein paar mehr Töpfermärkten fahren“, sagt der 53-Jährige.

Es ist eher ungewöhnlich, dass Maranke und Thomas Thunig an einem Wochentag vormittags zusammen in einer Werkstatt entspannt Tee trinken. Normalerweise schließt die Absolventin der Königlich Dänischen Designer-Akademie früh ihren Laden in Bischofswerda auf und vertieft sich in das kunstvolle Machen zerbrechlicher, hauchdünner Porzellan-Träume in Weiß, während ihr Mann an der Töpferscheibe in Schmölln gern Steinzeug in XXL produziert. Große Gartenkeramik, große Schüsseln, gern bunt im typischen Thunig-Design mit Früchten und Blumen. Gegensätze ziehen sich eben an.

Gemeinsame Sache haben die zwei für die jüngste Image-Kampagne des sächsischen Wirtschaftsministeriums gemacht. Unter dem Motto „Wir haben es in der Hand“ werden sieben typische Kunsthandwerker aus dem Freistaat vorgestellt. Neben der Töpferei Thunig im Bischofswerdaer Land wurden auch eine Glasbläserin, eine Goldschmiedin, ein Holzspielzeugmacher, ein Instrumentenbauer, eine Blaudruck-Designerin und ein Sattler mit der Kamera begleitet. Mit mehr als 11.000 Beschäftigte in über 1.500 Unternehmen und jährlich rund 650 Millionen Euro Umsatz ist das Kunsthandwerk eine wichtige Wirtschaftsbranche in Sachsen.

Image-Kampagne zeigt Handwerksvielfalt in Sachsen

Um zu zeigen, welche Handwerksvielfalt es noch bis in den „letzten Zipfel“ im ländlichen Raum gibt, sind Maranke und Thomas Thunig gern kurzzeitig zu Filmstars geworden und haben gezeigt: Sie brennen für altes Kunsthandwerk. „Manche Betriebe gibt es vielleicht irgendwann nicht mehr. Wenn zum Beispiel die letzte Blaudruckerei geschlossen wird, dann ist sie unwiederbringlich weg. Kunsthandwerk braucht wieder gesellschaftliche Anerkennung“, sagt der Schmöllner. Und mit dem Ende mancher Professionen würde auch Wissen verloren gehen, das oft von Generation zu Generation weitergereicht wurde.

So wie beim Thomas Thunig. Seine Eltern erfüllen sich Mitte der 70er-Jahre ihren Herzenswunsch von einer eigenen Töpfer-Werkstatt. Mit sechs Jahren sitzt ihr Sohn erstmals an der Töpferscheibe. Schnell entstehen kleine Töpfchen und Tierchen. Seine Ausbildung absolviert er beim Traditionsbetriebe VEB Lausitzer Keramik in Kamenz. Der Lehrling übt, 100 gleiche Tassen, 100 gleiche Teller oder 100 Krüge förmlich am Fließband zu drehen. Der Meister erlaubt ihnen außerdem, freitags eigenes Steinzeug zu kreieren. Nach der Meisterausbildung 1994 in Dresden und Bürgel in Thüringen und anschließenden Abstechern zu einigen Töpfer-Kollegen übernimmt er 1996 den Handwerksbetrieb in Schmölln.

Ehepaar lernte sich auf einem Töpfermarkt kennen

Maranke Thunig geht einen anderen Weg. „Ich mache Keramik, seit ich 16 Jahre bin. Während des Gymnasiums habe ich ein Praktikum in der Töpferei von Heike Rabe in Rotterdam gemacht. Ich habe mich einfach in das Material verliebt“, sagt die gebürtige Niederländerin. Ihr Design-Studium beginnt die Wahl-Bischofswerdaerin erst an einer Kunstakademie in Holland und wechselt dann nach Kopenhagen, wo sie 2008 ihre Keramik-Werkstatt mit einer Freundin und Kommilitonin eröffnet.

Kurz zuvor lernt Maranke Thunig ihren heutigen Mann – wo wohl – auf einem Töpfermarkt kennen. Wenig später erklärt er ihr, dass Schmölln bei Bischofswerda der Mittelpunkt der Welt ist. Liebe lässt eben glauben. 2011 wird geheitatet, es folgen Jahre des Pendelns. Zwei Wochen Deutschland, zwei Wochen Dänemark. Fünf Jahre nach dem Ja-Wort sagt die Designerin auch ja zum Umzug. Sie eröffnet ihre Porzellanwerkstatt samt Laden in Bischofswerda, fängt an, im einstigen Garten von Thomas' Großvater zu gärtnern. Seitdem verirren sich immer mal wieder florale Muster auf ihr zartes Weiß.

Kunsthandwerker planen Frühlingsausstellung

Das weiße Holland-Rad steht vor der Werkstatt, wenn Maranke Thunig arbeitet. „Jede Lebensphase hat einen Ort. Jetzt ist es schön hier“, sagt sie. Dann drängelt es sie schon ein bisschen, von Schmölln wieder in ihr Porzellan-Refugium nach Bischofswerda zu kommen. Auch Thomas Thunig ruft der Frühling an der Töpferscheibe, neue Pflanztöpfe werden unter anderem gebraucht. Zehn Mitarbeiter, darunter Azubis, arbeiten in seiner Werkstatt.

Gerade ihre Branche merke, dass mehr Menschen wieder Individuelles, Unikate suchen. Am 23. und 24. März 2024 planen die Kunsthandwerker schon ihre Frühlingsausstellung, der Webshop soll erneuert werden, und dann sind auch noch die Töpfermärkte abzustimmen.

Ein Weg soll das kreative Ehepaar dann unter anderem nach Faenza führen. Die Stadt in Norditalien gilt als Wiege der europäischen Keramik. Thomas und Maranke Thunig wollen dort auch ein bisschen auf eigenen Spuren wandeln. Denn wo wohl begegneten sich ein erstes Mal ein Oberlausitzer Töpfermeister und eine dänische Designerin mit holländischen Wurzeln - selbstverständlich an der Wiege der europäischen Keramik.