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Das ist Bischofswerdas größter Kleiderschrank

17.000 Marken-Textilien stapeln sich im neuen Lager der Handelsgruppe PTH. Von Bischofswerda aus gehen sie in 120 Läden und den europaweiten Onlinehandel.

Von Miriam Schönbach
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Teamleiterin Anke Häntzschel steht im neuen Zentrallager der PTH-Group in Bischofswerda. Von hier aus werden 120 Läden, die zur Gruppe gehören, beliefert, aber auch die Onlinebestellungen abgewickelt.
Teamleiterin Anke Häntzschel steht im neuen Zentrallager der PTH-Group in Bischofswerda. Von hier aus werden 120 Läden, die zur Gruppe gehören, beliefert, aber auch die Onlinebestellungen abgewickelt. © SZ/Uwe Soeder

Bischofswerda. So sieht Bischofswerdas größter Kleiderschrank aus: Anke Häntzschel schaut von der Brüstung in der ersten Etage auf elf lange Regalreihen mit jeweils sechs übereinandergestapelten Pappschubladen in der Halle hinunter. Links und rechts hängen noch Mäntel, Jacken und Accessoires auf Kleiderstangen.

„Ich schätze, 17.000 Teile finden sich dort unten“, sagt die Teamleiterin im neuen Lager der PTH Group. Die Abkürzung steht für eins der führenden Unternehmen der Textilhandelsbranche im Land. Partner sind so große Marken wie Esprit, Calvin Klein und Tommy Hilfiger. In deren Namen verkauft der Franchise-Nehmer aus Sachsen die Waren deutschlandweit in 120 Geschäften. Zugleich betreibt der Schiebocker Mittelständler über 20 Tom-Tailor-Läden.

Anke Häntzschel geht über die Baustelle, ihr folgen Personalchefin Antje Galler und die Zuständige für Unternehmenskommunikation Julia Sachse. Vor einem Jahr hat PTH-Geschäftsführer Heiko Ronge die ehemalige „Meesenburg“-Halle in der Bautzener Straße erworben, um Platz zum Lagern zu schaffen. „Gerade die vergangenen zwei Jahre waren durch Corona sehr schwer für die Textilbranche. Wir sind sehr gut aus der Krise gekommen. Denn einer unserer ersten Impulse war es: Wir müssen uns um die Lagerhaltung kümmern“, sagt Antje Galler.

Große Verluste durch Corona in der Textilbranche

Schließlich ist quer durch die Branche die Ware in den vergangenen Monaten durch Lockdown und 2G beim Einkaufen liegen geblieben: bei großen Ketten genau wie bei Mittelständlern mit wenigen Filialen und inhabergeführten Geschäften. Nach Einschätzungen des Branchenverbands BTE Textil brach allein 2020 der Umsatz um fast ein Viertel ein. Die Umsätze des stationären Textilfachhandels sanken 2021 nochmals, allerdings konnte im Vorjahr der Online-Handel die Verluste ausgleichen, sodass der Umsatz mit Bekleidung und Textilien 2021 insgesamt sogar wieder gestiegen ist, teilt der Verband mit.

Anje Galler schaut sich um. „Ja, dieses Lager ist aus der Corona-Krise erwachsen – und nun denken wir strategisch nach vorn. Die Halle dient auch als Zwischenlagerplatz für den Onlinehandel“, sagt sie. Denn Schiebocks größter Kleiderschrank hat Ausbaukapazitäten. Über 2.000 Quadratmeter misst die Halle, auch Büros sollen künftig in den puristischen Metallbau einziehen.

Derzeit arbeiten dort schon elf Mitarbeiter. Sie kommissionieren Waren, das heißt, alle Textilien, die hereinkommen, gehen genauso durch ihre Hände wie jedes Teil, das entweder an einen Laden oder direkt an Besteller verschickt wird.

Erster Laden wurde im Jahr 2000 in Bautzen eröffnet

Ein großer Pappkarton steht auf einem Tisch mit Kleidern von Esprit. „Diese Ware muss eingelagert werden. Gerade kommt sehr viel Winterware aus unseren Stores bei uns an“, sagt die Teamleiterin. Seit Juli 2021 gehört sie zum Team aus 650 Mitarbeitern in der Unternehmensgruppe allein in Deutschland. Gut 200 Beschäftigte gibt es nochmals in einer tschechischen Gesellschaft. Allein am Standort Bischofswerda arbeiten inzwischen 60 Mitarbeiter. Das Unternehmen schaut auf mehr als 20 Jahre am Markt zurück, der erste Esprit Franchise-Store in Ostdeutschland wurde im Jahr 2000 im Kornmarkt-Center in Bautzen eröffnet.

Anke Häntzschel fühlt sich sichtlich wohl in diesem Team. Die gelernte Gärtnerin im Obstbau ist Quereinsteigerin. Um beim Gang übers Gelände mit ihr Schritt zu halten, braucht es Ausdauer. „Leider habe ich hier noch nie die Kilometer gezählt“, sagt die 48-Jährige schmunzelnd.

Chaotische Lagerhaltung sorgt für Suche mit System

Kommissionierung heißt für sie, dass Aufträge über das MDE-Gerät hereinkommen. Dann geht die Zusammenstellung der Bestellung los. Ganz aktuell gibt es auf ihrem handyähnlichen Datenerfasser Aufträge vom Internet-Versand-Händler Amazon. Die MDE-Geräte ermöglichen es, Artikel ohne lange Laufwege einem beliebigen freien Lagerplatz zuzuordnen. Ein Einscann-Piep speichert den Ort im Systemgedächtnis. Chaotische Lagerhaltung heißt der Fachbegriff unter Profis.

Chaotische Lagerhaltung heißt der Fachbegriff, wenn Artikel scheinbar wahllos abgelegt werden. Aber moderne Technik sorgt dafür, dass im PTH-Zentrallager jede Bestellung wiedergefunden wird.
Chaotische Lagerhaltung heißt der Fachbegriff, wenn Artikel scheinbar wahllos abgelegt werden. Aber moderne Technik sorgt dafür, dass im PTH-Zentrallager jede Bestellung wiedergefunden wird. © SZ/Uwe Soeder

Das Chaos sieht in einer Schütte, wie die übereinandergestapelten Kleidungsschubfächer aus Pappe genannt werden, wie folgt aus: Neben einer Jacke liegen zwei Jeans, eine Tasche und zwei T-Shirts. „Aber, wie Sie sehen: Das Chaos hat System“, sagt Anke Häntzschel und greift im Fach nach einer Damenjeans in der Größe 32/32. Ihr Gerät hat sie genau zu diesem Platz geführt. Mit einem Scan gleicht sie die Amazon-Bestellung ab. Es stimmt. Auf dem Weg zum Packraum nimmt sie noch eine Packung Herrenunterhosen von Calvin Klein mit.

Über diesen handyähnlichen Datenerfasser kommen die Bestellungen herein, zugleich lässt sich damit aber auch jedes kommissionierte Bekleidungsstück wiederfinden.
Über diesen handyähnlichen Datenerfasser kommen die Bestellungen herein, zugleich lässt sich damit aber auch jedes kommissionierte Bekleidungsstück wiederfinden. © SZ/Uwe Soeder

Ihre zusammengetragenen Waren scannt Anke Häntzschel nochmal ein, automatisch werden die Versandpapiere erstellt. Jede Bestellung kommt in eine Versandtasche. „Bei uns gehen täglich zwischen 250 und 300 Päckchen raus, montags auch bis zu 700 Stück, Tendenz steigend“, sagt die Teamleiterin. Dann schaut sie nochmals auf ihren digitalen Datenerfasser und ruft die jüngsten Bestelleingänge auf. Damit der Zalando-Postbote, so wie in der Fernseh-Werbung, morgen bei der Kundin klingeln kann, muss sich Anke Häntzschel nun sputen. Aber sie kennt sich ja aus in Schiebocks größtem Kleiderschrank.