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Bürger verhindern Krach

Lärm, Staub und dazu noch der Wertverlust der Grundstücke. Das war den Naundorfern zu viel.

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© Anne Hübschmann

Von Birgit Ulbricht

Großenhain. Das konnte sich Martin Lindemann nur noch mit verschränkten Armen anhören. Die Naundorfer haben ihm und den Stadträten am Mittwochabend in der Einwohnerfragestunde so richtig die Meinung gegeigt. Frau Peters zum Beispiel, die trotz ihres Alter weder ein Mikro brauchte, noch sich vom OB beeindrucken ließ, der am liebsten nur einen Sprecher für alle Naundorfer gehabt hätte. Bis vor die Rathaussaaltür standen die Leute, als Frau Peters fragte: Braucht die Stadt eine Brecheranlage mitten im Wohngebiet? Mit welchem Recht werden unsere Häuser derart abgewertet? Oder würde einer von den Damen und Herren Stadträten dann dort wohnen wollen? Lauter Beifall.

Immobilienmakler Jörg Heller brachte es auf den Punkt: Es geht der Bürgerinitiative nicht nur darum, dass sie als Anwohner selbst von Lärm und Staub durch eine Brecheranlage und den Lkw-Verkehr zum Recyclingplatz betroffen wären – hier wäre mit einer Ansiedlung eines solchen Gewerkes ein Grundkonflikt angelegt, der nie zur Ruhe kommt und eine Entwicklung von Naundorf als Wohnstandort auf lange Sicht ausbremst.

Naundorf als Wohndorf

Heller, der im Auftrag von Thomas Grimmer die Bürgerinitiative unterstützt, nannte nicht nur dessen geplanten Wohnstandort am früheren Kreisbau, sondern genauso den Fuchsbau von Investor Carsten Meißner und den Großenhainer Ausbau, der ebenfalls Flächen zur Wohnbebauung erschließen will. Dazu kämen der ein oder andere Hof, der sicher in den nächsten Jahren zum Verkauf stehe oder junge Familien findet, die hier ausbauen. Denn die Ortslage ist seit Bau der Umgehung eine neue in der Stadt. Per Rad lässt sich bequem die Innenstadt erreichen, die Grundschule am Bobersberg wird jetzt komplett neu saniert, es gibt Märkte und eine ungehinderte Ausfahrt in Richtung Radeburg, Dresden – ohne erst über die Ortsumfahrung zu müssen. „Das war 2013, als man den ersten Beschluss für ein Planungsverfahren zum Recyclingsplatz gefasst hat, doch gar nicht absehbar“, so Heller vor den Stadträten. Entsprechend bat er sie, ihre Entscheidung zu überdenken. Und die Abgeordneten hatten sich sehr wohl umgehört. Kerstin Lauterbach (Die Linke) sagte für ihre Fraktion, man habe 2013 noch für ein Verfahren zur Genehmigung des Recyclingplatzes gestimmt, weil man das Großenhainer Unternehmen fördern wollte, habe aber nach vielen Gesprächen mit den Naundorfern und dem Probebetrieb erkannt, dass dieser Standort keinen Sinn mache. Man werde daher einer Fortführung des Verfahrens nicht zustimmen. Die Stadt sollte sich bemühen, Martin Lindemann einen anderen Standort anzubieten. Ebenso hielt es Michael Preibisch von der CDU. Auch die CDU gehe von einem erheblichen Konfliktpotenzial aus, zumal stehe die ganze Frage Bimsch-Genehmigung noch aus. Auch er gab der Verwaltung die dringende Hausaufgabe auf den Weg, sich aktiv in die Flächensuche zu begeben. Auch Hans-Jörg Krutzki (Alternative Liste), Thomas Proschwitz (Linke) und Falk Terrey (SPD) äußerten sich so. Zumal sie bezweifelten, dass der Standort angesichts der enormen Auflagen zu Hochwasser- und Naturschutz für den Investor finanziell tragbar wäre. Bei so viel Einigkeit fiel es nicht mehr ins Gewicht, dass Axel Hackenberg (CDU), Andrea Dreßler (CDU) und Kai-Uwe Schwokowski (AL) nicht mit abstimmen durften, weil sie die Unterschriftensammlung gegen das Projekt unterzeichnet hatten. Am Ende lehnten es die Stadträte ab, die Abwägung des Vorhabens weiterzuführen. Nun muss in der Sitzung am 8. März noch ein formaler Beschluss zum Beenden des Verfahrens her.

Was Martin Lindemann bisher für das Genehmigungsverfahren gezahlt hat, ist weg. Aber, so unfair das klingt. Lindemann wusste um das Risiko. Stadtbaudirektor Tilo Hönicke hat Willi Lindemann schon vor Jahren gesagt, er solle den Platz nicht kaufen, weil der Standort dafür ungeeignet sei. Lindemanns haben die Brache trotzdem gekauft. Damit war der Konflikt vorbereitet. Die Stadt sucht bereits zwei Jahre eine Alternative. „In Zschieschen bei MAN weht alles nach Mülbitz, am Flugplatz ist Technopor gerade an der Frage der Staubemission gescheitert, neben der Biogasanlage hätten wir sofort die Leute vom Bornweg auf dem Hals – wir haben im Stadtgebiet keine geeignete Fläche“, sagt Hönicke. Oberbürgermeister Sven Mißbach erklärte entsprechend nüchtern: „Ich nehme die Aufgabe mit, die Sie uns geben. Einfach wird sie mit Sicherheit nicht.“