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So geht es im "Fall Frehse" weiter

Die Affäre um ihre Ex-Trainerin Gabi Frehse hat Turnerin Sophie Scheder fast die Karriere gekostet. Jetzt verlässt die Olympia-Dritte Chemnitz.

Von Michaela Widder
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Fast zehn Jahre alt ist dieses Foto, es stammt von der Turn-EM 2013. Und das Verhältnis von Sophie Scheder und Trainerin Gabriele Frehse könnte kaum besser sein, doch gezwungenermaßen gehen beide jetzt getrennte Wege.
Fast zehn Jahre alt ist dieses Foto, es stammt von der Turn-EM 2013. Und das Verhältnis von Sophie Scheder und Trainerin Gabriele Frehse könnte kaum besser sein, doch gezwungenermaßen gehen beide jetzt getrennte Wege. © dpa

Chemnitz. Der Schritt fällt ihr nicht leicht, aber die Alternative wäre das Karriereende gewesen. Sophie Scheder, die Olympiadritte von Rio 2016, wechselt nach 13 Jahren in Chemnitz den Trainingsort. Ohne Trainerin Gabriele Frehse, deren Kündigung für unwirksam erklärt wurde, die aber noch immer nicht in die Turnhalle zurückgekehrt ist, gibt es für Scheder keine Zukunft mehr in Chemnitz.

"Nach reifer Überlegung habe ich mich dazu entschieden, meinen langjährigen Trainingsstützpunkt zu verlassen und an den Bundesstützpunkt Köln zu gehen", teilt Scheder über Instagram mit. Sie werde weiterhin bei nationalen Wettkämpfen für den TuS Chemnitz-Altendorf starten, schreibt sie weiter und stellt fest: "Doch trainieren, leben und studieren werde ich schon bald in der Rheinmetropole."

Der Wechsel sei ihr nicht leicht gefallen, im Gespräch mit der Freien Presse betont Scheder aber auch: "Ich hoffe, dass mich die neuen Reize sportlich voranbringen, entweder jetzt oder gar nicht."

Die 25-Jährige steht am Scheidepunkt ihrer Karriere. 2016 hatte sie mit dem Gewinn der Bronzemedaille am Stufenbarren in Rio de Janeiro gleich bei ihren ersten Spielen das beste Olympia-Ergebnis einer deutschen Turnerin an diesem Gerät seit 28 Jahren erzielt. "Niemals hätte ich 2008 gedacht, als ich nach Chemnitz gekommen bin, dass ich so viele Jahre hier bleiben werde und vor allem Geschichte schreibe", meint sie.

Doch in den vergangenen Jahren hatten Scheder immer wieder schwere Verletzungen zurückgeworfen. Im Sommer hatte die gebürtige Wolfsburgerin ihr großes Ziel, die Olympischen Spiele in Tokio, durch Fußprobleme beim entscheidenden Nominierungswettkampf verpasst. Aber zumindest als kleine Wiedergutmachung wollte sie bei der WM im Oktober starten, brach sich dann beim Vorbereitungslehrgang allerdings den Mittelfuß.

Ohne Frehse sieht sie keine Zukunft in Chemnitz

Nach vier Monaten Pause und einmal mehr Reha kehrt Scheder nun langsam in den Trainingsalltag zurück. Nur findet der nicht mehr in Chemnitz statt. Mitentscheidend für den Neuanfang ist neben dem Studium auch die Situation um ihre langjährige Trainerin am Bundesstützpunkt.

Scheders Vereinskollegin Pauline Schäfer hatte Frehse Ende 2020 zusammen mit weiteren Turnerinnen im Magazin Der Spiegel vorgeworfen, sie täglich beleidigt und erniedrigt zu haben. Die später vom Olympiastützpunkt Chemnitz gekündigte Frehse bestritt das stets. Das Arbeitsgericht Chemnitz hatte die Kündigung im Oktober für unwirksam erklärt, ihr Arbeitgeber muss sie weiter beschäftigen. Eine Rückkehr in die Halle scheint nach der größten Turn-Affäre im deutschen Sport im Moment ausgeschlossen. Eine abschließende Klärung mit dem Olympiastützpunkt steht weiter aus.

Es war ihr bestes Jahr. Nach dem Gewinn der Bronzemedaille in Rio wurde Sophie Sophie Scheder 2016 zu Sachsens Sportlerin des Jahres gewählt.
Es war ihr bestes Jahr. Nach dem Gewinn der Bronzemedaille in Rio wurde Sophie Sophie Scheder 2016 zu Sachsens Sportlerin des Jahres gewählt. ©  Archiv: Robert Michael

Scheder zählt zu den Turnerinnen, die sich stets hinter die 61-jährige Frehse gestellt haben. Im exklusiven Interview mit Sächsische.de sprach sie ausführlich über die Vorwürfe gegen ihre Trainerin - und durfte trotz großer Unterstützung für Frehse nicht bei ihrer Übungsleiterin bleiben. Schon im Sommer hatte Scheder angekündigt, dass sie die Fortsetzung ihrer Karriere von der Entwicklung im Fall Frehse abhängig machen werde. "Ich würde schon sagen, dass ich ohne Gabi hier in Chemnitz nicht mehr bleiben werde und wahrscheinlich meine sportliche Karriere sonst beenden würde", sagte Scheder damals.

Weißrusse trainiert jetzt die Chemnitzerinnen

Am Bundesstützpunkt hat sich die zuletzt angespannte Trainersituation indes zumindest etwas entspannt. Seit Dezember betreut der Weißrusse Anatol Ashurkov die Kader-Athletinnen. Der frühere Auswahlturner und Akrobat hatte zuletzt zehn Jahre im norwegischen Bergen als Trainer gearbeitet. Die neu geschaffene Stelle ist die vom Deutschen Turner-Bund lange versprochene Hilfe für den Chemnitzer Stützpunkt.

Scheder ist unterdessen auf der Suche nach einem WG-Zimmer in ihrer neuen Wahl-Heimat. Seit April vergangenen Jahres ist die vierfache Weltcupsiegerin regelmäßig in Köln, weil sie ein Trainer-Studium begonnen hat. Zusammen mit Olympia-Turnerin Sarah Voss wird sie in einer Gruppe trainieren. Die ehemalige deutsche Mehrkampf-Meisterin peilt als nächstes großes Ziel einen Start bei der EM im Rahmen der European Championships im August in München an. Auch die WM im Oktober in Liverpool hat Scheder noch im Blick.