SZ + Dresden
Merken

Mehr Dresdner Wirte und Veranstalter setzen auf 2G

In vielen Bars, Clubs und sogar manchen Cafés darf nur noch sein, wer geimpft oder genesen ist. Eine Entscheidung, die polarisiert.

Von Dominique Bielmeier
 6 Min.
Teilen
Folgen
NEU!
"Geimpft! Genesen!" steht auf einem Schild an einer Bar in der Dresdner Neustadt, die auf 2G umgestellt hat.
"Geimpft! Genesen!" steht auf einem Schild an einer Bar in der Dresdner Neustadt, die auf 2G umgestellt hat. ©  dpa/Robert Michael

Dresden. "Alle sind gleich, niemand wird ausgeschlossen." Dieses Credo gilt im Club Downton auf der Katharinenstraße in normalen Zeiten. Rassismus, Gewalt, Meinungsverschiedenheiten, politische Gesinnungen, die auf den Partys in der Äußeren Neustadt nichts zu suchen haben - bisher waren das laut der Betreiber die einzigen Gründe, jemanden von einer Veranstaltung auszuschließen. Doch: "Dieses Gleichgewicht ist durch die jetzige Lage (Corona) und durch politische Entscheidungen extrem ins Ungleichgewicht geraten."

So beginnt ein langer Facebook-Post des Clubs vom 14. Oktober, in dem die Entscheidung begründet wird, Veranstaltungen vorerst mit der 2G-Regel, also Zutritt allein für Geimpfte und Genesene, durchzuführen. Die Vorteile und Nachteile von 3G versus 2G werden aufgezählt und abgewogen: Bei der 3G-Regel, nach der der Zutritt auch mit einem aktuellen negativen Testergebnis möglich ist, müssen nicht nur Kontakte erfasst werden, es gelten auch Abstandsregeln und Maskenpflicht ("damit kann man eigentlich nicht feiern") und die Zahl der Besucher muss beschränkt werden.

Klarer Vorteil dieser "Party mit 'angezogener Handbremse'" für die Gäste: "Ihr könnt alle zusammen feiern, egal ob geimpft oder getestet." Und der Betreiber selbst muss niemanden ausgrenzen.

Dagegen hat 2G für Letzteren jedoch deutlich mehr organisatorische und wirtschaftliche Vorteile: Einlassstopp gilt erst, wenn die normale Besucherzahlgrenze erreicht ist, die Kosten für den Club sinken. Und: "Wir können längerfristig und besser unsere Veranstaltungen planen, da sich die Bedingungen bei 3G-Veranstaltungen kurzfristiger ändern als bei den 2G-Partys."

Partygäste können ohne Masken und Abstand feiern, müssen aber möglicherweise auf gesunde, aber ungeimpfte beziehungsweise ungenesene Freunde verzichten - oder dürfen selbst nicht teilnehmen, weil sie den 2G-Nachweis nicht erbringen können oder wollen. "Nachteil für uns: Wir werden zu Entscheidungen gezwungen, die politscher Natur sind und unserer Philosophie widersprechen", schreibt das Downtown und zieht ein Fazit unter der Überschrift: "Welche Wahl haben wir?"

2G: "Bedenklich im moralischen Sinne"

Den Club geschlossen zu lassen, wäre ein Statement, aber: "Wir und unsere Angestellten können leider nicht von Luft leben." Die 3G-Regel sei unwirtschaftlich, lasse sich schwer kontrollieren und umsetzen, außerdem sei ungewiss, wie lange es diese Möglichkeit noch gebe. "3G beschränkt den Geimpften extrem, die Vorteile, die er sich erhofft hat, erfüllen sich nicht."

Deshalb also 2G, doch diese Entscheidung trifft das Downtown alles andere als aus Überzeugung: "Es wird wohl erst einmal dieser Weg sein, um eine Party durchführen zu können, passend für die Gesetzgebung, bedenklich im moralischen Sinne. Wir bedauern es sehr, dass wir uns daher weit von unserer Philosophie entfernen müssen und mit der 2G-Regel einen Teil unserer Gäste ausgrenzen." Die Betreiber hoffen, dass bald gesetzliche Rahmenbedingungen gelten, die es ihnen erlauben, wieder für alle Gäste Veranstaltungen durchzuführen, die auch aus wirtschaftlicher Sicht Sinn machen.

Mit der schweren Entscheidung von 3G auf 2G zu wechseln, ist der Club keinesfalls allein. In der Äußeren Neustadt haben sich unter anderem die Bars Zille ("Wir möchten wieder ein Anlaufpunkt für ausgelassenes Feiern und Tanzen sein"), Madness ("Lasst uns gemeinsam entspannt und rücksichtsvoll mit der Situation umgehen"), Boys ("Auf Abstand achten, Maske tragen, das ist nicht die entspannte, erholsame Atmosphäre, die wir uns alle wünschen und unsere Parties und Veranstaltungen sind so überhaupt nicht durchführbar") und die Café-Bar Laika ("Lieber gechipt ein Bier in der Hand als bei Xavier am rechten Rand") für eine Verschärfung der Zugangsbeschränkung entschieden, mit dem Oswaldz auf der Bautzner Straße macht auch ein reines Café mit. Und auch bei Veranstaltungen im Ostpol gilt 2G. Die Liste dürfte noch um einiges länger sein.

Immer häufiger 2G für Veranstaltungen

Denn das Phänomen ist nicht auf die Neustadt beschränkt, der Club Gisela in der Friedrichstadt schreibt beispielsweise auf seiner Website: "Nach stundenlangen Gesprächen, Telefonaten und nachdenklichem Schweigen müssen wir Euch leider mitteilen, dass die einzige Möglichkeit, unser so geliebtes Business, welches offensichtlich null Lobby hat, weiter betreiben zu können, darin besteht, auf 2G zu gehen." Auch dieser Club betont, niemanden ausgrenzen zu wollen, "wir müssen aber diesen Schritt gehen, um unseren Betrieb weiter am Leben zu halten".

Die Entscheidung fiel schon im August, als noch kaum jemand von der 2G-Option Gebrauch machte, und zog entsprechend viel negatives Feedback nach sich, vor allem auf Facebook, wo auf Gäste hingewiesen wurde, die sich nicht impfen lassen dürften, und darauf, dass eine Impfung schließlich "ein körperlicher Eingriff" sei, der nicht vor dem Clubbesuch verlangt werden dürfe.

Der Eindruck, dass seitdem immer mehr Dresdner Veranstalter sowie Bar- und Café-Betreiber von 3G auf 2G gewechselt sind, zumindest für einzelne Events, wird durch Zahlen aus der Stadtverwaltung untermauert: "Im Zeitraum vom 21. September bis zum 22. Oktober 2021 sind Anzeigen von 55 Einrichtungen zur Nutzung des 2G-Optionsmodels für über 600 Veranstaltungen, die bis Ende November 2021 stattfinden werden, eingegangen", teilt Diana Petters auf SZ-Anfrage mit.

Diese Zahl sei steigend, "insbesondere auch bei der Betrachtung der Anzahl der Angebote, da immer mehr Einrichtungen wiederholt das Angebot für ihre Veranstaltungen nutzen". Die Umstellung von der ursprünglichen 3G-Regelung auf das 2G-Optionsmodell sei noch verhalten, werde aber zunehmend beantragt, "vor allem mit dem Hintergrund, dann größere Besucherzahlen gewährleisten zu können". Zum Vergleich: In einer Antwort der Stadtverwaltung vom 7. Oktober war noch von "23 Unternehmen/Einrichtungen/Veranstaltungen" die Rede, die das 2G-Modell beantragt hätten.

Aber längst nicht alle machen mit, manche sprechen sich auch entschieden gegen die 2G-Option aus, zum Beispiel Jazztage-Intendant Kilian Forster, der bei Facebook schreibt, man wolle auch weiterhin "keinerlei Art von Diffamierung Andersdenkender" bei den Jazztagen zulassen - und dafür viel Zuspruch von Kommentatoren erhält. "Mit einem kostenlosen Testangebot vor Ort sind Geimpfte, Genesene sowie Gesunde herzlich willkommen", erklärt Forster. "Sollte jemand vor Ort positiv getestet werden, wird das Ticket rückerstattet oder gilt als Gutschein für weitere Konzerte."

So schwer die Entscheidung für oder gegen 2G manchen Wirten und Veranstaltern fällt, so sehr polarisiert das Zugangsmodell auch bei (potenziellen) Gästen. Unter das Posting zur 2G-Einführung der Bar Zille gibt es nur zwei Kommentare. Ein Nutzer schreibt, dass er sich freue - ein anderer kurz und knapp: "good bye". Der lange Text des Downtowns mit seiner Abwägung des Für und Wider von 2G wird mit viel Verständnis gewürdigt, ein Nutzer schreibt beispielsweise: "Für mich haben sich die Partys bei euch damit vorerst erledigt, aber ich wünsche euch alles Gute mit der Entscheidung!" Ähnlich kommentiert ein anderer: "Ich habe Verständnis für eure Entscheidung. Allerdings bedeutet das in Zukunft ohne mich."