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Gastwirte im Lockdown-Schock

Ab Montag bleiben alle Lokale für einen Monat zu. Mindestens. Wie gehen Wirte in der Weißeritzregion und dem Osterzgebirge damit um?

Von Annett Heyse & Siiri Klose
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Freundlich trotz Panik: Der Inhaber der Hirschbachmühle Robert Kluge wird seine beliebten Gänsekeulen in Zukunft so ausgeben.
Freundlich trotz Panik: Der Inhaber der Hirschbachmühle Robert Kluge wird seine beliebten Gänsekeulen in Zukunft so ausgeben. © Karl-Ludwig Oberthür

Es tropft von den Bäumen vor der Hirschbachmühle, Pfützen haben sich gebildet, welkes Laub schwimmt darin: "Wintergrillen wird nicht funktionieren", sagt Gastwirt Robert Kluge. Seine Gedanken kreisen um die Zukunft des Waldgasthofs mit Seminarhaus zwischen Kreischa und Reinhardtsgrimma. 

Erst im März dieses Jahres hatte er ihn übernommen und mit neuem Konzept eröffnet. Seitdem hat er ein Jahr mit vielen coronabedingten Tiefs und wenigen Hochs hinter sich: Den Lockdown im Frühling konnte er mit Grill, Imbiss und Speisen zum Mitnehmen einigermaßen überbrücken. Die Sommermonate zeigten ihm, dass seine Karte mit Wildgulasch und Hirschbraten bei den Gästen gut ankam. 

Welche Hilfen helfen der Hirschbachmühle?

Nun setzt er seine Hoffnung auf Speisen außer Haus: Freitag und Sonnabend von 17 bis 19 Uhr, Sonntag von 11 bis 14 Uhr können sich die Gäste Schnitzel, Wildgulasch, Gänsebrust und Gänsekeule  abholen: "Mitzubringen sind ausreichend Töpfe und Behälter", hat er auf seine Internetseite geschrieben, dazu die Bitte um Vorbestellung am Vortag bis 20 Uhr: "Ich muss ja ungefähr wissen, was ich beim Lieferanten einkaufe." 

Der junge Gastwirt ist dermaßen mit der Neuorganisation seines Gasthofes beschäftigt, dass er gar nicht richtig dazu kommt, sich zu ärgern. Zwei Angestellte hat er, die er unbedingt halten will - schon weil er im Sommer gemerkt hat, wie schwer neues Personal zu finden ist: "Jetzt bin ich froh, dass ich keinen Dritten eingestellt habe." 

Welche Hilfen ihm nun zustehen, versuchen er und sein Steuerberater gerade noch zu ergründen: "Normalerweise würde der Umsatz vom November 2019 zu 75 Prozent erstattet - minus finanzielle Hilfen wie Kurzarbeitsgeld. Aber da hatte ich ja noch gar nicht geöffnet", sagt er.    

Mit Humor in der Altenberger Waldschänke Raupennest

Denise Sender von der Waldschänke "Altes Raupennest" in der Nähe der oberen Liftstation von Altenberg beschreibt ihren Gemütszustand mit einem Wort: "Entnervt!" Sie lacht trotzdem: "Ohne Humor überstehen wir das hier nicht."

Nachdem sie zuletzt nahezu wöchentlich den Sitzplatz in der Gaststube an neue Bestimmungen anpassen musste, hieß es nun "Zurück auf Los": Gänzliche Schließung der Gastronomie, zurück zum Außer-Haus-Verkauf, den sie bereits im Frühling ausprobiert haben. "Dass viele der Ortsansässigen im Frühling dieses Angebot angenommen haben, hat uns über Wasser gehalten", sagt sie. Jetzt wird die Belegschaft wieder Zettel mit der Speisekarte von Roulade bis Kinderschnitzel verteilen: "Bestellt werden sollte wieder bis Donnerstag, abgeholt werden können die Speisen dann am Sonnabend und Sonntag."

Erholung mit dem Sommergeschäft

Auch in Freital ist die Stimmung gedrückt. "Wir haben es befürchtet", sagt Frank Gliemann, Wirt das Gasthauses "Zur Linde". Immerhin fühle er sich dieses Mal besser vorbereitet. Er wird wieder Essen außer Haus zum Abholen anbieten, darunter natürlich auch Martinsgänse. Sogar ausliefern könne er, zumindest im Raum Freital. Das Hotel bleibe geöffnet, etliche Dienstreisende haben bereits gebucht. "Die bekommen natürlich auch Frühstück und Abendessen", sagt Frank Gliemann. Trotzdem muss er einige Mitarbeiter in Kurzarbeit schicken.

Dabei war auch er vor einigen Monaten noch froh, dass sich der Arbeitsmarkt entspannt hatte und er neue Leute einstellen konnte. Das Sommergeschäft sei auch richtig gut gelaufen, berichtet der Gastwirt: "Wir haben schon gemerkt, dass mehr Menschen in Deutschland Urlaub gemacht haben und dass viele auch gar nicht weggefahren sind." Die Zuhausebleiber hätten dann auch den einen oder anderen Geldschein mehr in die einheimischen Lokale geschleppt. So konnte man sich etwas vom Lockdown im Frühjahr erholen. Und nun das.

Investitionen in Corona-Schutz nicht berücksichtigt

Frank Gliemann, seit 1975 im Geschäft und seit 1988 selbstständig, hat dafür kein Verständnis mehr. "Wir haben doch alle unser Hygienekonzept. Viele Berufskollegen haben noch in Plexiglaswände, Mundschutz, Desinfektionsmittel investiert. Und jetzt, wo alles funktioniert, müssen wir dichtmachen." Dabei habe bei ihm nie ein Gesundheitsamt angerufen und nach Gästelisten gefragt. Überhaupt kennt Gliemann, der auch im Hotel- und Gaststättenverband Dehoga aktiv ist, keinen Fall, wo eine Gaststätte wegen eines Corona-Infizierten schließen musste. Lediglich in Pulsnitz habe ein Wirt vorsichtshalber für ein paar Tage geschlossen, weil sein Koch Kontakt zu jemandem hatte, der positiv getestet worden war. "Aber am Ende war da nichts", sagt Gliemann.

Die Gastwirte stehen auch deshalb vor einem Dilemma, weil die Weihnachtszeit die umsatzstärksten Wochen im Jahr sind. Das Geld hätten sie dringend gebraucht, um die 2020er Bilanz noch etwas aufzubessern. Nun haben sie die Ware bestellt, teilweise haben die Produzenten auch schon geliefert  - Wildfleisch und Gänse zum Beispiel. Bis Weihnachten ist es zwar noch etwas hin, aber das Geschäft dürfte auch dann futsch sein, wenn ab Dezember doch wieder geöffnet werden kann. "Die Betriebsfeiern finden ohnehin nicht statt, und auch viele private Familienfeiern sagen die Leute jetzt wieder ab", berichtet Frank Gliemann. 

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