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Von uns kein Krankenschein per Telefon!

Mehrere Hausärzte in Löbau-Zittau lehnen es ab, Patienten ungesehen krankzuschreiben. Und sie warnen vor zu vielen Corona-Tests, die Labore überlasten.

Von Jana Ulbrich
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Der Oderwitzer Allgemeinmediziner Gottfried Hanzl gehört zu den Hausärzten, die eine Krankschreibung am Telefon ablehnen.
Der Oderwitzer Allgemeinmediziner Gottfried Hanzl gehört zu den Hausärzten, die eine Krankschreibung am Telefon ablehnen. © Matthias Weber (Archiv)

Ein Krankenschein per Telefon? Für Dr. Roger Voigt kommt das nicht infrage. "Für mich gehört es ganz klar zu meiner ärztlichen Pflicht, mir meine Patienten anzusehen, wenn sie sich krank fühlen", sagt der Hausarzt aus Oderwitz. "Daran ändert sich auch in Corona-Zeiten nichts."

Mit dieser Haltung stellt sich der Mediziner ganz klar gegen die Sonderregelung des Bundesausschusses von Ärzten, Krankenkassen und Kliniken, die es Patienten mit Erkältungssymptomen seit dieser Woche wieder möglich macht, sich nur mit einem Anruf in der Praxis krankschreiben zu lassen.

Bei der Kassenärztlichen Vereinigung (KV) in Sachsen findet man das gut: "Als HNO-Ärztin begrüße ich das als sinnvolle und pragmatische Maßnahme zur Pandemiebekämpfung", sagt die stellvertretende Vorstandsvorsitzende Dr. Sylvia Krug. Durch das Vermeiden unnötiger Wege und Wartezeiten in den Arztpraxen könnten die Übertragung von Infektionen vermieden und das Zusammentreffen mit chronisch kranken Menschen minimiert werden.

Roger Voigt lässt sich davon nicht überzeugen. Mit einem guten Praxismanagement und Hygienekonzept könne auch er die Kontakte minimieren, erklärt er. "Erst gestern hatte ich einen Fall", fügt er hinzu, "da wäre das gründlich schiefgegangen, wenn ich nicht darauf bestanden hätte, den Patienten zu sehen." 

Der Hausarzt aus Oderwitz ist nicht der einzige Allgemeinmediziner, der die bundesweite Sonderregelung nicht mitträgt. Auch andere Kollegen, unter ihnen Gottfried Hanzl, ebenfalls langjähriger Hausarzt in Oderwitz, sehen das so. Neben seiner Pflicht als Arzt, den Patienten in Augenschein zu nehmen, sieht Hanzl bei einer Krankschreibung per Telefon auch noch das Problem, dass diese Option dem Simulantentum Tür und Tor öffnen könnten. "Da mache ich nicht mit", sagt Hanzl rigoros.

Ärzte warnen vor unnötigen Corona-Tests

Aber eigentlich sei das Thema für ihn momentan überhaupt nicht das wichtigste, fügt er hinzu. Viel mehr beschäftige ihn die immer weiter steigende Zahl von Corona-Tests. "Wir kommen da kaum noch hinterher", sagt Hanzl. Seine Praxis ist die zentrale Testpraxis für Reiserückkehrer und Berufspendler. "Wir machen ununterbrochen Abstriche - jeden Tag von sieben bis 9 Uhr." Das muss ja alles in den Laboren untersucht werden.

Dabei ist in seinen Augen ein großer Teil dieser Tests vollkommen unnötig. Er erzählt von Arbeitgebern, die von ihren Mitarbeiter fast täglich Abstriche verlangen. Und es kämen zunehmend Einwohner, die für eine geplante Reise einen Corona-Test brauchen. Auch sei der Kreis von Kontaktpersonen, die getestet werden müssen, viel zu groß. "Wir binden hier Kapazitäten, die für die wirklich kranken Patienten gebraucht werden", sagt der Hausarzt. Noch dazu angesichts der Tatsache, dass alle Tests ohnehin immer nur eine Momentaufnahme seien. 

"Wie weisen alle Patienten, die sich ohne Symptome testen lassen wollen, darauf hin, dass es in den Apotheken Schnelltests gibt, die sie sich kaufen können", sagt Dr. Hanzl. Auch ein Test in der Praxis, der nicht vom Gesundheitsamt angeordnet ist, müsse ja vom Patienten selbst bezahlt werden. 

Labore arbeiten an der Belastungsgrenze

Die Abstriche aus dem Landkreis werden nahezu sämtlich im Medizinischen Labor Ostsachsen in Görlitz ausgewertet. "Wir wissen nicht mehr, wo uns der Kopf steht", sagt Dr. Roger Hillert, der dort arbeitet, am Telefon. Die Kollegen seien kaum noch in der Lage, die schiere Menge an Aufträgen abzuarbeiten. "Ich weiß gar nicht, wie ich die Situation beschreiben soll", sagt der Facharzt für Mikrobiologie und Infektionsepidemiologie resigniert.

Einerseits können man die Menschen verstehen, die Tests brauchen, weil das von der Bundesregierung und verschiedenen Ländern vorgeschrieben ist, oder weil sie den Test brauchen, um in den geplanten Urlaub fahren zu können.

"Aber vieles ist für uns auch nicht mehr nachvollziehbar", sagt Dr. Hillert. Er spricht den großen Kreis an Kontaktpersonen an oder die Tatsache, dass sich Lehrer regelmäßig einmal pro Woche testen lassen können - eine Regelung die es nur in Sachsen und sonst in keinem anderen Bundesland gibt. "Wir haben manchmal über 100 Proben von Lehrern an einem Tag", erzählt er.

Roger Hillert befürchtet, dass die Kapazitäten in den Laboren nicht mehr reichen werden, wenn die Zahl an gewünschten oder angeordneten Corona-Tests weiter wächst. Und er spricht dabei nicht nur von der Personalsituation und der Mitarbeiterin, die ausgefallen ist. "Wir kämpfen hier auch jeden Tag um Materialnachschub", sagt er, "um die einfachsten Kunststoffe, die fehlen und für die es schon große Lieferengpässe gibt."

Roger Hillert muss das Telefonat beenden. Er wird gerufen. Jede Minute zählt für die Arbeit im Labor. "Eins noch", sagt er, bevor er auflegt: "Jeder sollte überlegen, ob er so eine Testung wirklich braucht."

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