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Löbaus Stimmen gegen die Corona-Demos

Als sich Hunderte Corona-Spaziergänger auf dem Altmarkt treffen, stellen sich erstmals drei Löbauer mit ihren Ansichten dagegen. Sie waren nicht die einzigen.

Von Anja Beutler
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Am Löbauer Altmarkt versammeln sich am 27. Dezember Corona-Spaziergänger.
Am Löbauer Altmarkt versammeln sich am 27. Dezember Corona-Spaziergänger. © Anja Beutler

So viel Leben wie kurz vor 18 Uhr hat es den ganzen frostigen Montag in Löbau nicht gegeben. Viele Menschen strömen zum Altmarkt. Mehr als 200 "Spaziergänger" waren es, die sich gegen 18 Uhr in der Mitte des Platzes um den dunklen Weihnachtsbaum versammelt hatten - in Grüppchen zumeist. Andere stehen eher am Rande und schauen neugierig zu, manche eilen schnell vorüber. Seit rund einer halben Stunde stehen da bereits drei Löbauer - zwei Frauen und ein Mann zwischen 30 und 60 Jahren - nahe der Rathaustür. Auf sie richtet sich die Aufmerksamkeit der Umstehenden.

Sie haben zwei Plakate mitgebracht, auf denen zu lesen steht: "Meine Gedanken sind frei. Ich bin geimpft." und "BRD: 1-A-Gesundheitsversorgung, kostenlose Impfungen. Was wollt ihr mehr?" Um sie herum bilden sich immer wieder Grüppchen, ein Mann mit langen Haaren redet engagiert auf sie ein. Andere schauen verblüfft auf die drei "Gegendemonstranten". Denn, dass die drei nicht die Meinung der auf dem Platz Versammelten haben, ist augenscheinlich.

Von manchen belächelt, von anderen gescholten

Warum aber wagen sie sich in die Mitte Hunderter, zum Teil wütender Menschen? "Wir wollten der Mehrheit, die sich impfen lässt und die Pandemie bekämpfen will, eine Stimme geben", sagt die ältere der beiden Löbauerinnen aus dem Trio, von dem keiner namentlich in der Zeitung erscheinen will. Zwar fühlte es sich für die Versammelten auf dem Altmarkt wohl so an, als wären sie und ihre Ansichten die Mehrheit - aber so sei es nicht. "Am Anfang sind wir von einzelnen belächelt worden, dann haben wir viele gesehen, die verblüfft waren, dass wir ihre Sicht infrage stellen", sagt die jüngere der Frauen. Aber auch das gehöre ja zur so vehement geforderten Meinungsfreiheit dazu.

Die Stimmung auf dem Altmarkt haben die drei Gegendemonstranten durchaus stellenweise als bedrohlich wahrgenommen. Vor allem, weil so viele ihr Handy gezückt, sie gefilmt und fotografiert haben mit dem Kommentar "Das wird alles festgehalten!" "Das finde ich schon bedrohlich, ich will ja nicht auf einem Video in Kanälen der Rechten oder Querdenker auftauchen", sagt die jüngere Frau. Einmal, als viele Menschen auf einmal auf die drei Löbauer einreden, hat einer auch einen Hund dabei. Die Gruppe rückt immer näher. "Das hat die Polizei offenbar wahrgenommen und uns dann von den anderen getrennt, indem sie einfach mit dem Auto dazwischen gefahren kam", erzählt eine der Drei. "Ich hatte ohnehin das Gefühl, sie haben uns von Anfang an im Auge gehabt", sagt auch der junge Mann aus dem Trio. Auch er ist dankbar für diese Umsicht.

In der Tat war die Polizei an diesem Abend präsent - mit mindestens drei Mannschafts- und zwei Streifenwagen. Auf die Durchsagen der Beamten reagieren die "Spaziergänger" mit "Ruhe"- oder "Widerstand"-Rufen und Pfiffen. Es sei auch eine Gegendemo angemeldet gewesen, bestätigt die Polizei der SZ auf Nachfrage. Aber im Grunde war es nicht nur eine Gegendemo, die sich gegen die Spaziergänger gestellt hat: Bereits eine Stunde bevor sich die ersten "Spaziergänger" auf dem Markt versammelten, standen drei, vier Leute mit Plakaten unter dem städtischen Weihnachtsbaum. Als dann die ersten Demonstranten kamen und auch die drei Löbauer mit ihren Plakaten Stellung bezogen haben, war diese erste Truppe bereits weg. Das Trio am Rathaus nahm gewissermaßen ihre Position ein.

Rund 600 Demonstranten spazierten mit

Und welche Argumente bekamen die drei Löbauer an dem Abend zu hören? Sehr verschiedene: "Ein Mann, der sich lange mit uns unterhalten hat, erklärte, ihm fehle Aufklärung, man werde zu wenig informiert", erzählt die Älteste aus dem Trio. Andere gaben sich überzeugt, dass es bereits Tausende Impfopfer geben würde - die Zahl der Corona-Toten zweifelten sie aber an, ergänzt die andere Frau, die eines der Plakate hielt. Ein anderer Teilnehmer des sogenannten Spazierganges erklärte, man lebe in einer Diktatur wie 1933. Ein anderer bezichtigte die Drei vor der Rathaustür, sie würden die "160-jährige Handwerkstradition in Löbau gefährden". "Darauf haben wir geantwortet, dass es gerade andersherum sei", schildert der junge Mann aus dem Trio.

Später, als sich die Menge, die im Laufe des "Spaziergangs" in Spitzen auf bis zu 600 Menschen anwächst, in Bewegung setzt, nähern sich den Dreien vor der Rathaustür ganz andere Stimmen. "Eine Gruppe Jugendlicher erkundigte sich bei uns, was hier eigentlich los war und wirkte ziemlich verängstigt", erzählen sie. Auch eine frühere Löbauerin, die zu Besuch war und alles beobachtet hatte, fand die Aktion toll und den "Spaziergang" beschämend. Ein anderer Mann bedankte sich ebenfalls und sagte, vielleicht komme er ja demnächst dazu - zur Unterstützung.