Mittelsachsen: Corona bremst Tourismus aus

Mittelsachsen. Das Buchungsportal Booking.com hat Sachsen zum Reiseland Nummer Eins gekürt. Das Sächsische Burgen- und Heideland hat allerdings wenig vom Tourismusboom profitiert.
Ohnehin wird es nicht mehr einzeln und regional betrachtet. Seit 2013 gehört es zur sogenannten Reisedestination "Leipzig Region". In dieser sind außerdem die Stadt Leipzig und das Leipziger Neuseenland vereint. Das Reisegebiet umfasst die Landkreise Nordsachsen und Leipzig sowie Teile des Landkreises Mittelsachsen.
Im Zeitraum von Januar bis November 2021 gab es in diesem Reisegebiet 1.540.882 Übernachtungen. Das sind 40 Prozent weniger als im gleichen Zeitraum im Jahr 2019.
"Vergleicht man allerdings den Juli 2019 mit dem Juli 2021, so fällt das Ergebnis nicht ganz so negativ aus, sondern schlägt ,nur‘ mit Minus drei Prozent bei den gewerblichen Übernachtungen zu Buche", erklärt Sandra Brandt, Geschäftsführerin des Tourismusverbandes "Leipzig Region".
Profiteure der Krise seien vor allem die Campingplätze gewesen und die größten Verlierer die Gruppenunterkünfte beziehungsweise Herbergen.
15 Betriebe geschlossen
Im November vergangenen Jahres gab es in der "Leipzig Region" insgesamt 285 Beherbergungsbetriebe. Im November 2019 waren es noch 300. Darunter befanden sich 43 Betriebe mit jeweils mehr als 25 Betten und etwa 15 Campingplätze. "Hinzu kommen in der Region Leipzig dann noch rund 250 Privatvermieter, die statistisch nicht erfasst werden", sagt Sandra Brandt.
Ob die 15 fehlenden Betriebe aufgrund der schlechten wirtschaftlichen Lage in der Pandemiezeit oder aus anderen, zum Beispiel Altersgründen oder einer fehlenden Nachfolge geschlossen wurden, lasse sich nicht nachvollziehen. Gleichzeitig gebe es aber auch Anbieter, die die Krisenzeit für Modernisierungen genutzt haben und jetzt neu durchstarten.
Neben Firmen, die aufgeben, zeichne sich seit Jahren im Tourismus ein Arbeits- und Fachkräftemangel ab. Mit der Coronapandemie und dem monatelangen Stillstand der Branche habe sich das Thema potenziert. Die Personalnot im Gastgewerbe sei enorm und stelle die Betriebe vor große Herausforderungen.
Aus sechs von zehn Betrieben hätten Mitarbeitende einen Job in einer anderen Branche angenommen. "Wir sehen diesen Notstand gegenwärtig allerorts in einer Anzeigenflut mit Personalgesuchen und zusätzlichen Ruhetagen oder eingeschränkten Öffnungszeiten. Die Unternehmen müssen für sich als Arbeitgeber inzwischen genauso werben, wie für ihre Angebote oder Produkte", so die Geschäftsführerin.
Ferienwohnungen länger gebucht
Die Touristen seien im vergangenen Jahr durchschnittlich 3,7 Tage in der Region geblieben, was in etwa dem Wert von 2019 entspricht. "Wir wissen aber, dass sich vor allem in den Ferienwohnungen und -häusern die Aufenthaltsdauer auf zehn bis 14 Tage gesteigert hat", so Sandra Brandt. Langfristig sei jedoch davon auszugehen, das sich der Wert wieder auf das Vorkrisenniveau einpendeln wird.
Die Touristen würden inzwischen überwiegend durch das Internet auf die "Leipzig Region" aufmerksam. Ein Großteil der Marketingaktionen erfolgten online über verschiedene Portale und Social-Media-Kanäle. Hinzu kämen Radio- und Fernsehwerbung sowie Plakat- und ÖPNV-Werbung und redaktionelle Beiträge in verschiedenen Zeitschriften und Magazinen.
"Touristische Messen haben sehr stark an Bedeutung verloren und aufgrund der Pandemie in den vergangenen beiden Jahren auch fast nicht stattgefunden", erklärt die Geschäftsführerin.
In dieser Zeit seien die ländlichen und naturgeprägten Regionen gegenüber den Großstadtangeboten von den Touristen bevorzugt worden. In den Städten mache sich vor allem der rückläufige Geschäfts- und Tagungstourismus bemerkbar.
Outdoor-Aktivitäten immer beliebter
Insgesamt sei eine gestiegene Nachfrage an allen Outdoor-Aktivitäten festzustellen. Die "Leipzig Region" könne dabei sowohl mit einem guten Radwegenetz, dem neu ausgeschilderten Wanderwegenetz im Naturpark Dübener Heide und den Wassersportangeboten im Leipziger Neuseenland punkten.
Der Radtourismus stelle für alle Regionen eine wichtige Säule dar. Mit einer Vielzahl an Angeboten setze das Gebiet schon heute attraktive Akzente für Radurlauber. Durch die in den Landkreisen Leipzig und Nordsachsen bereits erfolgte neue Beschilderung des SachsenNetzRad, die Einführung des Knotennummernsystems im Südraum Leipzig und die Installation von Fahrrad-Reparaturstationen sei in den vergangenen Jahren die Attraktivität deutlich gesteigert worden. Ausbaubedarf bestehe aber nach wie vor hinsichtlich der Zahl und des Zustandes der Rastplätze, der Wegequalität sowie der Sicherheit.
Zudem spiele das Thema "regional-authentisch" eine immer größere Rolle bei den Nachfragen der Gäste. Auf dem Reisemarkt entstehe ein neues Bewusstsein für Region und Herkunft. Die Natur habe eine neue Wertigkeit für die Menschen bekommen.
Gefragt seien künftig mehr örtliche und sinnliche Erfahrungsräume sowie Urlaubskonzepte, die das Ursprüngliche einer Landschaft oder einer Kultur glaubwürdig transportieren, und das möglichst CO2-neutral. "Immer mehr Konsumenten legen Wert auf Produkte, die in der Umgebung produziert werden und womöglich noch dazu eine regionale Spezialität und Besonderheit sind", so Sandra Brandt.
Reisende wollen schnell digitale Informationen
Die "Leipzig Region" könne diesbezüglich schon eine Menge Angebote vorweisen. Insbesondere könnte das "Sächsische Obstland" ein Vorreiter werden. Angebote wie die Ferienwohnung "Zschopaublick" von Peggy Ebert in Töpeln, der Caprinenhof in Mügeln, die Sornziger Wilden und natürlich das entstehende Karls Erlebnisdorf seien dabei wunderbare Bausteine.
Ein weiteres wichtiges Thema sei die Digitalisierung. Die Corona-Pandemie habe das Selbstverständnis für digitale Prozesse und deren Notwendigkeit im Tourismus nochmals verstärkt. "Der Reisende von heute erwartet sofortige Informationen und sofortige digitale Lösungen für die Umsetzung seiner Bedürfnisse während einer Reise", sagt die Geschäftsführerin.
Auch wandere die Reisebranche immer mehr in die sozialen Netzwerke. Diese übernehmen zunehmend die Funktion der Meinungsbildung. "Dabei ist es gar nicht so wichtig, auf all den neuen sozialen Plattformen vertreten zu sein, sondern die Bewertungen darauf ernst zu nehmen und eigene Antworten darauf zu haben. Wer auf Einträge in sozialen Netzwerken nicht reagiert, verliert letztlich. Wer reagiert und erklärt, punktet beim Gast", meint Sandra Brandt.
Aber auch wenn es darum gehe, Betriebsabläufe zu optimieren und damit die noch vorhandenen Fachkräfte bei ihrer täglichen Arbeit zu unterstützen, hätten viele Betriebe längst den Weg in die Digitalisierung gefunden, aber eben nicht alle.
Deshalb bietet der Tourismusverband unter anderen am 11. April und 13. Juni Unternehmerstammtische zu den Themen "Werbung in Social-Media-Kanälen" und "Gästebewertungen im Internet" an.