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Gastronomen im Kreis Meißen sauer wegen Schließung

Gasthäuser im Kreis Meißen werden am Montag schließen müssen. Es droht wieder Kurzarbeit - und die wirtschaftlichen Hilfen sind noch unklar.

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Karsten Schulze muss ab kommender Woche - wie alle Wirte im Landkreis - wohl seine Kleinmarktschänke in Meißen schließen. Die Inzidenz ist zu hoch.
Karsten Schulze muss ab kommender Woche - wie alle Wirte im Landkreis - wohl seine Kleinmarktschänke in Meißen schließen. Die Inzidenz ist zu hoch. © Claudia Hübschmann

Meißen. Als ob der geschätzte Umsatzeinbruch des Gaststättengewerbes im Landkreis Meißen von 50 Prozent im November im Vergleich zum Vor-Corona-Jahr nicht schon genug wäre. Der Umsatzrückgang im gesamten Jahr 2021 beträgt laut einer Umfrage des Branchenverbandes Dehoga rund 40 Prozent. Doch der nächste, von vielen bereits erwartete, Hammer heißt: Schließung.

Am Freitag soll das Kabinett die neue sächsische Notfallverordnung beschließen. Sie besagt: Hotspots, also Landkreise mit einer Inzidenz von über 1.500, müssen die Restaurants schließen. Betroffen sind im Moment die Landkreise Meißen und Mittelsachsen.

Die Gastronomen in Meißen sind deshalb sauer. Karsten Schulze von der Kleinmarktschänke: "Durch die geplante Schließung werde ich gar keine Einnahmen haben. Ich kann nur hoffen, die Umsatzverluste durch die Überbrückungshilfe III zu bekommen. Dazu fehlen mir bislang die Informationen." Es sei vor jeder Schließung das Gleiche, die tatsächlichen Regelungen werden erst zwei Tage vorneweg bekannt gegeben. Getränke habe er in den letzten drei Wochen gar keine mehr bestellt, weil er wegen der wenigen Gäste auf einem hohen Warenbestand sitze. „Unsere einzige Angestellte ist schon auf Kurzarbeit null. Wir haben seit Wochen so wenige Gäste, dass ich mit meiner Frau alles alleine mache.“ Diesen Sonnabend komme wohl die letzte Gruppe zum Essen: Von 27 angekündigten Gästen sind allerdings auch nur noch 16 übrig.

Karsten Müller, Chef des Domkellers, sieht es ähnlich. "Im Gegensatz zu 2020 bekommen wir keinen Umsatzverlust erstattet. Es wird sich zeigen, wie hoch die Fixkostenerstattung im Rahmen der angedachten Überbrückungshilfe III oder IV ausfallen wird." Aufgrund der massiven Stornierungen und Verunsicherung der Gäste entstehe Ungewissheit, wie es weitergehen soll. Planungssicherheit fehle vollkommen, auch für die Feiertage. Voraussichtlich werde das Weihnachtsgeschäft nun schon zum zweiten Mal ausfallen. Obwohl es mittlerweile Instrumente gebe, um ein sicheres Öffnen zu ermöglichen. Viele Gastronomen hätten extra Luftfilter – bzw. Luftfilteranlagen installiert.

Angelika Pietzsch ist keine, die den Kopf in den Sand steckt. Ganz im Gegenteil. Die Großenhainer Gastronomin, welche gemeinsam mit ihrem Bruder Kai-Michael Riepert das renommierte Hotel und Gaststätte Am Kupferberg führt, ist dafür bekannt, sich auch in Krisenzeiten noch immer etwas einfallen zu lassen. Am Dienstagabend habe es ihnen jedoch die Sprache verschlagen. Die Nachricht darüber, nach nur fünf Monaten, in denen nach langem Lockdown durchgängig Geld verdient werden konnte, nun wieder schließen zu müssen, sei wie ein Sog ins Bodenlose gewesen. Immerhin habe man in der Zwischenzeit nicht so viel erwirtschaften können. Inzwischen gibt es auch nicht mehr so umfangreiche wirtschaftliche Hilfen. „Angesichts der Schließungen stellt sich doch die Frage, wie lange bleiben unsere Mitarbeiter noch in der Branche? Viele werden notgedrungen gezwungen sein, sich einen neuen Job zu suchen und dann wird es immer schwerer, gute Leute zu finden“, so Angelika Pietzsch.

Über die Weihnachtsfeiertage sei das Restaurant ausgebucht gewesen. Reservierungen, die im Fall der Fälle nun alle auf Abholung umgelenkt werden müssten. Ein kulinarischer Service in Sachen Gans & Co, der sich im letzten Dezember schon sehr gut bewährt habe und auf den man nun wieder setze.

Auf eine Bestellung kommen drei Stornierungen

Holger Jowatzky, der in Radebeul die „Schwarze Seele“ betreibt, reagiert auf die neuen Ankündigungen so: „Die 3G-Regelung ging noch. Aber 2G ist katastrophal. Wir haben über 50 Prozent Umsatzeinbußen und wirtschaften deutlich unter den Kosten.“ Wobei man von wirtschaften ja eigentlich nicht mehr reden könne. Unabhängig von der jetzt wieder drohenden kompletten Schließung seien bereits jetzt Reservierungen in Größenordnungen storniert worden. „Auch von komplett geimpften größeren Gesellschaften.“ Viele Firmen würden für Feiern kein Geld mehr geben, weil ihnen das Infektionsrisiko trotz 2G zu groß ist. „Auf eine neue Reservierung kommen derzeit drei Stornierungen“, beschreibt Jowatzky die Situation. Auch die geschlossenen Ferienwohnungen und Hotels tragen ihren Anteil dazu bei. „Wir haben aber jetzt überlegt, zu den Feiertagen bis über Silvester hinaus zu gewissen Zeiten Außer-Haus-Verkauf anzubieten.“ Genaueres werde noch auf der Homepage veröffentlicht.

Mandy Hähnel, die mit ihrem Mann Torsten mehrere Lokale in Altkötzschenbroda betreibt, ist frustriert: „Wir haben mit 2G schon einen Umsatzeinbruch von 90 Prozent. Die Gastronomie ist kein Infektionstreiber. Wenn wir wieder dichtmachen müssen, werden doch Treffen nur ins Private verlagert, wo meist deutlich weniger Platz ist.“ Auch für die Mitarbeiter sei es nicht gut, das Gefühl vermittelt zu bekommen, nicht gebraucht zu werden. „Wir hatten in diesem Jahr gerade mal fünf Monate geöffnet.“ Hähnel will daher auf jeden Fall wieder den Online-Shop aktivieren und Speisen zum Abholen anbieten. Auch an den Feiertagen. „Wir wollen wenigstens mit einem Lächeln am Fenster für unsere Gäste da sein.“

Aus Sicht von Felix Mehlhorn spielt es kaum eine Rolle, ob die Gastronomie nun ganz schließen muss, oder 2G+ festgelegt worden wäre. „Wir arbeiten gerade noch einige Bestellungen ab und hätten kommende Woche ohnehin zugemacht“, erklärt der Mitinhaber des Goldenen Löwen in Riesa. Denn das Geschäft laufe schon mit der 2G-Regel gar nicht. Zu unsicher sei zuletzt die Aussicht gewesen. „Wenn das Telefon klingelt, dann, um abzusagen.“ Die Stornorate liege bei fast 90 Prozent, viele Familienfeiern seien schon abgesagt worden. Entweder, weil man keine ungeimpften Familienmitglieder ausschließen wolle, oder aus Angst vor einer Corona-Infektion. Ehe man wie beim Lockdown 2020 auf den eingekauften Zutaten sitzen bleibt, zieht man sozusagen lieber selbst die Reißleine.

Besonders ärgert Felix Mehlhorn, dass sein Restaurant an der Dr.-Külz-Straße schon 20 Uhr schließen muss. „Damit schließen Sie den gastronomischen Wettbewerb am Abend aus.“ Wer 18 Uhr Feierabend habe, der gehe dann nicht noch essen. „In Bayern ist bis 22 Uhr geöffnet, das finde ich besser.“

Im Goldenen Löwen haben sie schon vor der Kabinettssitzung die Entscheidung getroffen, an den Weihnachtsfeiertagen nur einen Lieferservice anzubieten. „Hier in Riesa sind fast alles Kleinbetriebe“, erklärt Felix Mehlhorn. Wenn zwei Köche gemeinsam in der Küche stehen und am nächsten Tag einer positiv getestet wird, bekomme man Probleme, alles abzuarbeiten. „Den Außer-Haus-Service bekommen wir dagegen mit einem weniger gestemmt, denken wir.“ Da bleibe zu hoffen, dass die Kunden verständnisvoll auf die Maßnahme reagieren. Der Riesaer Gastwirt hofft, am Ende etwa so viele Essen liefern zu können, wie sonst vor Ort verzehrt worden wären. Mit staatlicher Hilfe rechnet er erst einmal nicht.

Mehr Kurzarbeitergeld gefordert

Als Kernproblem sieht die Dehoga fehlende Aussagen zur Unterstützung der bedrohten Betriebe. Regionalchef Axel Klein: "Sofern die Mitarbeiter, die wiederholt in Kurzarbeit gehen müssen, wieder bei 60/67 Prozent anfangen müssen werden wir wieder massiv Mitarbeiter verlieren. Das Vertrauen in die Branche wird nachhaltig gestört."

Klein fordert eine Verlängerung und die Erhöhung der Kurzarbeitergelder und eine Weitergeltung der hundertprozentigen Erstattung der Sozialversicherungsbeiträge. Diese Regelungen dürften nicht zum 31. Dezember auslaufen. (SZ/cka/stl/goer/um)