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„Vom Unglückstag fehlt mir jede Erinnerung“

Joe Balzer aus Wachau verletzte sich bei einem Absturz in den Alpen schwer, danach infizierte er sich auch noch mit Corona. Jetzt ist die Hilfsbereitschaft groß.

Von Thomas Drendel
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Joe Balzer und seine Lebensgefährtin Eveline Henschel: Er verletzte sich bei einem Unfall in den Alpen schwer. Nach Koma und wochenlangem Klinikaufenthalt ist er jetzt wieder zurück in Wachau.
Joe Balzer und seine Lebensgefährtin Eveline Henschel: Er verletzte sich bei einem Unfall in den Alpen schwer. Nach Koma und wochenlangem Klinikaufenthalt ist er jetzt wieder zurück in Wachau. © Sven Ellger

Wachau. Seine Aussprache ist klar, immer wieder huscht ein Lächeln über sein Gesicht: Nach Wochen im Koma, nach langem Krankenhausaufenthalt ist Joe Balzer wieder zu Hause in Wachau. Er genießt es, in der Sonne zu sitzen, schließt ab und zu die Augen. „Endlich wird es wärmer. Hoffentlich bleibt das Wetter so“, sagt er.

Der 62-Jährige spricht langsam, manchmal muss er nach Worten suchen. „Ich will immer mehr versuchen, dann merke ich, dass es nicht möglich ist, dass ich mich nicht so bewegen kann, wie ich möchte“, sagt er im Hinblick auf seinen körperlichen Zustand.

Auch wenn er im Rollstuhl sitzt und nur mit Rollator gehen kann, es grenzt an ein Wunder, dass er den Unfall überlebt hat und wieder soweit gesund geworden ist. 150 Meter stürzte er vergangenen September eine Felswand am Wilden Kaiser in den Alpen herunter. Glücklicherweise bemerkten Wanderer den Unfall, alarmierten die Bergrettung. Mit dem Hubschrauber wurde er ins Krankenhaus nach Innsbruck geflogen. „Ich habe keine Ahnung, wie es zu dem Sturz kam“, sagt Joe Balzer. „Meine Erinnerung an diesen Tag ist komplett weg.“

Lebensgefährtin wartete auf der Alm

Bei seiner Lebensgefährtin Eveline Henschel prägte sich dafür jede Minute ein. Sie war am Tag zuvor mit ihrer Mutter in der Ferienwohnung geblieben, während Joe Balzer die Tour unternahm. „Er hatte in der Gruttenhütte übernachtet und sich von dort am Vorabend auch gemeldet und Fotos geschickt. Für den darauffolgenden Tag haben wir uns für Mittag auf einer Alm verabredet“, sagt sie. Am Vormittag bemerkte sie einen Rettungshubschrauber über dem Gebiet. „Ich habe mir natürlich nichts dabei gedacht, vermutet dass es vielleicht ein Verkehrsunfall ist.“

Mittags kam Ihr Lebensgefährte jedoch nicht. „Das war nicht seine Art. Wenn etwas dazwischen kam, hat er immer angerufen.“ Als es immer später wurde, meldete sich Eveline Henschel bei der Hütte. „Ja, er ist morgens wie geplant aufgebrochen, sagte die Wirtin und fügte hinzu, es sei in der Nähe ein Unfall passiert, was genau, wisse sie nicht.“

Die Wachauerin meldete sich sofort bei der Bergrettung, dort ging niemand ans Telefon. „Die Bergpolizei konnte mir dann mehr sagen. Ich bin hingefahren, dort hat man mir dann auch seinen Rucksack und das Portemonnaie übergeben.“ Wie unter Schock setzte sie sich ins Auto und wollte ins Krankenhaus nach Innsbruck. „Dort habe ich mich zunächst nicht zurechtgefunden. Glücklicherweise half mir ein Taxifahrer weiter, er leitete mich mit seinem Auto bis zur Klinik.“

Später mit dem Coronavirus infiziert

Auf der Intensivstation bekam sie die erste Diagnose. Schwerste Verletzungen am Kopf, an der Brust und am Rücken. Es folgten mehrere Operationen am Schädel und an der Wirbelsäule. Um weiterhin in seiner Nähe zu sein, quartierte sich Eveline Henschel in Elmau ein, fuhr regelmäßig ins Krankenhaus.

Als er kurzfristig nach Kreischa verlegt wurde, packte auch sie binnen Stunden ihre Sachen und kam zurück nach Wachau. In der Reha-Klinik machte er sichtbare Fortschritte. Die Verständigung mit ihm wurde immer besser, mit Pflegern konnte er erste Schritte gehen.

Dann wieder ein Rückschlag. Er infizierte sich mit dem Coronavirus, wurde auf eine andere Station verlegt. „Zwei Wochen war er dort. Glücklicherweise verlief die Infektion sehr leicht. Allerdings verlor er seinen Geruchssinn. Bis heute ist der nicht zurückgekehrt“, sagt sie.

Zu Hause in Wachau gehen jetzt die Behandlungen weiter. Mehrmals in der Woche kommen Ergo- und Physiotherapeuten. 24 Stunden kümmert sich Eveline Henschel um ihn. Verwandte nehmen großen Anteil. Aber auch Freunde und wildfremde Menschen, die von seinem Schicksal gehört haben, helfen.

Ein Spendenaufruf des Wachauer Vereins Wunder Land bringt mehr als 4.000 Euro ein. Geld, das Joe Balzer gut brauchen kann. Im Haus sind zahlreiche Umbauten notwendig: Treppenschienen müssen für den Rollstuhl angebracht, Schwellen begradigt, eine spezielle Einstiegshilfe und medizinische Geräte angeschafft werden. Einiges wird von der Krankenkasse bezahlt, vieles müssen sie auf eigene Kosten anschaffen. „Von der großen Hilfe sind wir überwältigt“, sagt Eveline Henschel.

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„Wir bedanken uns bei allen Wachauern und Radebergern für die Unterstützung. Wir wissen auch, dass viele Mitglieder des Fanclubs der Violinistin Kathrin Wettin aus Ottendorf gespendet haben, ich kenne sie gut und sie hat den Aufruf geteilt." Selbst damalige Mitschüler seiner Abi-Klasse und Studienkollegen hätten gespendet, natürlich auch seine Kletterkameraden. "Bei allen möchten wir uns dafür herzlich bedanken.“

Wie groß die Anteilnahme ist, zeigt sich auch an Nachrichten, die Eveline Henschel täglich auf Whatsapp schreibt. „Ich teile jeden Tag in meinem Account mit, wie es Joe geht, mal sind es kleine Begebenheiten, mal berichte ich von gesundheitlichen Fortschritten. Das lesen täglich bis zu einhundert Menschen." Mit dabei ist der Mann, der nach dem Sturz die Rettungskräfte gerufen hat. Auch ein Bergretter liest regelmäßig mit, Joes Arbeitskollegen und viele mehr. „Das freut mich und hilft gerade an schweren Tagen.“

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