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Das Geschäft mit der Freizeit blüht

Gegen Ende der Sommersaison sind die Chefs deutscher Freizeitparks zufrieden. Nun wollen sie den Winter erobern.

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© Pawel Sosnowski

Von Sven Heitkamp

Jürgen Bergmann, 59, Gründer, Ex-Chef und heute Kreativdirektor der „Kulturinsel Einsiedel“ sieht unter seinem grauen Rauschebart rundum zufrieden aus. Das ausgehende Jahr in seinem Abenteuer-Freizeitpark an der polnischen Grenze, sagt er, könnte, „das beste Jahr aller Zeiten“ werden. Die Besucherzahlen, die sonst jährlich um die 100 000 Gäste pendeln, klettern um 10 bis 15 Prozent nach oben. Nach der Insolvenz und dem Neubeginn 2013 eine prächtige Bilanz. „Das Wetter spielt bestens mit – unter der Woche Regen, aber am Wochenende Sonnenschein“, sagt Bergmann schmunzelnd. Der Hang der Deutschen zu mehr Kurzurlauben in der Nähe und weniger Fernreisen vor allen in Krisenländer habe überdies geholfen.

Die etwas verrückte Entdeckerwelt aus Baumhäusern und Wipfelpfaden, Geheimgängen und Wasserspielen liegt direkt an der Neiße bei Niesky. „Der schlechteste Standort, den man sich denken kann“, sagt Bergmann trocken. Dennoch liegt die Kulturinsel voll im Deutschlandtrend: Die Besucherzahlen der Freizeit- und Erlebnisparks bewegen sich allerorten in die Höhe. Schon 2015 kamen nach Branchenschätzungen rund 36 Millionen Menschen in die Parks in Deutschland, zwei Millionen mehr als 2014.

„Vor zehn Jahren waren es sogar nur 25 Millionen“, sagt Machens. Und dieses Jahr könnte noch besser ausfallen. „Ich sehe überall zufriedene Gesichter – es dürfte wohl noch mal eine Steigerung geben“, sagt Klaus-Michael Machens, der Präsident des Verbands Deutscher Freizeitparks. Belastbare Zahlen gebe es allerdings noch nicht, zumal die Saison noch bis Ende Oktober läuft.

Rund 180 Mitglieder des Verbands trafen sich am Dienstag erstmals im Freizeitpark Belantis im Leipziger Südraum, um ihre zu Ende gehende Saison auszuwerten und neue Trends zu diskutieren. Eine Entwicklung ist dabei klar erkennbar: Die Freizeitparks wollen auch die kälteren und dunkleren Jahreszeiten für sich erobern. Denn Fahranlagen, die ein halbes Jahr ungenutzt herumstehen, sind totes Kapital, sagt Machens. Und gute Mitarbeiter könne man umso besser halten, je länger man sie beschäftigten kann. Machens: „Wir sehen da noch nicht das Ende der Fahnenstange.“ Er selbst war 16 Jahre Chef des Zoos Hannover, seit vier Jahren ist er offiziell Rentner.

Aber der drahtige 69-Jährige denkt gar nicht daran, nur zu Hause den Rasen zu mähen. Er ist noch immer Präsident des Freizeit-Unternehmerclubs und berät freiberuflich die Kollegen. Er erzählt gern, wie sie vor einigen Jahren versucht haben, im Winter mehr Gäste in Hannovers Zoo zu bringen. Die Lösung waren nicht verbilligte Tickets, sondern ein Winterdorf mit Schlittschuhbahn und Rodelhängen. „Familien wollen raus aus dem Alltag und etwas erleben“, sagt Machens.

Der Markt ist satt

Den Trend zum Wintergeschäft peilen auch die sächsischen Freizeit-Gastgeber an. Jürgen Bergmann in der Lausitz etwa baut derzeit eine fast 1 000 Quadratmeter große Freizeithalle, die nächstes Jahr fertig werden soll. Und auch Erwin Linnenbach, der Chef des Freizeitparks Belantis, will in den nächsten Jahren zusätzliche „Indoor-Welten“ schaffen. Sein Kreativ-Team beginne gerade mit den Planungen, erzählt Linnenbach. Mit seinem Belantis-Park arbeitet er daran, Jahr für Jahr mehr Tage zu öffnen. Als er Belantis 2013 übernahm, waren die Türen nur 140 Tage geöffnet. Dieses Jahr werden es schon mehr als 190.

Linnenbach, dem der größte Anteil von Ostdeutschlands größtem Freizeitpark selbst gehört, hat dabei ehrgeizige Ziele. Nach zuletzt etwa 500 000 Besuchern will er in Zukunft die Millionen-Grenze erreichen. 2016 hat auch bei ihm einen guten Grundstein gelegt: Wenn das Wetter noch bis zum dreitätigen Halloween-Finale Ende Oktober mitspielt, können in der Bilanz bis zu 600 000 Gäste stehen. „Ein neuer Rekord“, sagt Linnenbach. Die neue Familien-Achterbahn „Cobra des Amun Ra“, ein moderneres Marketing, Unternehmens-Tage und Wiederholer-Tickets trugen ihren Teil zum Erfolg bei.

Der Umsatz seines privaten Unternehmens mit knapp 70 Festangestellten und Hunderten Saisonkräften hat sich mittlerweile ebenfalls deutlich gesteigert: Nach 9,5 Millionen Euro 2013 erwartet er aktuell rund zwölf Millionen. Geld, das in neue Investitionen fließt. 2017 soll Belantis mit einem neuen Familien-Fahrspaß aufwarten. Was es genau wird, verrät Linnenbach noch nicht. Seine Gäste kommen aus einem Umkreis von bis zu 250 Kilometern, darunter nicht nur aus Mitteldeutschland und Berlin, sondern auch aus Polen und Tschechien.

Der 55-jährige Geschäftsführer freut sich schon darauf, wenn endlich die A 17 nach Prag fertig wird. Auch Verbandschef Machens sagt den Leipzigern eine wachsende Zukunft voraus. Schon jetzt liegen sie im oberen Mittelfeld der 80 deutschen Freizeitparks. „Und Belantis wird wohl weiter nach oben krabbeln“, meint Machens. Große Gründungen neuer Freizeitparks erwartet er allerdings nicht mehr. „Der Markt“, meint Machens, „ist grundsätzlich gesättigt.“ Überraschungen wie der Erfolg von „Karls Erdbeerhof“ seien aber nie ausgeschlossen.