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Das große Reinemachen

Während die letzten Nachtschwärmer noch böllern, räumen die ersten Leute Riesa schon wieder auf.

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© Sebastian Schultz

Von Christoph Scharf

Riesa. Ein Knall. Eine blaugraue Rauchwolke. Ein Passant, der mit seinem Hund Gassi geht, zuckt zusammen. Die Männer und Frauen in den orangefarbenen Warnwesten nicht: Sie sind es gewöhnt. Seit früh um sieben an diesem Neujahrsmorgen sind die 18 Mitarbeiter der Firma AGV – einer Tochter der Wohnungsgesellschaft Riesa – in den Straßen der Innenstadt unterwegs. Während es langsam hell wird und die Farben der Häuser Stück für Stück erkennbar werden, ziehen die letzten Nachtschwärmer durch die Stadt.

Mancher schmeißt gezielt Böller hinter den Kehrmaschinen her. Pausenlos rotieren die runden Drahtbesen, kehren rotes Knallerpapier, quietschbunte Verpackungen, ausgebrannte Raketenbatterien zusammen. Selbst leere Sektflaschen verschwinden ohne großes Geräusch im Bauch der Kehrmaschine, die gerade von der Pausitzer auf die Friedrich-Engels-Straße einbiegt. Mittlerweile ist es um acht geworden. Das Thermometer zeigt knapp über null. Das kümmert ein Pärchen wenig, das am Käferberg eng umschlungen an der Bushaltestelle sitzt und zwischen Silvestermüll und einer Sektflasche eingeschlafen scheint.

Auch das Wirbeln der drei AGV-Mitarbeiter direkt hinter ihrem Rücken registrieren sie nicht: Die räumen den Parkplatz per Hand von Raketenstielen, Böllerresten, Glasscherben. Papier und Pappe sind längst durchweicht. „Aber immer noch besser, als wenn das Zeug angefroren wäre“, sagt AGV-Mitarbeiter Andreas Dämmig. „Dann müssten wir die Reste Stück für Stück abkratzen.“ So klebt es allenfalls etwas auf dem Asphalt.

Die Räumkolonne arbeitet routiniert

Ruckzuck füllt sich die Ladefläche eines weißen VW-Transporters. Laufen, bücken, abladen – die Räumkolonne arbeitet routiniert. „Wir brauchen danach keinen Frühsport mehr“, sagt Mitarbeiterin Sandra Werner. Immerhin: Schnapsleichen gilt es, am Neujahrsmorgen nicht aufzusammeln. Dafür ist es eindeutig zu kalt. Das ist beim Stadtfest anders, wissen die Mitarbeiter, die nicht nur am Neujahrsmorgen, sondern das ganze Jahr über in Riesa im Einsatz sind. Schon im Morgengrauen vom Bauhof an der Canitzer Straße in Merzdorf auszurücken, ist für sie Alltag.

Wer früh am 1. Januar dran ist, regelt der Schichtplan. „Wer dieses Jahr frei hat, ist nächstes Jahr dran“, sagt Andreas Sonnenfeld, Technischer Leiter bei der AGV. Eine Neuheit gab es dieses Jahr allerdings: Das Unternehmen montierte erstmals vor Silvester die Abfallbehälter am Puschkinplatz ab und lagerte sie ein. Tatsächlich fragten die ersten Bürger schon nach – ab Montag sollen sie aber wieder dran kommen. „Die Behälter sind noch neu und waren ziemlich teuer“, sagt Andreas Sonnenfeld.

Papierkörbe sind ein beliebtes Ziel für Böllerwerfer. Und Pyrotechnik kann schnell das Papier im Eimer in Brand setzen. – Gleich um die Ecke an der Friedrich-Engels-Straße sieht es an einigen Stellen aus, als hätte jemand säckeweise Pyrotechnik abgebrannt und die Reste liegen lassen. Was auf der Fahrbahn und auf dem Parkstreifen liegt, putzt die Kehrmaschine weg. Einzelne begrünte Stücke übernehmen die Kollegen per Hand. „Wir sind aber nur für städtische Flächen zuständig“, sagt Andreas Sonnenfeld. Böller und Raketen auf dem Gehweg bleiben liegen: Dafür sind die Hauseigentümer verantwortlich – es gelten dieselben Regeln wie beim Winterdienst. „Wenn wir auch alle Gehwege machen müssten, würden die Kollegen nie fertig“, sagt der Technische Leiter.

Auch ohne Silvester gibt es viel zu tun

Auch so bleibt genug zu tun. An den Spielplätzen etwa, von denen sich solche wie an der Villerupter Straße in Weida längst als Jugendtreffpunkt etabliert haben, wo regelmäßig nachts Kippen, Essensreste, Glasscherben liegenbleiben. Oder Bushaltestellen, die vor allem in den ländlichen Ortsteilen als Treff dienen. Das Ziel: Um 10 Uhr soll der gröbste Dreck weg und Riesa wieder vorzeigbar sein. Danach haben die AGV-Mitarbeiter Gelegenheit, mit ihren Familien endlich in Ruhe aufs neue Jahr anzustoßen. Dann sind auch die letzten Nachtschwärmer ins Bett gegangen und die letzten Knaller gezündet.