Kamenz
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Das zweite Zuhause

Die Jugendwohngemeinschaft des Louisenstiftes ist von Brauna nach Kamenz gezogen. Ein Fortschritt für alle.

Von Ina Förster
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Ines Kupka, Teamleiterin der  Jugendwohngemeinschaft, freute sich zum Tag der offenen Tür am Mittwoch über viele Besucher.
Ines Kupka, Teamleiterin der Jugendwohngemeinschaft, freute sich zum Tag der offenen Tür am Mittwoch über viele Besucher. © René Plaul

Kamenz. Sie haben Eltern. Geschwister. Kommen aus allen Teilen Sachsens. Und doch leben sie seit Jahren in einer Wohngemeinschaft mit anderen Jugendlichen im kleinen Brauna zusammen. Manche weit weg von daheim. Sehnsucht haben die wenigsten. Es hat daheim einfach nicht gepasst – das Zusammenleben. Das, was andere hinlänglich Alltag nennen. Die meisten hatten keine schöne Kindheit. Überforderung von Mutter und Vater, Gewalt, Verwahrlosung, Drogen-Hintergrund, schwieriges Milieu. Die Aussicht auf Zukunft gering. Bei der Jugendwohngemeinschaft des Louisenstiftes haben die neun jungen Menschen Halt gefunden. Und nicht nur das.

Auch ein Tischkicker gehört zur Ausstattung.
Auch ein Tischkicker gehört zur Ausstattung. © René Plaul

„Wir geben den Jugendlichen die Chance auf eine gute Zukunft. Dazu gehört, dass sie zuerst stabilisiert werden, man schaut, wo die Probleme liegen. Später geht es um Weiterentwicklung. Sie müssen mitarbeiten, Stärken herausfinden. Unser großes Ziel miteinander ist, dass sie irgendwann auf eigenen Beinen stehen, einen eigenen Haushalt führen können und im besten Fall eine Lehre oder Arbeit haben.“ Die Arbeit der Mitarbeiter ist oft schwierig, doch voller spannender Herausforderungen. Und auch von Erfolg gekrönt. „Wenn uns ehemalige Bewohner noch nach Jahren besuchen und zeigen: Schaut her, hier bin ich immer noch. Es geht mir immer noch gut und ich möchte meine Fortschritte mit euch teilen – dann merken wir, dass das alles einen Sinn macht.“

Alles Notwendige ist in den Zimmern vorhanden.
Alles Notwendige ist in den Zimmern vorhanden. © René Plaul

Sozialpädagogin Ines Kupka spricht auch den anderen Kollegen aus dem Herzen. Sechs insgesamt sorgen sich um acht Jugendliche in der Wohngemeinschaft. Rund um die Uhr, 24 Stunden am Tag, sieben Tage die Woche ist immer jemand vor Ort. Vor kurzem ist man umgezogen. Und nun endgültig in Kamenz angekommen. Seit 2014 war die Gemeinschaft im alten Braunaer Schloss untergebracht, das früher ein Kinderheim war. Hier war es nicht immer logistisch leicht für 14- bis 21-Jährigen. Der letzte Bus fuhr 17 Uhr. Außerdem ist das Gebäude seit Langem sanierungsbedürftig. „Der Louisenstift konnte eine Rundumerneuerung nicht allein stemmen, deshalb waren wir bereits seit Jahren auf der Suche nach einem neuen Objekt“, so Ines Kupka. Doch so einfach war das nicht. Genügend Platz für acht Zimmer, sanitäre Einrichtungen, Gemeinschaftsräume, Büros musste her. Schwer zu finden in der Region.

Auch Landtagsabgeordnete der Linken, Marion Junge (l.), schaute vorbei und überreichte eine Spende über 200 Euro, weitere 700 Euro flossen aus ihrer Bundestagsfraktion, ganze 1 000 Euro von der Globalfoundries Dresden. 
Auch Landtagsabgeordnete der Linken, Marion Junge (l.), schaute vorbei und überreichte eine Spende über 200 Euro, weitere 700 Euro flossen aus ihrer Bundestagsfraktion, ganze 1 000 Euro von der Globalfoundries Dresden.  © René Plaul

Dass man letztendlich in der SWG Kamenz einen verlässlichen Partner gefunden hat, freut alle. „Wir konnten unsere Wünsche einreichen, Pläne mitentwickeln. Das war hilfreich. Und auch die Jugendlichen haben sich so einbezogen gefühlt. Zum Schluss konnten sie den Umzug kaum noch abwarten, haben schon vor Wochen angefangen, zu packen“, erzählt Ines Kupka. Die Louisenstift gGmbH als Träger der Jugendwohngemeinschaft hat Nägel mit Köpfen gemacht und gleich ein ganzes Haus an der Karl-Marx-Straße angemietet. Modern ist es hier, hell und freundlich. Die Jugendlichen haben die Etagen selbst nach ihren Wunschbegriffen benannt. Neueinsteiger ziehen erst einmal im 1. Obergeschoss in „Bolzplatz“ und „Kreisliga“ ein. Eine Etage darüber spielt schon die „Bundesliga“. Und wer es geschafft hat, darf bei Volljährigkeit in die „Champions League“. Was witzig gemeint ist, hat einen durchaus ernsten Hintergrund. Und jeder möchte gern zu den Aufsteigern gehören – logisch! Ganz unten im Haus gibt es das sogenannte Trainingswohnen, die erste eigene „Bude“ sozusagen, die gänzlich autark geführt wird. Kurz bevor man den Ernst des Lebens allein packen muss. Auch sie ist derzeit belegt.

Fit gemacht werden die Jugendlichen bereits Jahre vorher dafür. Selber den Tag planen, aufräumen, putzen und Geld verwalten, Freizeit organisieren, aber auch soziale Kontakte pflegen – das alles bekommt man hier mit auf den Weg. Es gibt wöchentliche Gruppentreffen und einen Gruppensprecher. Manchmal wird gestritten, oft ganz viel gelacht. Die Mädchen und Jungen erziehen sich auch gegenseitig. Wie in einer richtigen Familie eben…