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Schweigen bei den Puhdys: Dieter "Maschine" Birr im großen Interview

Dieter „Maschine“ Birr spricht im Interview über sein neues Solo-Album, das Leben ohne die Puhdys und Zweifel an seinem tatsächlichen Alter.

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Dieter „Maschine“ Birr bringt jetzt ein Soloalbum heraus und spielt zusammen mit Uwe Hassbecker von Silly im März live in Dresden neben alten Hits auch nagelneue Songs.
Dieter „Maschine“ Birr bringt jetzt ein Soloalbum heraus und spielt zusammen mit Uwe Hassbecker von Silly im März live in Dresden neben alten Hits auch nagelneue Songs. © © by Matthias Rietschel

Als Sänger, Gitarrist und vor allem als Songschreiber war Dieter „Maschine“ Birr jahrzehntelang der Garant für den Erfolg der Puhdys. Der 1944 geborene Musiker und gelernter Universalschleifer prägte seit 1969 den Sound der einst populärsten Band der DDR und brachte bereits 1986 sein erstes Soloalbum heraus. Nach dem Ende der Puhdys und einem mittlerweile beigelegten Streit um Urheberrechte startet Birr jetzt noch einmal durch. Sein neues Album „Große Herzen“ ist das selbstbewusste Statement eines Mannes, der den Rock’n’Roll verinnerlicht hat.

Herr Birr, warum bringen Sie denn ausgerechnet am 30. Dezember ein Album heraus?
Das war eine Entscheidung der Plattenfirma. Kommst du kurz vor Weihnachten mit einem neuen Album an, bist du nur einer unter ganz vielen. Mit diesem Datum fällst du auf, die Leute reden darüber und merken es sich. Hat ja funktioniert ...

Wie langfristig ist die Zusammenarbeit mit der Plattenfirma angelegt; sind die nächsten Alben schon anvisiert?
Nee, nee, wir haben uns da erst mal nicht festgelegt. Es ging und geht zunächst nur um diese eine Veröffentlichung. Ich habe ja auch ein Alter erreicht, bei dem man nicht weiß, was in ein, zwei Jahren ist. Außerdem hängt viel davon ab, wie dieses Album läuft, wie es die Leute annehmen.

Das Ganze klingt aber gar nicht wie ein Abgesang, eher, als wollten Sie es noch mal wissen.
Klar, da ist auch eine Menge Energie von mir mit eingeflossen. Und ich denke, das hört man, also diese Musik hat Energie. Trotzdem muss ich sehen, ob mir noch mal was einfällt. Gute Songs schüttelt man ja nicht mal so aus dem Ärmel.

Dieter "Maschine" Birr genießt es, mit Kollegen auf der Bühne zu stehen und mal wieder richtig Krach machen zu können.
Dieter "Maschine" Birr genießt es, mit Kollegen auf der Bühne zu stehen und mal wieder richtig Krach machen zu können. © Dana Barthel

Was genau hat Sie angetrieben?
Wenn man sich einmal richtig auf den Rock ’n’ Roll eingelassen hat, kommt man nicht mehr so leicht von ihm los. Das ist so. Zudem sind die Fans ein wichtiger Antrieb. Bei einem Auftritt hier in Neuenhagen habe ich die neuen Songs getestet und absolut ausnahmslos positive Resonanzen bekommen. Ich kenne die Leute; die heucheln nicht, die sagen mir schon klar ihre Meinung. Diese Anerkennung wiederum gibt mir natürlich Kraft. Es ist immer wieder ein Fest, Musik zu machen und neue Lieder zu schreiben, kreativ zu sein, im Studio zu arbeiten und Ideen zu entwickeln. Probieren, verwerfen, neu schreiben – so sieht für mich ein schöner Arbeitstag im Studio aus.

Sie arbeiten also sehr diszipliniert?
Im Studio brauchst du schon Disziplin. Das hört sich allerdings strenger an, als es ist. Denn es macht natürlich auch Spaß. Und großartig ist es, wenn man nach einem langen Tag mit einer neuen Musik nach Hause fahren kann. Früher habe ich mir immer eine CD gebrannt und die im Auto angehört. Blöderweise geht das nicht mehr, denn mein Auto hat gar keinen CD-Player mehr. Für mich ein herber Verlust.

Im Studio haben Sie diesmal fast alles allein gemacht, richtig?
Na ja, nicht ganz. Lukas Schaaf, Keyboarder bei Bell Book & Candle, war dabei mein Partner. Ich habe Gitarre und Bass gespielt, natürlich gesungen und mit produziert. Lukas hat alles aufgenommen, gemischt, die Keyboards eingespielt.

Das Cover des Albums "Große Herzen" von Dieter "Maschine" Birr.
Das Cover des Albums "Große Herzen" von Dieter "Maschine" Birr. © Another Dimension PR

Und mit den fertigen Songs haben Sie sich dann eine Plattenfirma gesucht?
Nee, andersherum, die Plattenfirma war vorher quasi zu mir gekommen. Der Manager von Goitzsche Front, mit denen ich ein paar Mal zusammen aufgetreten bin, hat Kontakt zu einem Hamburger Label, bei dem unter anderem auch Extrabreit und Julia Neigel unter Vertrag sind. Er fragte dort mal an und kam als Antwort, dass es ihnen eine Ehre sei, mit mir zu arbeiten. Ohne vorher irgendwelche Demos zu verlangen. Die hatten also Vertrauen zu mir. Klar, ich hatte ja mit den Puhdys bereits über 30 Platten und bis dahin vier Soloalben gemacht. Wirklich die Katze im Sack haben sie also nicht gekauft.

Erst stand der Deal, dann haben Sie die Songs geschrieben?
Genau. Nur zwei Lieder waren halbwegs fertig, wurden jetzt nur neu arrangiert und dann aufgenommen.

Was war anders als früher, wenn Sie Songs für die Puhdys verfasst haben?
Eigentlich nichts. Ich habe damals ja auch die Songs geschrieben, aufgenommen, den Kollegen vorgespielt und fertig.

Es gab nie ausufernde Diskussionen?
Nee, im Allgemeinen hatten sie Vertrauen und haben alles durchgewunken. Natürlich wurde mal über Feinheiten verhandelt. Aber ich denke, die Kollegen waren damit sehr zufrieden, dass diesen Job überhaupt jemand gemacht, ständig neues Material geliefert hat.

Wie oft denken Sie noch an die Puhdys?
Die Zeit mit der Band war die schönste in meinem Leben. Was wir alles erlebt haben! Die riesigen Konzerte; alleine schon in der Waldbühne zu spielen als Ostband. Wahnsinn! Und die vielen verkauften Platten. Insofern kann ich nur sagen, das war eine tolle Zeit, und am Schluss gab’s ein paar Probleme. Aber wo gibt es keine Probleme?

Wie ist jetzt das Verhältnis zu den Ex-Kollegen?
Völlig neutral. Wir treffen uns nicht, wir reden nicht. Still ruht der See.

Keine Chance auf ein Comeback?
Nee, das wird es nicht geben. Aber das war von Anfang an ausgeschlossen, weil Schluss für mich nun mal Schluss bedeutet.

Fehlt Ihnen aber manchmal eine Band an Ihrer Seite, Kollegen, mit denen man sich austauschen kann?
Das habe ich doch. Mit Uwe Hassbecker von Silly spiele ich live im Duo. Und eine Band habe ich ja außerdem noch. Es kann gut möglich sein, dass wir mit der Band wieder mal auf Tour gehen. Gerade habe ich auch bei den Rock-Legenden gespielt. Das ist natürlich schön, mal wieder richtig Krach machen zu können.

Das neue Album gibt es nicht nur auf CD, sondern auch in vier Vinylvarianten. War das Ihre Idee?
Mein Wunsch war das schon, aber die haben es gleich von sich aus so gemacht. Es traf sich also perfekt.

Kaufen Sie sich selbst Musik auf Vinyl?
Nee, ich bin da jetzt nicht so verrückt wie manche. Ich höre meist nur Musik im Auto, habe auf meinem iPad über 6.000 Titel gespeichert. Zwar habe ich noch ein paar hundert Platten zu Hause, aber neue kommen nicht mehr dazu.

Generell wirkt das Album sehr persönlich. Ist etwa Ihr Song „Halte durch“ an einen speziellen Menschen gerichtet, dem Sie den Rücken stärken wollen?
Das ist tatsächlich eher allgemein gemeint, als eine Art Aufforderung an alle, sich nicht von den gegenwärtig miesen Umständen unterkriegen zu lassen. Aber tatsächlich sind drei Stücke sehr persönlich, authentisch mit meinem Leben verbunden. Das ist „Meine erste Liebe“, „Mein Freund aus alten Zeiten“ und „Legende aus Budapest“.

Der letztgenannte Song würdigt János „Mecky“ Kóbor, den Sänger der ungarischen Band Omega, der Ende 2021 gestorben ist. Hatten Sie ein enges Verhältnis?
Ja, wir waren wirklich gut befreundet. Allerdings wurde unser Verhältnis erst nach der Wende richtig eng. Natürlich sind wir uns früher auch mal begegnet, vor allem am Rande von Auftritten in der DDR. Ich weiß noch, wie es mich umgehauen hat, als ich Omega zum ersten Mal Anfang der Siebziger live in der Kongresshalle gesehen habe. Diese Frisuren! Diese Klamotten! Die wirkten auf mich, als kämen sie von einem anderen Stern. Das war der Wahnsinn! Und etwas überraschend fragte mich Mecky dann 2015, ob ich nicht Lust hätte, bei einem ihrer Konzerte als Gast aufzutreten. Daraus wurde erst eine regelmäßige Zusammenarbeit, dann eine Freundschaft.

Wie sah diese Zusammenarbeit aus?
Ich bin bei einigen Konzerten mit eingestiegen, in Rostock zum Beispiel, in Landsberg und natürlich in Budapest. Etwa beim großen Konzert zum 55-jährigen Jubiläum von Omega vor 20.000 Fans. Er hat dann auf meinem Soloalbum „Neubeginner“ gesungen. Und wir haben uns oft via Skype oder Telefon ausgetauscht, noch im vorigen Jahr sind wir beide in der RBB-Doku „Unter Brüdern“ aufgetreten und hatten fest geplant, beim 60. von Omega zusammen auf der Bühne zu stehen. Dazu kam es leider nicht mehr.

Kobór starb an Corona und hatte zuvor eine Impfung abgelehnt, richtig?
Na ja, er war kein militanter Gegner des Impfens gewesen. Er hat es akzeptiert, wenn man sich hat impfen lassen. Aber er wollte es sich selbst nicht antun, glaubte eben, weil er nie zuvor ernsthaft krank war, eine ausreichend stabile Gesundheit zu haben. Darauf habe ich irgendwie auch vertraut. Und so war es ein Schock, als ich den Anruf bekam und von seinem Tod erfuhr. Damit war zugleich das Ende von Omega besiegelt, zumal ja dann auch noch Bassist und Keyboarder gestorben sind.

Wie sind Sie selbst durch die Corona-Zeit gekommen?
Ganz ohne Auftritte und dergleichen wurde es teilweise ganz schön langweilig. Von daher war ich sehr froh, dass ich das Angebot für das Album bekommen hatte. Da hatte ich Beschäftigung. Außerdem bin ich durch Corona ein guter Gärtner geworden. Nee, wirklich, diese körperliche Arbeit im Freien hat mir großen Spaß gemacht. Und mit unserem Hund bin ich so oft Gassi gegangen, dass der schon gar keine Lust mehr hatte, überhaupt rauszugehen.

Das Album ist fertig, kommt in die Läden. Was steht nun bei Ihnen an?
Ich lasse alles auf mich zukommen, freue mich erst mal auf Autogrammstunden und die anschließenden Live-Auftritte. Letzten Endes ist doch alles, was nach dem Aus der Puhdys passiert, für mich eine Art Zugabe mit ganz hohem Spaßfaktor. Ich plane da nicht so viel, sondern genieße einfach, was sich so ergibt.

Ganz sicher steht am 18. März 2024 Ihr 80. Geburtstag an. Gibt es dann eine riesige Sause?
Mal sehen. Eigentlich denke ich ja, dass meine Geburtsurkunde gefälscht und das Datum daher nicht korrekt ist.

Ach; was glauben Sie denn, ist Ihr wirkliches Alter?
Irgendwas in den Vierzigern. Genauer kann ich es nicht sagen. Aber so fühle ich mich jedenfalls.

Ernsthaft, irgendwas haben Sie doch sicher zum 80. in der Pipeline?
Okay, stimmt. Ein Buch soll dann rauskommen, eine neue Biografie, die ich nicht selbst verfasse, sondern schreiben lasse. Und mal gucken, was sich musikalisch so machen lässt.

Das Interview führte Andy Dallmann.

  • Das Album: Maschine, Große Herzen. Premium Records
  • Autogrammstunden mit Maschine: 30.12., 14 Uhr, Saturn, Dresden; 5.1., 12 Uhr, Medimax, Bautzen; 5.1., 17 Uhr, Medimax, Görlitz; 6.1., 17 Uhr, Medimax, Riesa
  • Das Dresden-Konzert: 2.3., Boulevardtheater