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Debatte um ein Stück altes Copitz

Eine ungenutzte Scheune in zweiter Reihe soll abgerissen werden. Es regt sich Protest.

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© Norbert Millauer

Von Christian Eissner

Pirna. Die Tore sind teilweise vermauert, das Dach nur notdürftig gesichert, der Putz bröckelt von der Fassade. Pirnas städtische Wohnungsgesellschaft WGP will im Hinterhof einer Häuserzeile der Copitzer Hauptstraße eine ungenutzte alte Scheune abreißen lassen. Dafür stehen sogar Fördermittel in Aussicht. Es schien nur eine Formalie, dass der Abriss-Antrag den Bauausschuss des Stadtrates mit positivem Votum passiert. Doch der schon vorbereitete Beschlussvorschlag flog wieder von der Tagesordnung der vergangenen Ausschuss-Sitzung. Die Stadtverwaltung selbst bat um Bedenkzeit. Was war passiert?

Die Scheune ist das letzte Zeugnis des einstigen Copitzer Turmguts, nach dem auch eine Straße benannt ist. Sie ist massiv, zum großen Teil aus Sandstein errichtet, und mit etwa 5 000 Kubikmetern umbauten Raum sehr mächtig. Auch wenn sie heute in einem Hinterhof steht, prägt sie schon allein aufgrund ihrer Größe das Areal zwischen Dammstraße und Leglerstraße.

Empfindliche Lücke

Als das Pirnaer Kuratorium Altstadt von den Abrissplänen erfuhr, wandten sich die Kuratoriumsmitglieder an die Stadtverwaltung mit der Bitte, das Vorhaben zu stoppen. Denn das Gebäude ist einerseits ein besonders beredtes Zeugnis dafür, dass bäuerliche Architektur in der Mitte des 19. Jahrhunderts nicht nur zweckmäßig, sondern auch stilvoll sein konnte, selbst bei so profanen Bauten wie einer Scheune. Zum anderen ist die Scheune eines der wenigen verbliebenen Zeugnisse von Copitz als einer wohlhabenden und eigenständigen Landgemeinde vor den Toren Pirnas. Sie ist nach Einschätzung des Kuratoriums daher auch ortsgeschichtlich bedeutsam.

„Die Geschichte von Copitz ist bisher wenig bekannt“, erläutert Albrecht Sturm, Vorsitzender des Kuratoriums Altstadt Pirna. Auch zum Turmgut weiß man kaum etwas. „Das Gut könnte das neben dem Pirnaer Stadtgut einzige lokalisierbare Milchkurgut gewesen sein“, fand der Bauhistoriker bei ersten Recherchen heraus. „Der Name Turmgutstraße lässt sich nunmehr schön erklären.“ Albrecht Sturm, der in direkter Nachbarschaft wohnt, weist auf die raumbildende Wirkung der Scheune hin. Ohne sie würde man schon von Weitem auf die Hinterhoffassaden der Hauptstraße schauen. „Ein Wegfall des Bauwerks würde eine empfindliche städtebauliche Lücke hervorrufen“, so Sturm. „Dies allein schon ist ein Grund für die Erhaltung.“

137 000 Euro Städtebau-Fördermittel hatte die Stadt der WGP für den Abriss der Scheune in Aussicht gestellt. Mit diesem Betrag muss sich Besseres für das Gebäude und den Stadtteil tun lassen, sagt das Kuratorium Altstadt und schlägt vor, die Scheune zum Stadtteil-Treff auszubauen.

Lieber Wohnhaus sanieren

Im Rahmen des Stadtteil-Programms für Copitz war die Turmgut-Scheune noch vor wenigen Jahren als erhaltenswert eingestuft, eine Sanierung und Umnutzung geprüft worden, teilt die Stadtverwaltung mit. Ein Abriss hat bis in jüngster Zeit nie zur Debatte gestanden.

Warum er nun doch forciert wird, dafür gebe es gute Gründe, erläutert Jürgen Scheible, Geschäftsführer der städtischen Wohnungsgesellschaft WGP. Das Unternehmen habe mehrere Möglichkeiten zur Umnutzung der Scheune geprüft, keine sei auch nur annähernd wirtschaftlich darstellbar gewesen. „Selbst eine Nutzung als Parkhaus scheitert an Brandschutz-Bestimmungen“, so Scheible. Ein Verkauf habe mangels Interessenten nicht geklappt.

Zudem sieht die WGP gerade im Abriss die Chance, das Areal zwischen Hauptstraße, Leglerstraße und Dammstraße aufzuwerten. Die Wohnungsgesellschaft möchte voraussichtlich ab 2018 das Haus Hauptstraße 17 sanieren. „Vermieten lassen sich die Wohnungen nur, wenn die Mieter das Auto, auf das sie angewiesen sind, irgendwo abstellen können“, erklärt Jürgen Scheible. 15 bis 20 Stellplätze sind auf der Fläche der Scheune geplant.

Dass der Fördermittel-Antrag zum Abriss der Scheune zurückgestellt wurde, wertet Albrecht Sturm vom Kuratorium Altstadt positiv. Allerdings sei es schade, dass eine öffentliche Debatte erst in letzter Sekunde zustande komme. Ganz anders sieht das WGP-Chef Jürgen Scheible. Ihm passt die Debatte überhaupt nicht: „Das Gebäude wird auf jeden Fall abgerissen. Es gehört der WGP, es steht nicht unter Denkmalschutz. Ich bin nicht bereit, da Konzessionen zu machen.“

Eingeschränkte Mitbestimmung

Genau diese Haltung sei problematisch, kontert Albrecht Sturm. Wenn es um Pläne der städtischen Gesellschaften geht, sei das Recht der Bürger auf Mitbestimmung leider allzu oft ausgehebelt. „Der Konzern Stadt Pirna, in dem Geschäftsführer städtischer Unternehmen statt der Bürger über die Entwicklung Pirnas entscheiden, droht zu einer Entdemokratisierung zu führen“, gibt Sturm zu bedenken. Das sei fatal für Pirna, zumal der Oberbürgermeister als gewählter Vertreter der Bürgerschaft einerseits und Aufsichtsratschef der städtischen Unternehmen andererseits ständigen Interessenkonflikten ausgesetzt sei. Für Albrecht Sturm steht das Schicksal der Turmgut-Scheune beispielhaft dafür.

Unterdessen möchte auch das sächsische Landesamt für Denkmalpflege mit der Stadt zum Thema Turmgut-Scheune ins Gespräch kommen. Der für das Führen der Denkmal-Liste im Gebiet zuständige Referent Lutz Finkler war spontan nach Copitz aufgebrochen, um sich das Gebäude anzuschauen, nachdem er durch eine SZ-Anfrage von den Abrissplänen erfuhr. Aus seiner Sicht sei die Turmgut-Scheune aufgrund ihrer Bedeutung für die Ortsgeschichte erhaltenswürdig, sagt Lutz Finkler. Sie jetzt Knall auf Fall unter Denkmalschutz zu stellen, davon halte er aber nichts. Es sei besser, eine einvernehmliche Lösung zu finden. Daran werde er gern mitarbeiten.