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Der Netz-Werker

Claus Ostertag hat 25 Jahre ein Heidenauer Spezialfirma für Netze geleitet. Seinen Abschied plante er lange und verschob ihn dann doch noch einmal.

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© Kristin Richter

Von Heike Sabel

Heidenau. Claus Ostertag hat jetzt eine Sorge weniger. Eigentlich hat er gar keine Sorgen mehr. Der Erweiterungsbau der Sächsischen Netzwerke Huck GmbH steht und in einer Woche ist sein letzter Arbeitstag als Geschäftsführer. Der Neubau hat ihm schon einige Sorgen bereitet. Das Unternehmen stellt Netze für Bau, Sport und andere Gebiete her, zum Beispiel Schneefangzäune und Landungshilfe für Hubschrauber. Lange war nicht klar, ob das Unternehmen die Fläche im Sporbitzer Gewerbegebiet gegenüber dem Hauptstandort kaufen kann. Der war 1993 in sechs Monaten gebaut, seither mehrfach erweitert worden und stieß nun an seine Grenzen.

Ostertag arbeitet bereits seit anderthalb Jahren nur noch halbtags und wollte bereits im Februar aufhören. Mit inzwischen 69 Jahren und 53 Berufsjahren wohl verdient und möglich. Dann klappte es doch noch mit dem Neubau und den wollte er bis zum Ende begleiten. Die Einweihung Ende Mai war dann gleichzeitig ein Geschenk zum 25-jährigen Bestehen des Betriebes. 25 Ostertag-Jahre, denen bereits 28 in den volkseigenen Netz- und Seilwerken vorangingen. 1969 hatte er hier angefangen, war dann für den Absatz, also den Verkauf, zuständig. Die meisten Netze wurden damals für die Fischerei, oft auch in den anderen sozialistischen Ländern produziert. Ein kleiner Exportauftrag Bleileinen für Sportnetze – so etwas wie für Gardinen, nur stärker – ging in damalige Bundesrepublik. Und daran erinnerte sich Ostertag, als nach der Wende klar war, mit den Fischereinetzen wird das nichts mehr. Auch die Netze, mit denen Urnen in die Gräber hinabgelassen wurden, konnten den Betrieb nicht retten.

Die Netz- und Seilwerke befanden sich zu DDR-Zeiten auf der Hauptstraße in Heidenau, dort wo jetzt Fliesen-Ehrlich einen Standort hat. Nach der Wende wollte Ostertag dort bleiben, heute ist er froh, dass nichts draus wurde. Die inzwischen 16 000 Quadratmeter Produktions- und Lagerfläche wären dort nicht möglich gewesen. Und er ist froh, dass die Huck-Mutter in der Nähe von Wetzlar nicht aufgegeben hat, als der Kauf der Fläche, auf der sich heute in Pirna die Fahrzeugelektrik befindet, platzte. Übergangsweise hatte der Betrieb Standorte in Markersbach und Pirna-Liebethal. Daran erinnern heute Tafeln im Büro. 21 Standorte wurden damals für den Neubau geprüft, schließlich blieb der am 1. Februar 1991 gegründete neue Betrieb in Heidenau. Die Ursprünge der Netzherstellung hier reichen bis 1906 zurück.

Arbeit im Dreischichtsystem

„Wir stellen den Stoff her, andere machen daraus die Anzüge“, sagt Claus Ostertag. Das heißt, in Heidenau werden im Dreischichtsystem die Fasern für die Netze hergestellt, in zwei Schichten entstehen die Netze und in Normalschicht werden sie vollendet. Das sind in der Regel Netze zum Beispiel für Schneefangzäune, Sonderanfertigungen für den Bau, den Sport und Spielgeräte, die hier in der Region gebraucht werden. 80 Prozent der Heidenauer Netze gehen in Betriebe der Huck-Gruppe zur Weiterverarbeitung. Netze werden überall gebraucht – auch als Landungshilfe für Hubschrauber. Mit dem Erweiterungsbau und einer neuen Maschine ist der Weg in die Zukunft gebaut, sagt Ostertag. Über fünf Millionen Euro wurden allein seit vorigem Jahr investiert. Auch eine Sicherheit für die inzwischen 82 Mitarbeiter. Mit 17 war 1991 neu gestartet worden.

Inzwischen baut und hat heute jeder Netzwerke, aber wirklich Netze stellen die wenigsten her. Ostertag ist also ein Netzwerker im doppelten Sinne. So gelassen, locker und gesprächig wie jetzt war er dabei wohl all die Jahre nicht. Er könne jetzt beruhigt gehen und loslassen, sagt er. „Es läuft alles.“ Am Mittwoch ist gerade noch das Hochregallager mit Platz für 2 000 Paletten im Neubau in Betrieb gegangen.

Ostertag wird die Netzwerke auch weiter direkt vor Augen und in der Familie haben. Er wohnt auf dem Gelände und will das vorerst auch nicht ändern, und sein Sohn arbeitet ebenfalls im Unternehmen. Sein Nachfolger als Geschäftsführer, der langjährige Stellvertreter Thomas Arnold, braucht trotzdem keine Angst haben, dass Ostertag ständig vorbeikommt. „Wenn ich gebraucht werde, bin ich da, sonst trete ich einen Schritt zurück.“

Claus Ostertag wird stattdessen jetzt öfter auf den Hochsitz klettern und seiner Jagd-Leidenschaft frönen. In den Seilen hängt er auch künftig nicht.