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Der schwierige Blick in die Küche

Verbraucherschützer wollen mehr Transparenz in die Gaststättenhygiene bringen. Auch in Riesa.

Von Dominique Bielmeier & Reiner Hanke & Stefan Lehmann
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Ein Lebensmittelkontrolleur überprüft die Temperatur eines Hähnchens. Die Ergebnisse solcher Kontrollen gelangten bisher selten an die Öffentlichkeit. Verbraucherschützer möchten das ändern.
Ein Lebensmittelkontrolleur überprüft die Temperatur eines Hähnchens. Die Ergebnisse solcher Kontrollen gelangten bisher selten an die Öffentlichkeit. Verbraucherschützer möchten das ändern. © dpa

Riesa. Wenn das Essen in der Gaststätte schmeckt, ist das ein gutes Zeichen. Aber es muss noch längst kein Indiz für höchste Hygienestandards in der Küche sein. Manchmal keimt beim Gast wohl der Verdacht, dass auch Keime in der Küche sein könnten. Dann wäre es ein Fall für die Lebensmittelüberwachung des Landkreises. Was deren Kontrollen zutage fördern, darüber ist aber bisher kaum Konkretes zu erfahren. Die Ergebnisse bleiben quasi unter dem Deckel.

Die Verbraucherorganisation Foodwatch und die Plattform „Frag-den-Staat“ wollen das ändern. Sie haben die Offensive „Topf Secret“ für mehr Transparenz in der Branche gestartet. Knapp 400 Kontrollberichte der Hygieneämter seien allein sachsenweit in nur zwei Wochen beantragt worden. Die Verbraucherschützer pochen auf den Rechtsanspruch auf Auskunft und wollen ihn im Behördendschungel durchsetzen helfen. Über eine Internetseite könnten die Ergebnisse von Überprüfungen in Restaurants, Bäckereien und anderen Lebensmittelbetrieben mit wenigen Klicks abgefragt und veröffentlicht werden, heißt es bei Foodwatch. Rein statistisch werde bundesweit jeder vierte kontrollierte Betrieb beanstandet, größtenteils wegen Hygienemängeln. Nur erfahre es eben niemand.

Dutzende Anfragen im Landkreis

Die Verbraucherschützer wollen das nun ändern. Über die Plattform können Nutzer eine vorformulierte Anfrage an das zuständige Amt schicken und so um Auskunft darüber erbitten, ob und mit welchem Ergebnis ein Betrieb zuletzt kontrolliert wurde. Auf einer Karte lässt sich dann nachvollziehen, wo das bereits geschehen ist. Allein beim Landratsamt in Meißen seien schon bis Anfang Februar 35 Anfragen eingegangen, bestätigt Sprecherin Kerstin Thöns. Derzeit erkundigen sich Internetnutzer auch nach drei Imbissgeschäften in Riesa sowie einigen Betrieben im Umland.

Ergebnisse dazu liegen noch nicht vor – und das könnte auch noch eine ganze Weile dauern, sagt die Sprecherin des Landratsamtes. „Kürzeste Wartezeit für den Verbraucher auf Info aus dem Amt sind acht Wochen.“ Denn so einfach, wie auf der Internetseite von Foodwatch beschrieben, ist das Anfrage-Prozedere nicht. Das Kontrollamt muss nicht nur prüfen, ob es den Antragsteller wirklich gibt, sondern auch den Gastronomen fragen, ob er der Herausgabe der Kontrolldaten zustimmt. 

Wenn das nicht passiert, wird die Angelegenheit zäh: „Das Gesetz lässt kaum Ausnahmen zu, den Verbraucher nicht zu informieren. Aber das Unternehmen hat das Recht, eine einstweilige Verfügung zur Nichtherausgabe der Daten zu erwirken.“ Schlimmstenfalls müsse ein Verwaltungsgericht entscheiden. Derzeit jedenfalls bedeute die neue Anfragemöglichkeit für die Ämter „viel, sehr viel Arbeit“. Das dürfte ein Grund sein, warum auf der Internetseite derzeit zwar viele Anfragen gestellt werden, bisher aber so gut wie keine Ergebnisse vorliegen. 

Die Gastronomiebranche selbst sieht die Plattform ohnehin sehr kritisch. „Wir müssen schon ein bisschen Vertrauen in die Arbeit der Ämter haben“, sagt Axel Klein. Der Geschäftsführer des Deutschen Hotel- und Gaststättenverbandes (Dehoga) in Dresden befürchtet nicht nur, dass die Plattform zu Denunziantentum unter den Konkurrenten führen könnte. Er macht sich auch Sorgen darüber, dass die Karte eher zur Verunsicherung statt zur Aufklärung beiträgt. Es müsse eine „Grenze für Nichtigkeiten“ geben, sagt Klein. Denn in aller Regel handle es sich bei den festgestellten Hygieneverstößen um bauliche Mängel, etwa an Kühlschrankdichtungen oder den Küchenfliesen. Die würden dann meist beseitigt. „Aber wer kümmert sich eigentlich darum, dass die Einträge wieder aus dem Internet verschwinden, wenn der Mangel beseitigt ist?“, fragt Klein.

Foodwatch verweist daraufhin auf ein Urteil des Bundesverfassungsgerichts. Das habe 2018 festgestellt, dass Verbraucher auch ein Recht auf Informationszugang zu „bereits beseitigten Verstößen“ haben, sagt Sprecher Dario Sarmadi. Fehle etwa ein Desinfektionsmittel in einem Betrieb, sei das auch Monate später eine relevante Information. „Kommt es zu wirklich gravierenden Mängeln, so kommt es in der Regel zu einer Nachkontrolle, in der Betriebe unter Beweis stellen können, die Mängel beseitigt zu haben. Ganz grundsätzlich sind Betriebe herzlich dazu eingeladen, uns aktuelle Kontrollberichte zuzusenden – wir stellen sie dann online auf Topf Secret.“ Ohnehin sei die Plattform eher eine Notwehrmaßnahme, um mehr Transparenz zu erreichen. „Mit der Plattform wollen wir aufbauen, damit Behörden in Zukunft ausnahmslos alle Kontrollergebnisse veröffentlichen müssen.“ 

In Dänemark erfahren die Kunden demnach bereits an der Ladentür über die letzten vier Kontrollergebnisse. Eine konsequente Veröffentlichung hätte präventiven Charakter, so die Hoffnung. „Wenige Jahre nach Einführung des dänischen Smiley-Systems im Jahr 2002 hat sich die Quote der beanstandeten Betriebe halbiert, von 30 auf rund 15 Prozent.“

www.topf-secret.foodwatch.de