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Der Unaufgeregte Bürgermeister

Markus Weise ist in einem Jahr in sein Amt in Bernstadt hineingewachsen, entspannter geworden und erntet Anerkennung – eine Jahresbilanz in fünf Punkten.

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© Matthias Weber

Von Anja Beutler

Bernstadt. Ein Jahr geht schnell vorüber. „Rasend schnell“, sagt Markus Weise kopfnickend. Und ein Jahr als neuer Bürgermeister erst recht. „Ich habe jedenfalls keine Langeweile gehabt“, schiebt er nach und lächelt. Viel hat der 28-Jährige in den vergangenen zwölf Monaten über Verwaltung und Bürokratie gelernt, unzählige Hände geschüttelt, ist in ganz lokale Probleme und Fachchinesisch eingetaucht und hat begonnen, dem Amt seinen eigenen Stempel aufzudrücken. Wie er sich dabei geschlagen hat, zeigt eine kleine Übersicht.

Markus Weise ist seit einem Jahr Bürgermeister in Bernstadt – Bilanz in fünf Punkten

Ziele: Wenn Politik auf Wirklichkeit trifft, muss man zurückschrauben

In diesem Punkt ist Markus Weise nach einem Jahr ganz klar: „In manchen Dingen habe ich gedacht, dass ich schneller vorankommen werde.“ Beim Thema schnelles Internet ist das so – da bremsen neue Vorschriften. Aber auch bei Bauprojekten gebe es Punkte, in der eine kleine Änderung am Plan oder zusätzliche Wünsche unglaublich schwierig sind, viel Bürokratie nach sich ziehen und Zeit kosten. „Einen Straßengraben mal eben ungeplant neu ausheben, weil es nötig wäre – das geht nicht einfach so“, sagt er. Beim Thema Ordnung in der Stadt klaffen Wunsch und Machbarkeit auseinander: „Ich würde zum Beispiel gern mehr Leute beim Bauhof einstellen, aber das können wir uns nicht leisten“, erklärt Weise. Die Stellenzahl hänge an der Einwohnerstärke der Stadt. „Die Bürger sind oft unzufrieden, auch ich würde gern mehr tun, aber ich muss auch sehen, was die Mitarbeiter schaffen können“, sagt er. Zudem gebe es stets neue Bäume oder Grünflächen im Ort, die gepflegt werden müssen. Eine zusätzliche Bauhofsstelle habe man immerhin im Plan. „Generell aber müssen wir darüber reden, was wir noch selbst machen können und welche Aufgaben wir an die Privatwirtschaft vergeben.“

Prioritäten: Schutz vor Hochwasser, Schule und Gebäudesanierung sind top

Nicht gerüttelt hat Markus Weise an der Prioritätenliste der Stadtpolitik: Die vorbereiteten Pläne für mehr Hochwasserschutz sind natürlich gesetzt, den Schulausbau werde man in diesem Jahr planmäßig beenden, die Sanierung von Museum und Rathaus mit Barrierefreiheit und neuem Brandschutzkonzept laufen in den kommenden Monaten an. „Für vieles waren die Weichen gestellt – für das Museum zum Beispiel Fördergelder schon zugesagt“, betont Weise. Dass man bei all den Förderprogrammen auch flexibel bleiben muss, hat Weise rasch erkannt: Für den Jugendclub in Kunnersdorf gibt es eine Möglichkeit über ein Investitionsprogramm – ein Grund, das Vorhaben voranzutreiben.

Gegen das Kirchturmdenken: Bürgermeister für jeden Ortsteil sein

Der doch recht emotionale Endspurt beim Wahlkampf vor einem Jahr ist für Markus Weise kein größeres Hindernis gewesen – zumindest im Stadtrat nicht. Aber er weiß, dass er als Kemnitzer von den Einwohnern der anderen Ortsteile mit gewisser Skepsis gesehen wird. Ein Phänomen, das auch sein Vorgänger Gunter Lange kannte – allerdings als Kunnersdorfer. „Ich bemühe mich wirklich sehr um Ausgeglichenheit, muss aber auch aufpassen, dass ich am Ende nicht die Kemnitzer vernachlässige“, wägt er nachdenklich ab. Bei den Bürgern hat er sich im ersten Jahr aber offenbar einen Ruf als Stadtchef aller erkämpft: „Er macht seine Sache gut und ist jemand der sehr gut zuhören kann“, schildert eine Dame, die gerade ihre Einkäufe in der Stadt erledigt. Zuhören ist eine Stärke, die dem ruhig wirkenden Stadtchef ohnehin von vielen Seiten zugestanden wird. Und Thomas Kneschke von der Oktoberfest-Fördergemeinschaft erkennt an, dass Markus Weise „einer für alle“ ist.

Neue Ideen: Mehr Gewicht auf Gewerbe und Tourismus

Ein Weihnachtsmarkt, ein regelmäßiger Händlerstammtisch – das gab es schon in Bernstadt. Markus Weises Verdienst ist es, sie zum rechten Zeitpunkt wiederbelebt zu haben. Sicherlich spielte auch sein eigenes Interesse an einem stärkeren Austausch eine Rolle. „Aber es war auch einfach an der Zeit, es hat sich inzwischen einiges verändert“, analysiert Elektromeister Klaus Fritsche (CDU), der auch Weises Stellvertreter im Stadtrat ist. Elektrohändler Matthias Fischer am Marktplatz pflichtet ihm bei: „Es war wirklich eine gute Entscheidung, sich wieder zusammenzusetzen.“ Auch der Vorstoß, Bernstadt mehr an die vorhandenen Radwegenetze anzubinden und touristisch einfach besser auszuschildern, findet in dieser Runde – aber nicht nur da – Zuspruch. „Wir brauchen eine gute Verbindung in Richtung Löbau, aber auch nach Herrnhut oder an den Berzdorfer See“, betont Weise, der sich selbst gern aufs Rad setzt. Dass der Bau neuer Wege dauern wird, ist ihm klar. Pläne für neue Wege verfolgt der Freistaat erst ab 2025 wieder. Aber Weise weiß sich auch mit seinen Amtskollegen Christian Hänel in Schönau-Berzdorf und Roland Höhne in Rosenbach auf einer Linie: „Es gibt ja Wege, aber die müssen bekannt gemacht werden, damit Bernstadt nicht mehr der weiße Fleck auf den Radtourkarten ist“, sagt Weise.

Kommunikation: Austausch mit Kollegen und Bürgern ist wichtig

Wer wie der studierte Sportwissenschaftler Weise neu in der Politik ist und eigentlich aus einem ganz anderen beruflichen Umfeld kommt, muss Kontakte und neue Netzwerke knüpfen. So mancher Bernstädter hat das im Vorfeld für sein größtes Manko gehalten. Aber Weise hat einen enormen Elan an den Tag gelegt. Deshalb sind ihm die persönlichen Treffen so wichtig. Bei seinen Amtskollegen wünschte er sich durchaus mehr Kontakt – oft sehe man sich nur bei Sitzung des Städte- und Gemeinde-Tages. Bei seinem Amtsnachbarn Christian Hänel (parteilos) in Schönau-Berzdorf ist Weise gut angekommen: „Er ist sehr nett – wir arbeiten gut zusammen“, sagt Hänel mit Respekt. Auch Rosenbachs Ortschef Roland Höhne (CDU), der Weise schon vor seinem Amtsantritt persönlich kannte, ist angetan von der Art, wie der Neue seine Sache macht. Markus Weise gibt sich bescheiden, was seine Außenwirkung betrifft: „Natürlich habe ich noch nicht so einen Namen wie ein alteingesessener Amtskollege“, sagt er. Doch auch skeptische Bürger honorieren seine Arbeit: Eine Bernstädterin hat inzwischen von einigen Bekannten gehört, dass sie nach einem persönlichen Gespräch mit dem Bürgermeister sehr angetan waren. „Sie fühlten sich ernst genommen“, sagt die Dame. Um möglichst viele Menschen zu erreichen, startet Weise jetzt eine Reihe von Bürger-Gesprächen in den Ortsteilen. „Mal sehen, wie sich das entwickelt.“ Gern packt er auch einfach vor Ort mit an, macht sich selbst ein Bild: „Wie beim Laubputz im Kemnitzer Park“, fügt Thomas Kneschke an. Eines aber wird Markus Weise so schnell nicht werden: ein Facebook-Bürgermeister. „Da braucht man Zeit und Kraft, es zu pflegen“, sagt er. Das lohne sich derzeit nicht. Und jedwede Gerüchte – das hat er selbst schon erlebt – verbreiten sich auch ohne Facebook im Ort in Windeseile. Der örtliche Klatsch ist immer noch das beste soziale Netzwerk.

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