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Der vergessene Schatz

Einst wurde in Paußnitz ein magischer Ring entdeckt. Der Ort vermarktet das nicht, jemand anderes dafür schon.

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© Juraj Lipták

Von Eric Weser

Strehla. Was war das 2004 für ein Echo. Deutschlandweit kam der Strehlaer Ortsteil damals in die Schlagzeilen. „Ein Team von Forschern hat das Rätsel um den Zauberring von Paußnitz gelöst“, schrieb die Welt am Sonntag. Ein Wissenschaftsmagazin griff das Thema auf. Auch die Sächsische Zeitung berichtete. Fast auf den Tag genau 13 Jahre ist das her.

Kurz zuvor hatten Archäologen des Hallenser Landesmuseums für Vorgeschichte bekannt gegeben, die Inschrift des zwölfeckigen Fingerschmucks aus dem 12. Jahrhundert entziffert haben. Dass es dazu kommen konnte, verdankt sich Emil Schreiber aus Paußnitz. Der Gutsbesitzer hatte 1898 eigentlich in seinem Garten einen Baum pflanzen wollen. Beim Graben entdeckte er ein Keramikgefäß mit Hunderten Silbermünzen – und einem Ring oben darauf. Die weitaus meisten Münzen fielen danach in verschiedene Hände. Am Ende blieben sieben Geldstücke, das Gefäß und der Ring übrig. Alles zusammen ging ans damalige Provinzialmuseum nach Halle – wo die Gegenstände ins Archiv wanderten und in Vergessenheit gerieten.

Repliken für 25 Euro das Stück

Bis sie 2001 von einem Archäologen wiederentdeckt wurden. Das war auch der Startschuss für die Entschlüsselung der Inschrift. Denn auf die zwölf Zeichen des Rings konnte sich bis dahin niemand einen Reim machen. Ein Expertenteam aus Halle und München kam dem Rätsel schließlich auf die Spur. „NAINE MI XPS“ steht auf dem Ring, was mittelhochdeutsch ist, übersetzt „Verneine mich Christus“ heißt und als „Vernichte mich Christus“ zu verstehen ist, als „Ausdruck innigster religiöser Hingabe zur Erlangung des Seelenheils zu werten“. So ist es auf der Internetseite des Landesmuseums für Vorgeschichte Halle zu lesen. Wo man auch erfährt, dass der Ring einst einem Kreuzfahrer gehört haben könnte.

In Halle lagert der Original-Ring bis heute. Und im dortigen Museumsshop sind Repliken aus Silber erhältlich – für 25 Euro pro Stück. Im einstigen Fundort Paußnitz sucht man so eine Vermarktung des magischen Rings vergeblich. Kein Schild, das über die Entdeckung Emil Schreibers informiert, keine übergroße Ring-Replik. Und das, obwohl Paußnitz am Elberadweg liegt, also durchaus touristischen Verkehr verzeichnet und nach Ansicht eines Anwohners viel verschenkt, wenn die Ring-Geschichte nirgendwo im Dorf öffentlich präsentiert wird. „Dabei ist doch eigentlich so spannend, wer hat denn so was schon vorzuweisen?“, sagt der Mann.

Wie wohl die meisten Paußnitzer kennt auch Ortschaftsrat Tobias Dietrich den Ring und dessen Geschichte. Doch im Ortsbild spiele das Thema keine Rolle, gesteht er zu. Auch im Ortschaftsrat sei es nur mal am Rande zur Sprache gekommen. „Wir befassen uns eher mit den tagesaktuellen Fragen.“

Es könnte aber sein, dass der Ring in naher mehr Aufmersamkeit bekommt. In Paußnitz wird derzeit daran gearbeitet, die Ortshistorie ein wenig genauer zu untersuchen. Möglicherweise steht gar ein Jubiläum bevor. Gesicherte Erkenntnisse liegen noch nicht vor, aber es gibt Hinweise, dass das 1994 nach Strehla eingemeindete Dorf bald einen runden Geburtstag haben könnte. Wäre dem so, stünde auch die Frage im Raum, ob das groß gefeiert werden soll. Spätestens dann dürfte auch die Ring-Geschichte wieder als Meilenstein der Ortshistorie ins allgemeine Interesse rücken.