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Bevölkerung in Deutschland wächst: Wir werden immer mehr

2030 könnten 86 Millionen Menschen in Deutschland leben, etwa drei Millionen mehr als heute. Was bedeutet das für Jobs, Wohnungen und Staatsfinanzen?

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Die Zahl der Menschen, die in Deutschland leben, steigt. Das hat viele Vorteile – aber auch einige Nachteile.
Die Zahl der Menschen, die in Deutschland leben, steigt. Das hat viele Vorteile – aber auch einige Nachteile. © www.imago-images.de

Von Hannes Koch

Deutschland erfreut sich großer Beliebtheit – von außen betrachtet manchmal mehr als aus der Innensicht. Seit Jahren steigt die Zahl der hier Lebenden, vor allem durch Einwanderung. Und so könnte es weitergehen: Bis 2030 rechnet die Forschungsabteilung der Deutschen Bank mit fast 86 Millionen Einwohnerinnen und Einwohnern. Das wären etwa drei Millionen mehr als heute. Was bedeutet das für Politik, Staatsfinanzen, Arbeits- und Wohnungsmarkt?

Kommt es so, setzte sich die Entwicklung der vergangenen Jahre fort. Seit 2011 stieg die Zahl der Bundesbürger von etwa 80 auf 83 Millionen. Viele Leute kamen ab 2015 wegen des Krieges in Syrien. „Wie in der Vergangenheit gehen wir von einer jährlichen strukturellen Zuwanderung von mehr als 300.000 Personen aus“, schreibt Autor Jochen Möbert im aktuellen Deutschland-Monitor von Deutsche Bank Research. Als Gründe nennt er einerseits Fluchtbewegungen, die mit dem Krieg Russlands in der Ukraine zusammenhängen, andererseits aber auch eine zunehmende, erwünschte Einwanderung in den hiesigen Arbeitsmarkt, beispielsweise vom Westbalkan oder aus Indien.

Ein derartiges, erhebliches Bevölkerungswachstum hat Vorteile für beide Seiten, bringt jedoch auch Probleme mit sich. Schon heute ist der Wohnungsmarkt vor allem in den großen Städten eng. Auch in ökologischer Hinsicht könnte die Lage komplizierter werden. Denn mehr Menschen verbrauchen mehr Ressourcen, könnten beispielsweise auch mehr klimaschädlichen Kohlendioxidausstoß verursachen. Wenn die Bundesregierung ihre Klimaziele einhalten will, muss sie wohl ihre Anstrengungen erhöhen – wobei schon die aktuellen Programme für den Ausbau der erneuerbaren Energien ziemlich ehrgeizig erscheinen.

Wirkungen für die Staatsfinanzen sind widersprüchlich

Widersprüchlich sind die Wirkungen für die Staatsfinanzen. Kommen viele Menschen als Flüchtlinge wie etwa aus Syrien oder der Ukraine, fallen zunächst beträchtliche Sozial- und Unterbringungskosten an. „Die öffentlichen Ausgaben für Geflüchtete sind anfangs höher als die Einnahmen“, sagt Kristina van Deuverden, Ökonomin am Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) in Berlin.

Nach und nach fangen die Geflüchteten aber an, hier zu arbeiten. „Mittelfristig steigen dann die öffentlichen Einnahmen durch Steuern und Sozialabgaben“, so van Deuverden, „wann die Bilanz positiv wird, hängt zum Beispiel von Alter und Qualifikation ab.“

Anders sieht es bei erwünschter und gesetzlich geförderter Einwanderung in den deutschen Arbeitsmarkt aus, etwa aus Westbalkan-Staaten wie Kosovo, Albanien, Bosnien, Montenegro oder auch aus Indien. In solchen Fällen „profitieren die öffentlichen Finanzen“, sagt van Deuverden. Denn die Voraussetzung für den Zuzug ist oft ein Arbeitsvertrag bei einer hiesigen Firma. „Die Neuankömmlinge zahlen dann schnell Steuern und Sozialbeiträge“, erklärt die Wirtschaftsforscherin. „Langfristig dürfte sich ein Großteil der Zuwanderung fiskalisch lohnen“, heißt es auch in der Studie der Deutschen Bank.

400.000 Zuwanderer pro Jahr nötig

Zumal der Arbeitskräftebedarf in Deutschland hoch ist und bleibt. Hierzulande gehen absehbar viel mehr Beschäftigte in Rente, als junge Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer nachkommen. Bereits jetzt macht sich der Mangel an Fachkräften in zahlreichen Branchen bemerkbar.

Nicht nur das Forschungsinstitut (IAB) der Bundesagentur für Arbeit in Nürnberg hält deshalb 400.000 Zuwanderer pro Jahr für nötig, um die hiesigen Unternehmen und Institutionen wie bisher mit Personal zu versorgen – eine Voraussetzung, um den hiesigen Wohlstand zu sichern. Als positiver Effekt weiterer Zuwanderung und steigender Bevölkerungszahl ist außerdem Wirtschaftswachstum zu erwarten. Mehr Menschen kaufen mehr, und die Unternehmen haben etwas zu tun.

Diese Entwicklung ist jedoch kein Selbstläufer. Gegenwärtig haben etwa 13 Prozent der hier Lebenden keinen deutschen Pass, gut ein Viertel hat einen Migrationshintergrund. Schon dieser Anteil, verbunden mit sporadischen Wanderungsschüben, führt mitunter zu politischen Spannungen. Um Millionen Neubürger zu integrieren, muss der Staat beispielsweise in Schulen, Sprachförderung und Wohnungsbau investieren.