Leben und Stil
Merken

Bundesverfassungsgericht stärkt Rechte leiblicher Väter

Das Thema ist emotional und juristisch umstritten: Eine Mutter verhindert, dass der Vater des gemeinsamen Sohnes rechtlich in der Rolle anerkannt wird. Nun entscheidet das höchste deutsche Gericht.

 3 Min.
Teilen
Folgen
NEU!
Das Bundesverfassungsgericht entscheidet an diesem Dienstag, ob die Rechte leiblicher Väter im Kampf um die rechtliche Vaterschaft für ihre Kinder gestärkt werden.
Das Bundesverfassungsgericht entscheidet an diesem Dienstag, ob die Rechte leiblicher Väter im Kampf um die rechtliche Vaterschaft für ihre Kinder gestärkt werden. © Uli Deck/dpa

Karlsruhe. Das Bundesverfassungsgericht will am Dienstag über die Klage eines leiblichen Vaters entscheiden, auch rechtlich in der Rolle anerkannt zu werden. Das Karlsruher Urteil könnte auch Hinweise für eine geplante Gesetzesreform geben. Denn die bisherige Rechtsprechung zur Vaterschaftsanfechtung ist umstritten. Bundesjustizminister Marco Buschmann (FDP) will die Rechtsposition von leiblichen Vätern stärken, die als rechtliche Väter Verantwortung für ihr Kind übernehmen möchten. (Az. 1 BvR 2017/21)

Im konkreten Fall aus Sachsen-Anhalt hatte die Mutter des heute dreijährigen Sohnes ihren neuen Lebensgefährten als Vater eintragen lassen, erst nachdem der biologische Vater einen Antrag auf Feststellung seiner Vaterschaft gestellt hatte. Das Gerichtsverfahren zog sich, und schließlich blitzte der leibliche Vater am Oberlandesgericht Naumburg ab.

Bisherige Rechtsprechung umstritten

Dieses berief sich auf den Bundesgerichtshof (BGH), demzufolge das Recht des biologischen Vaters auf Anfechtung der Vaterschaft ausnahmslos ausgeschlossen ist, wenn zwischen dem Kind und dem gesetzlichen Vater zum Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung am Familiengericht eine sozial-familiäre Beziehung besteht. Davon geht man aus, wenn der Mann und die Mutter verheiratet sind oder der Mann mit dem Kind längere Zeit in häuslicher Gemeinschaft zusammengelebt hat. Letzteres war in der konkreten Konstellation der Fall.

In der Praxis ist diese Sichtweise höchst umstritten. So sprach sich unter anderem die Bundesrechtsanwaltskammer für eine Änderung aus. Der Erfolg einer Anfechtung dürfe nicht davon abhängen, wie die rechtliche Vaterschaft zuvor erlangt wurde. Im Hinblick auf sich stetig weiterentwickelnde Beziehungs- und Partnerschaftsgefüge sei es auch nicht mehr vertretbar, die Ehe als Institut per se über die biologische Herkunft eines Kindes zu stellen.

Der Deutsche Anwaltverein hält die Rechtslage, so wie der BGH sie auslegt, sogar für verfassungswidrig. Er verweist auf eine frühere Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts: Demnach ist relevant, ob ein leiblicher Vater - als ihm die rechtliche Vaterschaft offenstand - alles getan hat, diese zu erlangen.

Minister Buschmann legte im Januar Eckpunkte zur Modernisierung des Abstammungsrechts vor. Darin enthalten ist eine Sperrwirkung eines Feststellungsverfahrens. "Solange ein gerichtliches Verfahren läuft, in dem ein Mann seine Vaterschaft feststellen lassen will, soll grundsätzlich kein anderer Mann die Vaterschaft für dieses Kind anerkennen können", heißt es dazu beim Ministerium. Die Gesetzentwürfe sollen noch im ersten Halbjahr 2024 folgen.

Gefahr für das Kindeswohl?

Fälle wie jener, der der Verfassungsbeschwerde zugrunde liegt, sind in der Praxis zwar eher selten, das Thema aber ist hoch emotional. In der mündlichen Verhandlung am höchsten deutschen Gericht im September hatten mehrere Fachleute aus dem Gebiet der Psychologie dargelegt, dass sich verändernde Beziehungs-, Partnerschafts- und Familiengefüge nicht zwangsläufig negativ auf das Kindeswohl auswirken müssen.

Davon war das Gericht bei seiner Entscheidung 2018 laut Verfassungsrichter Henning Radtke wegen möglicher Kompetenzstreitigkeiten und Rollenkonflikte ausgegangen. Es wird sich zeigen, ob die Richterinnen und Richter nun zu einer anderen Überzeugung gekommen sind. (dpa)