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Roland Kaiser wird 70: Sehnsucht, die wie Feuer brennt

Roland Kaiser, der größte Schlagerstar alter Schule, wird 70. Die spektakulärsten Partys gibt es aber erst im Sommer – und natürlich in Dresden.

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Nicht nur Schlagersänger und engagierter Demokrat: In Dresden war Roland Kaiser, der am Dienstag 70 Jahre alt wird, auch schon als Moderator und Stargast beim Semperopern-Ball im Einsatz.
Nicht nur Schlagersänger und engagierter Demokrat: In Dresden war Roland Kaiser, der am Dienstag 70 Jahre alt wird, auch schon als Moderator und Stargast beim Semperopern-Ball im Einsatz. © Sven Ellger

Von Andy Dallmann und Christian Schröder

Entschuldigungen können wehtun. Manchmal auch dem Zuhörer. Aus der cremigen Mea-Culpa-Ballade "It’s hard for me to say I’m sorry" der amerikanischen Rockband Chicago hat Roland Kaiser 1998 eine kernigere Selbstanklage gemacht. "Es sagt sich nicht so leicht, verzeih‘ mir", lautet der Refrain.

Begleitet von einem metallisch wabernden, ein Spinett nachahmenden Synthesizer stellt er fest: "Jeder braucht ein bisschen Zeit für sich allein / Um frei zu sein, um zu träumen." Finger schnipsen, Backgroundsänger säuseln "Uhuhuhuu". Kaiser singt in langen Bögen, Reue beschwört er mit Vibrato: "Die Freiheit hat mich nie frei gemacht / Es wurde bloß in meiner Seele Nacht." Gegen Ende heult eine E-Gitarre.

Um die Irrwege der Liebe, ums Begehren und Fremdgehen geht es in Kaisers Texten, eine Illustrierte bezeichnete ihn als "Softie-Pornograf". Die "Komponente Erotik" habe immer eine Rolle gespielt, sagt er selbst. Selbstironie gehört zu den Stärken des Sängers. "Wäre ja furchtbar, wenn jeder meine Schlager hören müsste", hat er in einem Interview befunden.

Den Durchbruch schaffte er 1977 mit "Sieben Fässer Wein", der von einem Junggesellenabschied erzählt und für Rex Gildo gedacht war. Das Trinklied ist ihm heute peinlich, er hat es aus der Konzert-Playlist gestrichen.

Seinen Hit "Santa Maria", der von Kolumbus‘ Flaggschiff handeln sollte, musste er auf Wunsch des Produzenten umschreiben. Die neuen Zeilen lodern heiß: "Santa Maria – Insel, die aus Träumen geboren / Ich hab meine Sinne verloren / In dem Fieber, das wie Feuer brennt."

Roland Kaiser steht seit Jahrzehnten auf der Bühne - und engagiert sich nicht nur für die Musik.
Roland Kaiser steht seit Jahrzehnten auf der Bühne - und engagiert sich nicht nur für die Musik. © dpa/Jan Woitas

Roland Kaiser, der mal Ronald Keiler hieß, hat seine Autobiografie "Sonnenseite" genannt. Dabei gab es in seinem Leben, das am 10. Mai 1952 in West-Berlin begann, auch viel Schatten. Von der Mutter in einem Korb vor einer Kirche abgelegt, wuchs er bei einer Adoptivmutter auf, die starb, als er 15 war. Seinen 70. Geburtstag kann er nur deshalb feiern, weil ihm eine Lungentransplantation 2010 das Leben rettete.

Vielleicht hat ihm diese Fügung das Gefühl gegeben, frei zu sein. Kaiser, der als Kind auf dem Schoß von Willy Brandt gesessen haben soll, ist zuletzt auch zu einem politischen Akteur geworden. Auf einer Anti-Pegida-Kundgebung in Dresden hat er gesagt: "Setzen wir der Angst vor dem Unbekannten die Neugier entgegen."

Für die SPD wäre es sicher eine gute Idee, bei den anstehenden Oberbürgermeisterwahlen mit Kaiser, der seit 2002 Mitglied der Partei ist, ins Rennen zu gehen. Die Wahrscheinlichkeit eines Sieges würde sich vervielfachen. Schließlich tritt Kaiser in Dresden nicht nur als engagierter Demokrat auf, hier baut er Brücken zwischen verschiedensten Schichten und Milieus. Wenn er singt, kommen sie alle zusammen.

Seit seinem ersten Konzert bei den Filmnächten am Elbufer entwickelte sich ein hemmungsloser Kult darum, der umgehend unter dem Titel "Kaisermania" zu einem Beispiel für grenzenloses Wachstum wurde.

Eines der "Kaisermania"-Konzerte im Jahr 2019 in Dresden.
Eines der "Kaisermania"-Konzerte im Jahr 2019 in Dresden. © kairospress

So spielte er 2015 als erster Künstler überhaupt vier Shows in einer Filmnächte-Saison und stellte zudem dank über 50.000 verkaufter Tickets einen Besucherrekord auf. In diesem Sommer wird es noch verrückter: Kaiser und seine Band absolvieren am Elbufer gleich sechs Auftritte. Selbstverständlich sind die Karten dafür längst vergriffen.

Ganz klar, es gibt inzwischen keinen deutschen Schlagerstar alter Schule, der größere Arenen füllt. Die Berliner Waldbühne, in der Kaiser als 13-Jähriger die Rolling Stones gesehen hat, ist bei ihm genauso ausverkauft wie das Dresdner Elbufer. Livehaftig bekommen seine Lieder ordentlich Disco-Wumms. Der Kaiser zeigt sich dabei stets mit Anzug und Krawatte, gern sogar im Smoking mit Fliege. Nicht nur, wenn er wie 2017 mit der Dresdner Philharmonie im Kulturpalast auftritt. Ein Entertainer halt, der standhaft bleibt.