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Lindner legt Bundeshaushalt vor: Alle müssen sparen – außer Pistorius

Mit dem Bundeshaushalt 2024 soll zum zweiten Mal nach der Pandemie die Schuldenbremse eingehalten werden. Auf manches Ministerium kommen schmerzhafte Einschnitte zu.

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Das Finanzministerium will in einen strikten Haushaltskurs verfolgen. Ausgaben und Maßnahmen müssten priorisiert, Einsparpotentiale identifiziert und realisiert werden, hieß es am Montag aus dem Ressort von Minister Christian Lindner (FDP).
Das Finanzministerium will in einen strikten Haushaltskurs verfolgen. Ausgaben und Maßnahmen müssten priorisiert, Einsparpotentiale identifiziert und realisiert werden, hieß es am Montag aus dem Ressort von Minister Christian Lindner (FDP). © Michael Matthey/dpa

Von Albert Funk

Der seit Monaten umstrittene Bundeshaushalt für 2024 steht – am Mittwoch wird das Kabinett das Zahlenwerk beschließen. Doch es enthält Kompromisse, die möglicherweise im weiteren Verfahren im Bundestag noch für Debatten in der Koalition sorgen könnten.

Vor allem um die Finanzierung der vor allem von den Grünen verlangten erweiterten Kindergrundsicherung hatte es bis zuletzt Streit gegeben. Die Grünen hatten verlangt, dass in der bis 2027 reichenden Finanzplanung zwölf Milliarden Euro für das erst 2025 startende Vorhaben eingestellt werden.

Die Vereinbarung sieht nun so aus, dass im Etat 2024 etwa 100 Millionen Euro zur Vorbereitung der Digitalisierung der Kindergrundsicherungsverwaltung bereitgestellt werden. Danach soll es eine Vorsorge in Höhe von zwei Milliarden Euro pro Jahr geben. Diese wird aber nicht dem Etat von Bundesfamilienministerin Lisa Paus (Grüne) zugeteilt, sondern steckt zunächst in einem Globalposten des Gesamtetats, den das Finanzministerium verwaltet.

Das Familienministerium bekommt allerdings über die bisherige Finanzplanung hinaus 1,9 Milliarden Euro zusätzlich bis 2027, um höhere Leistungen nach dem Kindergeld- und dem Unterhaltsvorschussgesetz abzudecken.

Der Etat 2024 soll laut Kabinettsentwurf ein Volumen von 445,7 Milliarden Euro haben, wie aus dem Finanzministerium verlautete. Das sind 32 Milliarden Euro weniger als in diesem Jahr. Damit wird haushaltspolitisch die Ausnahmephase beendet, in der wegen Pandemie und Ukraine-Krieg deutlich höhere Ausgaben zu leisten gewesen waren und in der die Notlagenklausel der Schuldenbremse bis ins laufende Jahr hinein zusätzliche Kredite im mittleren dreistelligen Milliardenbereich möglich machte.

Finanzminister Christian Lindner (FDP) will auch 2024 die Schuldenbegrenzung nicht lockern, auch das war ein Streitpunkt mit den Grünen. Im Ministerium wird betont, dass trotz der Rückkehr zum Normalniveau und trotz der Schuldenbremse die Investitionen über das Vorkrisenniveau hinausgingen.

Alle müssen sparen – außer Pistorius

Die Ampel reklamiert für sich, das Zwei-Prozent-Ziel der Nato im Etat 2024 zu schaffen. Allerdings gelingt das nur, indem zu den 51,8 Milliarden Euro für das Verteidigungsministerium im regulären Etat gut 19 Milliarden Euro aus dem Nebenhaushalt „Sondervermögen Bundeswehr“ für Waffenprojekte hinzuaddiert werden. Ob diese Anschaffungen 2024 in dem Umfang gelingen, ist aber unklar.

Zum Ausgleich des nächsten Etats und zur weitgehenden Deckung der Finanzplanung gibt es allerdings einige deutliche Einschnitte:

  • So wird der Zuschuss des Bundes an die soziale Pflegeversicherung in Höhe von einer Milliarde Euro gestrichen.
  • Der Bundeszuschuss an die gesetzliche Krankenversicherung wird auf dem Niveau von 2023 eingefroren.
  • Der zusätzliche Bundeszuschuss zur Rentenversicherung soll ab 2024 gesenkt werden.
  • Die Ausgabendynamik beim Elterngeld soll „gedämpft“ werden, wie es heißt

Zudem müssen alle Minister – mit Ausnahme von Wehrminister Boris Pistorius (SPD) - in den kommenden Jahren zusammen noch 3,5 Milliarden Euro an Einsparungen erbringen. Diese Lücke zu schließen, ist in den Etatverhandlungen nicht gelungen und wird somit auf Wiedervorlage gestellt. Aufgelöst wird das Sondervermögen Digitale Infrastruktur. Damit fließen dem nächsten Etat 4,8 Milliarden Euro zu. Das dürfte vor allem die Länder interessieren, denn an sie gingen die Mittel des Digitalfonds in nicht geringem Umfang.

Dass zum Kabinettsbeschluss laut Finanzministerium auch gehören soll, dass der Bund künftig gemeinsame Programme mit den Ländern grundsätzlich nur noch zur Hälfte finanziert, dürfte für zusätzliche Diskussionen mit dem Bundesrat führen. Lindner hatte den Ländern solche Schritte schon vorab angedeutet – er ist der Ansicht, dass die Länder- und Kommunalhaushalte weniger wacklig sind als die des Bundes.

Trotz des Drucks aus dem Finanzministerium (seit Ende Mai unterstützt aus dem Kanzleramt) ist es der Koalition nicht gelungen, Lücken in der Finanzplanung ab 2025 zu schließen. Zusammen beläuft sich die Unterdeckung bis 2027 auf 14,4 Milliarden Euro.

Das Finanzministerium will deshalb in den kommenden Jahren einen strikten Haushaltskurs verfolgen. Ausgaben und Maßnahmen müssten priorisiert, Einsparpotentiale identifiziert und realisiert werden, hieß es am Montag aus dem Ressort von Minister Christian Lindner (FDP).

„Man kann nicht von einem Streichkonzert sprechen“, hieß es aus dem Ministerium. Es sei nur außerordentlich schwierig gewesen, alle Ministerien auf den Finanzplan zu verpflichten. „Im Zentrum des Haushalts steht die quantitative Konsolidierung in Zeiten der Inflation, das heißt raus aus den Schulden“, hieß es weiter.

Priorität hätten in den nächsten Jahren die Aufgabenfelder Verteidigung, Digitalisierung und Klimaschutz, hieß es. Zugleich hieß es mit Blick etwa auf Sozialausgaben, immer mehr Mittel seien gebunden, die Spielräume würden immer geringer.

Wenn das Füllen des Lochs nicht durch weitere Einsparungen gelingt, muss die Koalition darauf hoffen, dass die Konjunktur etwas besser läuft in den kommenden Jahren und die Steuerquellen stärker sprudeln.

Ein Risiko bleibt der Zins: Bei hartnäckiger Inflation und einer länger als bisher angenommenen restriktiven Politik der Europäischen Zentralbank könnte die Zinslast des Bundes stärker wachsen als bisher geplant.