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Abfällige Äußerungen über Ostdeutsche belasten Springer-Chef Döpfner

Bisher unveröffentlichte Mails und Dokumente lassen Rückschlüsse auf das Weltbild des Chefs von Axel Springer zu. Von Ostdeutschland scheint Mathias Döpfner wenig zu halten. Der Ostbeauftragte ist erschüttert.

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Mathias Döpfner ist seit 2002 Vorstandsvorsitzender von Axel Springer. In dem Verlag erscheinen unter anderem die Medienmarken "BILD" und "WELT".
Mathias Döpfner ist seit 2002 Vorstandsvorsitzender von Axel Springer. In dem Verlag erscheinen unter anderem die Medienmarken "BILD" und "WELT". © Kay Nietfeld/dpa

Von Juliane Schäuble, Maria Fiedler, Felix Hackenbruch (alle Tagesspiegel) und Fabian Deicke (SZ)

Nach der Veröffentlichung brisanter Chatnachrichten von Axel-Springer-Chef Mathias Döpfner gibt es aus der Politik scharfe Kritik. Der Ostbeauftragte der Bundesregierung, Carsten Schneider (SPD), hält Döpfner für "nicht mehr tragbar".

In den Zitaten, die die "Zeit" samt darin enthaltener Rechtschreibfehler veröffentlichte, ging es zum Beispiel um abfällige Bemerkungen über Ostdeutschland. 2019 soll der Konzern-Chef geschrieben haben: "Die ossis werden nie Demokraten. Vielleicht sollte man aus der ehemaligen ddr eine Agrar und Produktions Zone mit Einheitslohn machen." Döpfner soll auch erklärt haben: "Die ossis sind entweder Kommunisten oder faschisten. Dazwischen tun sie es nicht. Eklig."

"Die Medien sollten ein realistisches Bild unserer Gesellschaft zeichnen", sagt nun der Ostbeauftragte Schneider. Dazu gehöre auch die Perspektive der Ostdeutschen. "Die Gedanken von Herrn Döpfner zeigen nicht nur Verachtung für diese Perspektive und die Menschen, sondern auch für die Demokratie", erklärt Schneider weiter. Die Spaltung unseres Landes dürfe kein Geschäftsmodell sein, heißt es schließlich auf Schneiders Twitter-Account.

Neben den Meinungsäußerungen zum Osten enthalten die geleakten Mitteilungen auch Zündstoff zu anderen Themen. In ihrer Gesamtschau lassen die Aussagen Rückschlüsse auf ein fragwürdig bis radikales Weltbild zu.

So soll Döpfner etwa Sympathien für den ehemaligen US-Präsidenten Donald Trump geäußert haben. Man solle dem momentan in den USA vor Gericht stehenden Ex-Präsidenten den 2009 an Vorgänger Barack Obama verliehenen Friedensnobelpreis geben. Angela Merkel, die in der Kommunikation abgekürzt "M" genannt wird, sei der "Sargnagel der Demokratie".

"Please Stärke die FDP"

Brisant sind Aussagen über die FDP, die Döpfner im Zuge der Bundestagswahl 2021 als seine "letzte Hoffnung" bezeichnet haben soll und sich demnach für die Partei ein Ergebnis von 16 Prozent wünschte. Es wurden schließlich 11,5 Prozent.

Die veröffentlichten Dokumente zeigen, wie Döpfner offenbar versuchte, den Ausgang der Wahl über die von Springer herausgegebenen Medienmarken "WELT" und "BILD" zu beeinflussen. In Nachrichten, die mutmaßlich an den damaligen Chefredakteur Julian Reichelt gingen, heißt es: "Nur wenn die sehr stark wird – und das kann sein – wird das grün rote Desaster vermieden. Können wir für die nicht mehr tun."

Sechs Wochen vor der Wahl schreibt Döpfner schließlich: "Please Stärke die FDP. Wenn die sehr stark sind können sie in Ampel so autoritär auftreten dass die platzt. Und dann Jamaika funktioniert."

FDP-Chef Christian Lindner äußerte sich zurückhaltend zu seinem Verhältnis zu Mathias Döpfner. Danach gefragt, sagte er dem "Tagesspiegel" am Donnerstag lediglich: "Ich pflege mit vielen Journalistinnen und Journalisten einen regelmäßigen Austausch."

Und: "Zu internen Vorgängen von Verlagen oder Redaktionen können wir keine Stellungnahme abgeben." Eine Antwort hatte er allerdings auf die Frage, ob er mit Döpfner seit der Enthüllung bereits Kontakt gehabt habe: "Nein."

Besondere Nähe: Axel-Springer-Chef Mathias Döpfner (Mitte) wünschte sich vor der Bundestagswahl 2021 eine starke FDP. Das Bild zeigt Döpfner im Rahmen einer Veranstaltung des Bundesverbandes Deutscher Zeitungsverleger neben FDP-Chef Christian Lindner (lin
Besondere Nähe: Axel-Springer-Chef Mathias Döpfner (Mitte) wünschte sich vor der Bundestagswahl 2021 eine starke FDP. Das Bild zeigt Döpfner im Rahmen einer Veranstaltung des Bundesverbandes Deutscher Zeitungsverleger neben FDP-Chef Christian Lindner (lin © Jörg Carstensen/dpa

Von den Grünen kommt unterdessen scharfe Kritik an Döpfners Äußerungen. Erhard Grundl, medienpolitischer Sprecher der Grünen-Fraktion im Bundestag, sagte: "Die beleidigenden, diffamierenden und geschichtsvergessenen Aussagen von Mathias Döpfner und die Versuche politisch über seine Position im Axel-Springer-Verlag Einfluss in Deutschland zu nehmen, sind unentschuldbar."

Als Vorstandsvorsitzender des Verlages verlasse und verletze er damit den demokratischen Diskurs im Land. "Der Springer Verlag muss jetzt schnell und deutlich klarstellen, ob Herr Döpfner mit seinem kolportierten Welt- und Menschenbild noch zum Verlag und zum in Deutschland herrschenden Pressekodex passt. Ich denke, es passt nicht."

Kühnert: Enthüllungen können niemanden ernsthaft überraschen

SPD-Generalsekretär Kevin Kühnert sagte dem Tagesspiegel, die neuen Enthüllungen um Döpfner und sein Umfeld könnten "niemanden ernsthaft überraschen". "BILD"-Leser von Greifswald bis Eisenach sehen nun schwarz auf weiß, dass sie mit jedem Kauf am Kiosk die finanzielle Grundlage dafür legen, auch morgen wieder von Döpfners Befehlsempfängern durch den Kakao gezogen zu werden."

Weiter sagte Kühnert: "Die Verachtung ganzer Bevölkerungsgruppen kommerziell zu vermarkten, ist schäbig und lässt charakterlich tief blicken." Die SPD sei stolz darauf sagen zu können, dass sie ihren Erfolg bei der Bundestagswahl aus eigener Kraft errungen habe.

Aus Springer-Kreisen verlautete nach Informationen der Deutschen Presse-Agentur am Donnerstag als Reaktion, der "Zeit"-Artikel bestehe aus "manipulativen SMS-Fetzen". Döpfner sei ein meinungsstarker Verlagschef, der aus Prinzip immer Gegenmeinung und Widerspruch herausfordere und dafür immer mal wieder polemisiere. Man lasse sich an dem messen, was in den Publikationen des Verlags stehe, nicht an angeblichen Ausschnitten aus persönlichen Chats.

Fest steht aber: Mit dem Wirbel um Döpfners Aussagen kommt der Springer-Konzern auch weiter nicht zur Ruhe. Kürzlich sorgte der Wechsel der kompletten "BILD"-Chefredaktion für Schlagzeilen, im Oktober 2021 der Rauswurf Julian Reichelts. Dem früheren "BILD"-Chef wurde in einem Compliance-Verfahren mutmaßliches Fehlverhalten im Umgang mit Mitarbeiterinnen vorgeworfen. (tsp mit SZ/fad)