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Dicke Luft in Bautzen?

Die Deutsche Umwelthilfe kritisiert die hohe Belastung mit Stickdioxid. Die Behörden sehen keine Gefahr.

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© Uwe Soeder

Von Miriam Schönbach

Bautzen. Der Fußgängerüberweg an der Montessori-Schule und dem Katholischem Kinderhaus in Bautzen lässt die Autos stoppen. Immer dichter drängen sich die Fahrzeuge selbst an diesem Ferienvormittag. Katrin Albrecht schaut auf den Rückstau. „Wenn ich früh meine Tochter in die Schule bringe, gibt es Tage, an denen man kaum noch Luft bekommt“, sagt die 47-Jährige. Wegen des Abgasalarms auf der Tzschirnerstraße hat sich die Mutter nun bei der bundesweiten Aktion „Decke auf, wo Atmen krank macht“ beteiligt. Die Messung am Standort ergab im Monat Februar mit 30,2 Mikrogramm pro Kubikmetern eine hohe Belastung mit dem Stickstoffdioxid (NO2).

Mithilfe eines Passivsammlers wurde auch in der Bautzener Tzschirnerstraße im Februar der Stickstoffdioxid der Luft gemessen.
Mithilfe eines Passivsammlers wurde auch in der Bautzener Tzschirnerstraße im Februar der Stickstoffdioxid der Luft gemessen. © DUH

Die Aktion zur sauberen Luft hat die Deutsche Umwelthilfe (DUH) initiiert. Neben dem Bautzener Standort haben in ihrem Auftrag vom 1. Februar bis 1. März Freiwillige an 559 Messorten in Deutschland die Luftqualität gemessen. Wie die Organisation mitteilte, wurden dabei mehr als doppelt so viele verkehrsnahe neue Messorte untersucht als im behördlichen Messnetz. Katrin Albrecht hat ihre Passivsammler – kleine Plexiglasröhrchen – an einem Verkehrsschild auf Höhe des Montessori-Horts angebracht. „Das Thema Luftverschmutzung beschäftigt unseren Elternrat schon länger. Nicht nur unsere Schule ist ja hier unmittelbar betroffen“. sagt sie. In direkter Nachbarschaft liegen zwei Kindergärten und die Schulhöfe der Bautzener Gymnasien. Ursache für das giftige Stickstoffdioxid in der Luft sind nach DUH-Aussagen vor allem die ungefilterten Abgase der Dieselmotoren.

12 860 vorzeitige Todesfällen in Deutschland

Aufgrund der Messungen im Februar attestiert die DUH 426 Städten eine „gesundheitlich gefährliche Konzentration des Dieselabgasgifts“. Insgesamt wurden 67 neue Standorte mit Überschreitungen des derzeitigen EU-Grenzwerts von 40 Mikrogramm pro Kubikmeter identifiziert. An 181 Standorten wurden 30 bis 40 Mikrogramm pro Kubikmeter gemessen und 251 Standorte mit 20 bis 30 Mikrogramm pro Kubikmeter. Besonders dicke Luft ist dabei in den Städten Berlin, Stuttgart, Köln und Düsseldorf. Nur an 60 Standorten lag der im Februar ermittelte Stickstoffdioxid-Wert unter 20 Mikrogramm pro Kubikmeter. Hinsichtlich der Messungen und aktueller Studien zu Gesundheitsschäden, die bereits ab 20 Mikrogramm pro Kubikmeter auftreten können, fordert die Umweltorganisation eine Herabsetzung des derzeitigen EU-Standards. Die Europäische Umweltagentur EEA bezifferte im Herbst 2017 in ihrem Bericht zur Luftqualität in Europa die gesundheitlichen Folgen durch die Verschmutzung mit Dieselabgasen mit 12 860 vorzeitigen Todesfällen in Deutschland.

Stickstoffoxide – Gefahren und Grenzwerte

Als Stickstoffoxide werden gasförmige Verbindungen bezeichnet, die aus den Atomen Stickstoff und Sauerstoff aufgebaut sind. Sie entstehen bei Verbrennungsprozessen. In Ballungsgebieten ist der Straßenverkehr die wichtigste Quelle.

Laut Umweltbundesamt können sie viele negative Auswirkungen haben. Sie sind für die Ozonbildung verantwortlich und tragen zur Feinstaubbelastung bei.

Gesundheitlich sind Stickstoffoxide, insbesondere Stickstoffdioxide, vor allem für Asthmatiker ein Problem. Sie können aber auch Pflanzen schädigen. Zudem tragen sie zur Überdüngung und Versauerung der Böden und Gewässer bei.

Zum Schutz der Gesundheit wurde europaweit für Stickstoffdioxid der 1-Stunden-Grenzwert von 200 Mikrogramm pro Kubikmeter festgelegt, der nicht öfter als 18-mal im Kalenderjahr überschritten werden darf. Der Jahresgrenzwert beträgt 40 Mikrogramm pro Kubikmeter. Zum Schutz der Vegetation wird ein kritischer Wert von 30 Mikrogramm pro Kubikmeter als Jahresmittelwert verwendet.

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Für das behördliche Messnetz in Sachsen ist das Landesamt für Umwelt, Landwirtschaft und Geologie (LfULG) in Dresden zuständig. Wie Sprecherin Karin Bernhardt mitteilte, handele es sich bei der Passivmessung auf der Tzschirnerstraße um keine qualitätsgesicherte Messung. Bei der LfULG-Messstation in der Stieberstraße/ Ecke Goethestraße würden im Zehn-Minuten-Takt rund um die Uhr auch die Stickstoffdioxide ermittelt. Daraus würden Stunden- und Jahresmittelwerte zusammengefasst. Zudem werden auch alle über das Jahr auftretenden Schwankungen – zum Beispiel durch starke Frostperioden oder ausgeprägte Hochdruckwetterlagen – erfasst. „Das kann die einmonatige Messung mit einem Passivsammler nicht erfüllen“, sagte die LfULG-Sprecherin. Auch sei es nicht möglich, von einem Monatsmittel auf das ganze Jahr zu schließen.

Grenzwert in Bautzen wird eingehalten

Trotzdem könne man aber Aussagen zur Luftqualität zur Tzschirnerstraße treffen. „Aufgrund einer Verkehrsbelegung mit 7 000 Kraftfahrzeugen am Tag, davon 400 Lkw, und einer beidseitigen Bebauung wäre ein Jahresmittelwert von 31 Mikrogramm Stickstoffdioxid pro Kubikmeter zu erwarten. Der gesetzliche Jahres-Grenzwert für chronische Belastung wird damit eingehalten“, heißt es aus dem LfULG. Überschritten wird der Jahresgrenzwert von 40 Mikrogramm pro Kubikmeter in Sachsen unter anderem an den Messstellen Dresden-Bergstraße, Leipzig-Lützner Straße und Leipzig-Mitte. Insgesamt betreibt der Freistaat zur Überwachung der Luftqualität ein landesweites Luftmessnetz mit 29 Messstationen.

Katrin Albrecht wünscht sich, dass die Messung des Stickstoffdioxids in Bautzen Autofahrer und Stadtverwaltung zum Nachdenken anregen. „Wir überlegen, ob wir auf ein Elektroauto umsteigen. Aber die Autohändler sind, nach unserer Ansicht, darauf noch gar nicht eingestellt“, sagt sie. Große Hoffnungen macht sie sich aber nicht, dass der Abgasalarm demnächst vor der Montessori-Schule abebbt. Schließlich müssten, solange die Baustelle auf der Zeppelinstraße sei, die Fahrzeuge morgens und am Nachmittag irgendwo lang. Die Deutsche Umwelthilfe will indes im Juni ihre Messaktion zur dicken Luft wiederholen – vielleicht hängen dann auch wieder Passivsammler in der Tzschirnerstraße.