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Die vergessene Witwenrente

Die Angeklagten betrügen das Jobcenter um rund 8000 Euro. Sie hätten aus Verzweiflung gehandelt, sagt die Frau.

Von Jürgen Müller
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Beim Ausfüllen des Antrages auf Arbeitslosengeld II hat ein Paar getrickst und so mehrere Tausend Euro erhalten, die ihm gar nicht zustanden. (Symbolfoto)
Beim Ausfüllen des Antrages auf Arbeitslosengeld II hat ein Paar getrickst und so mehrere Tausend Euro erhalten, die ihm gar nicht zustanden. (Symbolfoto) © dpa

Meißen. Das 58 und 59 Jahre alte Paar ist völlig aufgeregt. Noch nie haben die beiden vor Gericht gesessen. „Wir haben in den letzten Wochen kaum gegessen und wenig geschlafen“, sagt der Mann. Ungeduldig sitzen sie vor dem Gerichtssaal des Meißner Amtsgerichtes. Sie möchten die Sache gern hinter sich bringen. Und dann beginnt ihre Verhandlung auch noch 45 Minuten später.

Es ist kein Kavaliersdelikt, was die Staatsanwältin den beiden vorwirft. Sie sollen das Jobcenter um insgesamt fast 8.000 Euro betrogen haben. Gewerbsmäßiger Betrug nennt sich das, dafür gibt es Strafen von sechs Monaten bis zu zehn Jahren. Die beiden leben seit einiger Zeit zusammen, die Frau ist Witwe, der Mann geschieden und arbeitslos. Deshalb beantragte er beim Jobcenter Arbeitslosengeld II, landläufig „Hartz IV“ genannt. 

Die beiden gelten als „Bedarfsgemeinschaft“. Die Frau ist berufstätig, gibt ihr Einkommen auch korrekt an. Eines aber „vergisst“ sie. Dass sie eine Witwenrente von mehr als 400 Euro im Monat bezieht. Diese wird auf ein separates Konto gezahlt. Die Rente und das Konto geben die beiden in ihrem Antrag nicht an. Und so zahlt das Jobcenter über viele Monate zu Unrecht insgesamt 6 847 Euro. Damit aber nicht genug. Das Jobcenter kommt den beiden nämlich durch einen Datenabgleich auf die Schliche. Darauf angesprochen beteuert die Frau gegenüber der Mitarbeiterin, sie beziehe keine Witwenrente. Mit dem Datenabgleich könne sie nichts anfangen. Und so zahlt das Amt treu und brav weiter, 381 Euro im Monat, insgesamt 1 143 Euro. Wäre die Witwenrente ordnungsgemäß angegeben worden, hätte der Mann keinerlei Anspruch auf Unterstützung mehr gehabt.

Die Frau gibt die Taten zu, sucht aber nach allerlei Ausflüchten. „Ich war krank, konnte nicht mehr klar denken, war total überfordert“, sagt sie unter Tränen. Sie habe ihr ganzes Leben lang gearbeitet, bekomme nur den Mindestlohn, habe niemals staatliche Unterstützung beantragt. Ihr Mann sei selbstständig gewesen. Zehn Jahre nach seinem Tod habe sie vom Finanzamt eine Steuernachforderung von rund 8 000 Euro erhalten. Diese habe sie mit der Witwenrente abzahlen wollen. „Ich wollte die Schulden weghaben, das war eine Riesenlast. Und ich hatte Angst, dass man mir die Witwenrente auch noch wegnimmt“, sagt sie. Das Konto, auf das die Witwenrente gezahlt wurde, habe sie nicht angegeben, weil es gepfändet wurde. „Das war mir unangenehm“, sagt sie.

Als der Schwindel aufgeflogen war, logen die beiden weiter. „Wir waren zu feige und haben uns geschämt“, sagt der Mann. Ihm wurde inzwischen vom Jobcenter die Stütze ganz gestrichen. In kleinen Raten von 38 Euro im Monat zahlt die Frau jetzt das zu viel gezahlte Geld an das Jobcenter zurück. Nach anfänglichen Ausflüchten geben die beiden die Taten jetzt unumwunden zu. „Ich bereue das ganz doll, habe aus Verzweiflung gehandelt“, sagt die Frau. Und ihr Partner beteuert, so etwas werde nie wieder vorkommen.

Der Richter spricht von einem klassischen Eigentor, geht nur von einer Handlung aus. Die Angaben seien einmal falsch gemacht worden, dann floss das Geld immer weiter, sagt er. Mit Haftstrafen von jeweils drei Monaten, die für zwei Jahre zur Bewährung ausgesetzt werden, bleibt er am untersten möglichen Strafrahmen. Beide nehmen das Urteil sofort an. „Unser Fehler war, dass wir zusammengezogen sind“, sagt die Frau.