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Diebin im eigenen Laden

Eine Verkäuferin soll eine teure Ledertasche gestohlen haben. Sie streitet das heftig ab. Aber alle Beweise sprechen gegen sie.

Von Jürgen Müller
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Auf den ersten Blick sieht man der Tasche den Wert von 240 Euro nicht unbedingt an. Ein solches Stück soll die Angeklagte gestohlen haben.
Auf den ersten Blick sieht man der Tasche den Wert von 240 Euro nicht unbedingt an. Ein solches Stück soll die Angeklagte gestohlen haben. © Claudia Hübschmann

Meißen. Ladendiebstähle sind ein großes Problem für Händler. Trotz Ladendetektiven und Videoüberwachung wird nur ein Bruchteil der Täter erwischt. Doch selbst modernste Technik hätte in diesem Fall wohl nicht geholfen. 

In einem Meißner Lederwarengeschäft wurde eine 240 Euro teure Tasche gestohlen. Doch offensichtlich nicht von einem Kunden. Die Täterin soll aus dem eigenen Laden kommen. Wegen Diebstahls sitzt jedenfalls die Verkäuferin vor Gericht.

Mit einem regelrechten Redeschwall wehrt sie sich gegen den Vorwurf. „Ich habe das nicht gemacht, das schwöre ich bei meinem Leben. Dass ich den Diebstahl nicht begangen habe, sage ich unter Eid aus“, sagt sie. 

Der Richter belehrt sie, dass Angeklagte in Deutschland nicht vereidigt werden. Wer einer Straftat beschuldigt wird, hat sogar das Recht zu lügen. Schließlich muss kein Angeklagter seine Unschuld beweisen, sondern das Gericht muss ihm zweifelsfrei die Schuld nachweisen.

Und das ist in diesem Fall gar nicht so schwer. Die Mit-Geschäftsinhaberin hatte zur Verhandlung das Kassenbuch mitgebracht. In dieses wird jeder Verkauf penibel eingetragen. Es ist keine verkaufte Ware mit einer Summe nur annähernd in der Höhe von 240 Euro im fraglichen Zeitraum eingetragen. Sie selbst hatte zuvor eine ähnliche Tasche verkauft. Und erinnert sich genau daran, dass eine zweite Ledertasche gleicher Art noch im Regal stand. 

Ein paar Tage später klaffte an dieser Stelle eine Lücke. Nur die Angeklagte, die geringfügig beschäftigt war, hatte in dieser Zeit als Verkäuferin in dem Geschäft gearbeitet. Zudem findet die Mit-Inhaberin des Geschäftes im Papierkorb das Etikett aus der besagten Tasche und Füllmaterial.

Bei einer Hausdurchsuchung bei der Angeklagten wurde die Tasche übrigens nicht gefunden. Diese Durchsuchung fand allerdings sieben Wochen nach der Tat statt. Genügend Zeit, um die Tasche verschwinden zu lassen oder zu verkaufen, merkt der Richter an.

Die Angeklagte hat ihre Mutter als Zeugin mitgebracht. Diese hat sich hin und wieder in dem Geschäft aufgehalten, habe auch mal die Fenster geputzt. An jenem Tag, an dem die Angeklagte die Tasche verkauft haben will, soll sie ebenfalls im Laden gewesen sein. 

Ja, eine blonde, schlanke Frau habe eine sehr teure Tasche gekauft, sagt die Mutter. Sie habe in bar bezahlt, wie viel Geld es gewesen sei, wisse sie aber nicht. Es seien aber mehrere 50er Scheine gewesen, sagt sie. Als ihr der Richter das Foto einer Tasche ähnlich wie der gestohlenen zeigt, sagt sie, eine solche Tasche sei es nicht gewesen.

Im „Sündenregister“ der Angeklagten, das der Richter verliest, stehen vier Verurteilungen. So wurde sie schon einmal zu einer Haftstrafe von sieben Monaten wegen Betruges in 15 Fällen verurteilt. Die Strafe wurde zur Bewährung ausgesetzt. 

Drei Geldstrafen von insgesamt 2.425 Euro gab es erneut wegen Betruges, aber auch wegen Nachstellung, Urkundenfälschung und Körperverletzung sowie wegen Gefährdung des Straßenverkehrs. Der Inhaber des Geschäftes ist entsetzt. „Wenn wir das gewusst hätten, wäre die Frau nie eingestellt worden“, sagt er der SZ.

Auch diesmal setzt es eine Geldstrafe.

Gericht und Staatsanwaltschaft haben keinerlei Zweifel, dass die Angeklagte die Tasche gestohlen hat. Der Richter hält die Mit-Geschäftsinhaberin für sehr glaubwürdig und lobt die Buchführung. Die Angeklagte wird zu einer Geldstrafe von 1 400 Euro verurteilt. Zudem ordnet das Gericht Wertersatz an, das heißt, die Staatsanwaltschaft wird den Wert der Tasche von 240 Euro bei der Angeklagten eintreiben und dieses Geld an die Geschädigte zahlen.

Die Angeklagte kündigt an, in Berufung gehen zu wollen und versteigt sich in Verschwörungstheorien: „Ich werde doch nur verurteilt, weil ich Deutsche bin“, sagt sie. Dabei hatte sie sich in der Verhandlung praktisch selbst verraten: „Sie können mir gar nicht beweisen, dass ich etwas gestohlen habe“, sagte sie dem Richter. Berufung hat sie dann doch nicht eingelegt. Das Urteil ist damit rechtskräftig.

Wenig überraschend: Nach dem Diebstahl wurde ihr fristlos gekündigt.