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Obercarsdorf sucht sein Zentrum

Bei der zweiten Runde von "Unser Dorf hat Zukunft" empfingen die Obercarsdorfer Jurymitglieder aus ganz Sachsen - größtenteils unter freiem Himmel.

Von Siiri Klose
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Karelli Krischker (li.) mit Jurymitgliedern und neugierigem Pferd auf Göhlers Pferdehof.
Karelli Krischker (li.) mit Jurymitgliedern und neugierigem Pferd auf Göhlers Pferdehof. © Egbert Kamprath

Wie immer brauchen die Obercarsdorfer noch ein bisschen Geduld. Erst am 3. November gibt das sächsische Ministerium für Regionalentwicklung bekannt, welches sächsische Dorf beim Landeswettbewerb "Unser Dorf hat Zukunft" das Rennen gemacht hat. Insgesamt 15 Örtchen in ganz Sachsen hatte die Jury besucht, die wiederum das Umweltministerium entsandt hatte.

Obercarsdorf war letzten Freitag fast am Ende der Liste dran - danach kam nur noch Gohrisch. Ortsvorsteherin Karelli Krischker empfing die zehn Jurymitglieder wie schon beim letzten Mal auf dem Pferdehof Göbel, unterstützt von Oberbürgermeisterin Kerstin Körner und verfolgt von den neugierigen Blicken der Stallbewohner.

Dörfer sind schwer zu vergleichen

"Wir waren auch in ganz kleinen Orten mit kaum 100 Einwohnern", sagt Annette Decker später beim Rundgang durch Obercarsdorf. Sie ist Landschaftspflegerin beim Umweltamt und in der Jury zuständig für die Bewertung des Punktes "Grüngestaltung und das Dorf in der Landschaft." "Da wird es schwierig mit dem Vergleichen."

Drei weitere Punkte fließen ebenfalls zu gleichen Teilen in die Bewertung ein: Entwicklungskonzepte und wirtschaftliche Initiativen im Ort, soziale und kulturelle Aktivitäten und die Baugestaltung und Siedlungsentwicklung. Dafür sind Touristiker, Denkmalpfleger, eine Architektin und ein Fachplaner für barrierefreies Bauen dabei.

Bewährte Runde vom ersten Wettbewerb

Diese Kriterien galten bereits in der ersten Runde im Juni, als sich Obercarsdorf und Gohrisch als Vertreter des Landkreises Sächsische Schweiz-Osterzgebirge für das nächste, diesmal sachsenweite Auswahlverfahren qualifizierten. Das Jury-Empfangskomitee um Ortsvorsteherin Karelli Krischker griff am Freitagmorgen folgerichtig auf das bewährte Vorgehen von damals zurück, verteilte den Tross auf drei Busse und steuerte zielstrebig die Aussichtsbank an der Straße nach Sadisdorf an - denn wo ließe sich die Lage vom Dorf in der Landschaft besser beurteilen als von hier oben aus?

Zumal sich das Gelbgrün der Pappelplantage vom Bioenergiehof Böhme bestens abzeichnet. "Holz als nachwachsender Rohstoff, aus dem Hackschnitzel zum Heizen gemacht werden", erklärt Krischker und kann damit gleich einen Punkt für wirtschaftliche Initiativen einheimsen. Ohnehin steht Obercarsdorf auch in diesem Punkt gut da: Mit den Sachsenküchen an der B170 haben sie ein deutlich sichtbares wirtschaftliches Schwergewicht mit 280 Angestellten im Ort.

Leerstelle Dorfgemeinschaftszentrum

Die sozialen und kulturellen Aktivitäten hingegen können die Obercarsdorfer zwar glaubwürdig erzählen, doch einen Ort gibt es dafür nicht - und das ist gleichzeitig die größte Leerstelle, unter der das Dorf leidet. Im Juli musste Karelli Krischker die Sitzung des Obercarsdorfer Ortschaftsrates absagen, weil der Gasthof an der B170 kurzfristig wegen Krankheit schloss. Inzwischen steht er auf Immobilienportalen zum Verkauf.

Nicht nur die Räte haben nun keinen Sitzungsort mehr, auch Vereine und Seniorentreffen müssen ihre Zusammenkünfte notfalls in Privatwohnungen verlegen. Dass Obercarsdorf über kein Dorfgemeinschaftshaus verfügt, fällt bei kühlem Herbstwetter noch deutlicher auf als im Sommer, als sich noch viele Treffen unter freiem Himmel improvisieren ließen. Für Seniorenweihnachtsfeiern und Kinderfasching gibt es keinen geeigneten Raum.

Viele Ideen, aber kein Geld

"Dabei mangelt es uns nicht an Ideen", sagt Krischker, "wir schlagen schon lange vor, den alten Bauhof zu sanieren." Das Haus gehört der Gemeinde, hat ringsum genügend Platz und wird teilweise von Jugendlichen als Jugendklub genutzt. "Früher haben sich in den anderen Räumen auch Vereine getroffen, aber inzwischen sind sie so baufällig und modrig, dass das nicht mehr geht."

Die größte Hürde für den Ort ist das Geld: "Allein die Planungskonzepte, die für eine Bewerbung für Fördermittel nötig sind, kosten oft schon 10.000 Euro." Bisher schafften es die Obercarsdorfer nicht, diesen Eigenanteil im Dippoldiswalder Haushalt zu verankern - vielleicht auch, weil der Ort erst seit 2014 in Dippoldiswalde eingemeindet wurde.

Oberbürgermeisterin Kerstin Körner wiederum verweist auf die 20 Ortsteile, die zu Dippoldiswalde gehören, und die alle ihre Wünsche haben. Dennoch sagt auch sie: "Wenn wir die Ortsteile entwickeln, entwickeln wir die ganze Stadt."

Dorfwerkstatt belebt das Dorf neu

Weil ein allgemeiner Treffpunkt fehlt, verlagerten sich in der Vergangenheit viele Obercarsdorfer Initiativen in den privaten Bereich. Mit dem Ergebnis, dass sich die Bewohner aus den Augen verloren. Der Workshop "Dorfwerkstatt", der mit zum Bewerbungsverfahren des Dorfwettbewerbs gehört, war dann auch ein Hauptgrund für die Teilnahme: "Wir wollten einen Treffpunkt generieren, wo wir wieder miteinander ins Gespräch kommen", sagt Krischker.

Eigentlich war die Dorfwerkstatt als einmaliges Informationstreffen im Wettbewerbsprozedere vorgesehen. Doch in Obercarsdorf existiert sie noch immer. Sechs Bewohner des Ortes treffen sich regelmäßig, um dem Gemeindehaus-Ziel näherzukommen - und vernetzen ganz nebenbei das ganze Dorf. Für den unsichtbaren Punkt "soziale Aktivitäten" müsste Obercarsdorf eigentlich ein paar Sonderpunkte bekommen.