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So wurden aus dem Arbeiterblasorchester die Schmiedeberger Musikanten

Im Osterzgebirge gehört das Ensemble fest zur Musikszene. In diesem Jahr feiert es sein 70-jähriges Bestehen - mit Freunden aus Niedersachsen.

Von Maik Brückner
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Andreas Exner ist Diplom-Orchester-Musiker, Diplom-Musik-Pädagoge und musikalischer Leiter der Schmiedeberger Musikanten.
Andreas Exner ist Diplom-Orchester-Musiker, Diplom-Musik-Pädagoge und musikalischer Leiter der Schmiedeberger Musikanten. © Egbert Kamprath

Wer auf seinem Fest gute Laune braucht, engagiert die Schmiedeberger Musikanten. Das wissen viele Veranstalter im Osterzgebirge. Deshalb gibt es für das Ensemble ab April kaum ein freies Wochenende. Die Musiker spielen zu Frühschoppen, Geburtstagen, Dorf-, Stadt- und Oktoberfesten - und ab und zu auch zu Techno-Events wie in Oelsa. In wenigen Tagen geben die Schmiedeberger ein ganz besonderes Konzert: Die Musiker feiern damit das 70-jährige Bestehen ihres Ensembles.

Aus Altersgründen ist niemand mehr aus der Anfangszeit dabei. Doch zumindest einer hat einen besonderen Bezug zu den Anfängen: Andreas Exner. Denn zwei seiner Vorfahren spielten bereits in der Kapelle. Sein Großvater Herbert Exner begann ein Jahr nach der Gründung des Arbeiterblasorchesters dort zu musizieren. Er war Berufsmusiker, hatte schon vor dem Zweiten Weltkrieg in einer Tanzkapelle gespielt und war mit dieser sogar in Amerika auf Tournee. Andreas Exner besitzt noch ein Andenken an ihn, eine Trompete. "Mein Großvater war einer der ersten Kapellmeister und Dirigenten".

Das sind die Schmiedeberger Musikanten

  • Gründung als Betriebskapelle der "Gießerei Ferdinand Kunert Schmiedeberg" 1954. Es begann mit 15 Musikern. Erster Kapellenchef war Walter Bellmann, der erste Auftritt war am 31. Juli 1954.
  • 1976 erfolgte die Umbenennung in "Arbeiterblasorchester des VEB Gießerei und Maschinenbau Ferdinand Kunert Schmiedeberg" mit 34 Mitgliedern.
  • Gastspiele u.a. bei den Arbeiterfestspielen in Erfurt, im ehemaligen Partnerbetrieb Olomouc, am Plattensee in Ungarn, in Deißlingen (Baden-Württemberg)
    und Bösel (Niedersachsen).
  • Einmal im Jahr im Frühjahr geben die Musiker ein eigenes Konzert. Es findet in der Regel im Martin-Luther-King-Haus in Schmiedeberg statt.
  • Die Musikanten proben einmal wöchentlich freitags für 2 Stunden.
  • Das Jubiläumskonzert zum 70-jährigen Bestehen findet am 13. April ab 18 Uhr in der Aula des Gymnasiums Dippoldiswalde statt.

Das Ensemble, das nach seiner Gründung 1954 als Volkskunstkollektiv der Gießerei Ferdinand Kunert Schmiedeberg geführt wurde, erhielt finanzielle Unterstützung durch den Betrieb. Für die Musiker war das ein Glücksfall. "Es war damals gar nicht so einfach, an die großen Instrumente heranzukommen", sagt Exner.

Die Blaskapelle machte sich schnell einen Namen, spielte Märsche, Polkas und Walzer - und das nicht nur bei werksinternen Veranstaltungen, sondern auch in den Dörfern und Städten der Region. "Blasmusik war damals sehr beliebt", sagt Exner. Alles war live. Musik-Boxen und DJs gab es noch nicht.

Zu Beginn spielten die Musiker als Betriebskapelle der "Gießerei Ferdinand Kunert Schmiedeberg". Mit dabei war auch der Opa von Andreas Exner, Herbert Exner.
Zu Beginn spielten die Musiker als Betriebskapelle der "Gießerei Ferdinand Kunert Schmiedeberg". Mit dabei war auch der Opa von Andreas Exner, Herbert Exner. © Andreas Exner
Die Schmiedeberger Musikanten bei einer Probe im Mai 1994.
Die Schmiedeberger Musikanten bei einer Probe im Mai 1994. © Foto: SZ/Egbert Kamprath
Am 5. November 1994 traten die Schmiedeberger Musikanten bei der Gewerbemesse in Schmiedeberg auf.
Am 5. November 1994 traten die Schmiedeberger Musikanten bei der Gewerbemesse in Schmiedeberg auf. © Jürgen Schreiber
Im August 2019 traten die Schmiedeberger zum Musiksommertag in Oberbärenburg auf dem Kurplatz  auf.
Im August 2019 traten die Schmiedeberger zum Musiksommertag in Oberbärenburg auf dem Kurplatz auf. © Egbert Kamprath
Im Oktober 2019 sorgten die Schmiedeberger beim Herbstfest des Pferdehofes Göbel für gute Stimmung in der Reithalle.
Im Oktober 2019 sorgten die Schmiedeberger beim Herbstfest des Pferdehofes Göbel für gute Stimmung in der Reithalle. © Egbert Kamprath
Rund 200 Zuhörer kamen vor fünf Jahren zum 65. Geburtstag der Kapelle ins Schmiedeberger Martin-Luther-King-Haus.
Rund 200 Zuhörer kamen vor fünf Jahren zum 65. Geburtstag der Kapelle ins Schmiedeberger Martin-Luther-King-Haus. © Egbert Kamprath
2023 gaben die Schmiedeberger ein Gastspiel in Bösel.
2023 gaben die Schmiedeberger ein Gastspiel in Bösel. © Andreas Exner

1971 gab Herbert Exner das Amt des Kapellmeisters ab. Andere Musiker übernahmen die Leitung. "Der große Vorteil war, dass die Gießerei der Trägerbetrieb war." Der Betrieb habe das Ensemble zusammengehalten, sagt Andreas Exner. In den 1960er-Jahren stieß dann sein Vater Frank zu den Musikern und wurde später organisatorischer Leiter des Ensembles. Geprobt wurde damals im Kulturhaus Schmiedeberg. Andreas Exner kann sich noch gut an so einen Tag erinnern. "Da bin ich als Dreijähriger zum ersten Mal mit einer Trompete durch den Saal gelaufen." Mit 14 Jahren wurde er 1990 Mitglied.

Auch für das Ensemble war 1990 ein wichtiges Jahr. Denn nach dem Fall der Mauer konnte es auch in die westlichen Bundesländer reisen. Und das taten die Musiker auch. Frank Exner, der damals auch Stadtrat war, knüpfte Kontakte zu den Musikern im niedersächsischen Bösel. Und so fuhren die Schmiedeberger im September mit einem Barkas dorthin, um an den Euro-Musiktagen teilzunehmen.

Dieser Gastauftritt ging als ein ganz besonderer in die Chronik der Veranstaltung ein: "Wir - das Arbeiterblasorchester des VEB Ferdinand Kunert Gießerei und Maschinenbau - sind bis heute das einzige Orchester aus der DDR, das dort jemals aufgetreten ist", erzählt Exner schmunzelnd. Denn die Wiedervereinigung wurde 1990 erst nach dem Auftritt am 3. Oktober gefeiert.

Schwierige Jahre nach dem Mauerfall

Die folgenden Jahre waren schwierig. "Wir hatten einen Mitgliederschwund. Einige sind ausgetreten, andere haben ein eigenes Orchester gegründet. "Man muss den Musikern danken, die damals durchgehalten haben", sagt Exner heute. Damals wurde auch eine wichtige Entscheidung getroffen. Das Ensemble legte seinen Namen ab, der heute sicher Kultcharakter haben dürfte. Fortan spielte die Formation als Schmiedeberger Musikanten weiter. Der Grund für die Umbenennung: Die Gießerei organisierte sich nach 1990 neu und trennte sich in diesem Zusammenhang auch von der Trägerschaft der Kapelle. Die Musiker gründeten 1993 einen Verein. In diesem übernahm Andreas Exner, der sich beruflich der Musik verschrieben hat, 1998 die musikalische Leitung und ein paar Jahre später als Vorstandsmitglied noch weitere Aufgaben.

Aus seiner Sicht hat sich das Orchester gut entwickelt: "Wir haben einen Stamm von Musikern, die gut miteinander harmonieren." Er ist sich sicher, dass die Zuhörer spüren, dass auf der Bühne mit Freude musiziert wird. Dazu trägt auch bei, dass unter den 100 Titeln, die die Kapelle im Repertoire hat, viele moderne Stücke sind. Das ist auch sein Anspruch: "Wir müssen versuchen, die Tradition mit der Moderne zu verbinden." Denn mit modernen Titeln könne man auch jüngere Leute begeistern. Dass die Musiker offen für moderne Titel sind, liegt sicher auch an der Besetzung. In den vergangenen Jahren bestand die Kapelle immer aus 14 bis 18 Musikern. In letzter Zeit ist es gelungen, viele junge Mitglieder dazuzugewinnen.

Diese Erfolge sind vor allem dem Vereinschef Stefan Ranft zu verdanken. "Er ist da sehr aktiv", sagt Exner. Ranft hat zwei Kinder, die er für die Musik begeistern konnte. "Die wiederum brachten ihre Freunde mit." So sei die Idee entstanden, eine Schnupperprobe anzubieten. "Bei der kann sich jeder ins Orchester setzen, mitspielen und sich ausprobieren." Das kam gut an - deshalb gibt es das Angebot inzwischen jedes Jahr - in diesem Jahr fand der Schnuppertag Anfang März statt. "Es sind immer ein paar Musiker hängengeblieben", sagt Andreas Exner. Mittlerweile zählt das Ensemble 25 Mitglieder. "Das ist für unsere Region ein relativ großes Orchester."

Und das konzentriert sich nun auf den großen Auftritt am Sonnabend in der Aula des Dippser Gymnasiums. Rund 300 Gäste und das Niedersachsen-Soundorchester aus Bösel werden erwartet. Andreas Exner ist zuversichtlich, dass alles klappt. Schließlich laufen die Vorbereitungen schon lange. "Unsere Partner, Familien und Freunde helfen uns dabei."