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Warum ein amerikanischer Schulbus zu Betrieben fährt

Küchenteile flitzen aus der Säge, Kunststoff wird zu Präzisionsteilen gespritzt. Das alles sahen sich Schüler bei ihrer Berufe-Schnuppertour in Dippoldiswalde an.

Von Franz Herz
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Bei Sachsenküchen legten die Schüler im Rahmen der Bustour auch selbst Hand an. Ausbildungsbeauftragte Petra Grahn (vorne) baute mit ihnen Bilderrahmen.
Bei Sachsenküchen legten die Schüler im Rahmen der Bustour auch selbst Hand an. Ausbildungsbeauftragte Petra Grahn (vorne) baute mit ihnen Bilderrahmen. © Egbert Kamprath

Ein gelber Schulbus im amerikanischen Stil hielt am Montag im Gewerbegebiet Dippoldiswalde-Reinholdshain vor dem Gebäude von Selectrona und fuhr etwas später nach Obercarsdorf zu Sachsenküchen. Dort stiegen 18 junge Leute und Eltern aus. Sächsische.de begleitete sie auf ihrer Tour durch die beiden Betriebe.

Platten zugeschnitten, Löcher gebohrt, alles automatisch

Bei Sachsenküchen teilt Kristin Hofmann die Gruppe in zwei Teile. Die Eltern kommen mit ihr in die Küchenausstellung, wo die fertigen Produkte zu besichtigen sind. Die Schüler machen mit Petra Grahn eine Rundtour durch die Produktion der Küchenmöbel. Sie ist Tischlerin und Ausbildungsbeauftragte.

Mit ihr gehen die jungen Besucher genau die Strecke nach, die eine Spanplatte nimmt. Selbständig packt der Kran sie mit einem Vakuumgreifer, legt sie auf die Zuschnittmaschine. Der Computer steuert die Säge dort so, dass möglichst wenig Abfallholz übrigbleibt. Dann folgen weitere Schritte, alle mit vollautomatisch gesteuerten Maschinen. Die leimen Kanten auf, bohren Dübellöcher, fräsen eine Nut. Auf Rollbändern flitzen die einzelnen Küchenteile von einer Maschine zur nächsten. Schließlich werden die fertigen Schränke mit Kartons geschützt und alle, die zusammengehören, für den Versand vorbereitet.

Dieser Bus im amerikanischen Stil fährt diese Woche drei Tage lang Schüler in Betriebe der Sächsischen Schweiz und des Osterzgebirges, um ihnen Einblicke in die Berufswelt zu vermitteln.
Dieser Bus im amerikanischen Stil fährt diese Woche drei Tage lang Schüler in Betriebe der Sächsischen Schweiz und des Osterzgebirges, um ihnen Einblicke in die Berufswelt zu vermitteln. © Egbert Kamprath

Dabei weiß das Computersystem immer genau, welches Teil wohin gehört. „Jede Küche bekommt eine eigene Nummer. Jedes Teil hat einen entsprechenden Aufkleber“, erklärt Grahn. Wenn man die Maschine fragen könnte, könnte sie antworten: „Das wird die Vorderfront des Kühlschranks für Familie X.“ Das will aber alles geplant und durchdacht sein. Dafür benötigt die Sachsenküchen GmbH Möbeltischler, Holztechnik- und Wirtschaftsingenieure. Diese bildet der Betrieb alle selbst aus.

Einmal selbst Hand anlegen, leimen und dübeln

Nach ihrem Betriebsrundgang können die Schüler noch selbst Hand anlegen. Petra Grahn hat die Einzelteile für einen Bilderrahmen vorbereitet, die ihre jungen Besucher nun zusammenbauen müssen. Sie arbeiten dabei mit Dübel, Leim, Schraubzwingen und Klebeband. Mancher macht so etwas zum ersten Mal.

Katja Sandig aus Heidenau ist mit ihrer Tochter Stella bei der Tour mitgefahren. Stella ist jetzt in der 7. Klasse und noch völlig offen, was ihren künftigen Berufsweg angeht. „Sie ist aber schon eher der handwerkliche Typ“, sagt ihre Mutter. Deswegen nutzen sie verschiedene Möglichkeiten, um herauszufinden, was das Richtige sein soll. Sie hat auch schon ein Praktikum in einer Kfz-Werkstatt gemacht. Eines hat ihr dabei bisher nicht so gefallen: Wo sie sich bisher umgesehen hat, waren fast nur Jungs. Das ist bei dieser Tour nicht anders.

Selectrona-Auszubildende führen selbst durch die Firma

Die andere Station an diesem Tag war die Selectrona GmbH. Das ist ein Hersteller von Kunststoffpräzisionsteilen, häufig für die Automobilindustrie. Julius Kohn aus Glashütte absolviert dort eine Doppelausbildung im Betrieb und an der Hochschule Görlitz/Zittau. Dazu gehört eine komplette Lehre und ein Bachelorstudium zum Mechatroniker. Beides zusammen dauert fünf Jahre und Julius ist fast fertig damit.

Er kennt sich also aus und führt zusammen mit Oskar Jakob, der ebenfalls im Betrieb ein duales Studium absolviert, die Besucher aus den verschiedenen Schulen. Diese erleben den kompletten Ablauf mit, wie aus einem Kupferband eine meterhohe Maschine Kontakte für einen Stecker ausstanzt. Im monotonen Rhythmus schneidet die Stanze alles weg, was später für den Stecker nicht benötigt wird.

Mitarbeiter bauen die Automatikstrecken eigenständig

Werkzeugmacher Carsten Müller erklärt die weiteren Arbeitsschritte. Teilweise werden die Kupferkontakte danach zum Galvanisieren gefahren. „Manchmal werden die Kontakte auch vergoldet“, erzählt er. Wenn die so behandelten Teile zurück in die Halle von Selectrona kommen, laufen sie durch weitere Maschinen, die beispielsweise die Kontakte zur Seite oder das ganze Metallteil rund biegen. Zum guten Schluss werden die Teile mit heißem Kunststoff umspritzt. Fertig ist der Stecker für eine Einspritzdüse.

Die Herausforderung für die Mitarbeiter liegt darin, automatische Verarbeitungsstrecken aufzubauen, die dann so ein Metall-Kunststoff-Teil oft in Millionenstückzahlen produzieren. Die Ingenieure entwickeln die Automatenanlagen, Mechatroniker sorgen dafür, dass sie störungsfrei laufen. Werkzeugmechaniker stellen die Gussformen her und warten sie, mit denen die Maschinen dann arbeiten.

Damit ihre Besucher ein Gespür bekommen für diese Arbeiten, haben die Lehrlinge des Betriebs noch einige Stationen aufgebaut, wo die Schüler beispielsweise Kunststoffschweißen ausprobieren oder ein Drahtgitter löten können.

Zwei weitere Bustouren starten in Pirna und Heidenau

Am Ende kehrte die Gruppe in dem außergewöhnlichen Bus zurück nach Freital, wo die Tour am Weißeritzpark ihren Anfang genommen hatte. Der Bus fährt im Rahmen der Aktion „On Tour – Auf dem Weg zur Wirtschaft“ noch zweimal. Am Dienstagnachmittag startet er in Pirna und fährt zu den Pura-Hotels in Bad Schandau sowie zur Dürrröhrsdorfer Fleisch- und Wurstwaren GmbH. Am Mittwoch fährt er vom Busbahnhof in Heidenau zur Agrargenossenschaft Wesenitztal in Dürrröhrsdorf und zum Sonnenhof der Lebenshilfe in Lohmen.