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Ausgemustert: Leisniger Chor-Sängerinnen sind fassungslos

Der Schock sitzt immer noch tief. Sechs Frauen fühlen sich an den Rand der Sing-Gemeinschaft gedrängt. Dabei haben sie über Jahrzehnte Einsatz gezeigt – nicht nur stimmlichen.

Von Heike Heisig
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Leisnig hat mit dem Frauenchor ein Ensemble, auf das längst nicht mehr jede Stadt verweisen kann. Jetzt gibt es Ärger, sechs ältere Sängerinnen fühlen sich unfreiwillig in den musikalischen Ruhestand abgeschoben.
Leisnig hat mit dem Frauenchor ein Ensemble, auf das längst nicht mehr jede Stadt verweisen kann. Jetzt gibt es Ärger, sechs ältere Sängerinnen fühlen sich unfreiwillig in den musikalischen Ruhestand abgeschoben. © SZ/DIetmar Thomas

Leisnig. Jeder Verein freut sich über Mitglieder. Auch oder gerade über Ältere, die fast immer Zeit haben, wenn Hilfe gebraucht wird. In einem Leisniger Vereins scheint das in einer der vielen Gruppen nicht mehr so zu sein: im Frauenchor.

Knapp 20 Frauen im Alter zwischen 29 und 86 stimmen dort mehr oder weniger regelmäßig an. Volkslieder und Heimatlieder wie das Leisnig-Lied gehören genauso zum Repertoire wie der eine oder andere englische Song. Doch das scheint den jüngeren Sängerinnen zu wenig zu sein.

Unangenehme Situation

Die würden sich gern weiter entwickeln, moderner werden wollen. Mit dieser Erklärung fühlen sich ältere Choristinnen aus dem Ensemble gedrängt. Unabhängig voneinander schildern zwei der Frauen eine unangenehme Situation bei der nachträglichen Weihnachtsfeier.

Die war schon Mitte Januar. Doch erst jetzt fühlen sich einige der Betroffenen in der Lage, ihre Meinung in Worte zu fassen.

Die Stimmung bei der Feier sei keineswegs dem Anlass entsprechend und zum Jahresstart positiv gewesen. Die Chorleiterin sei mit den Leistungen der Sängerinnen zum Weihnachtskonzert unzufrieden gewesen.

Doch auch nachdem das ausgewertet gewesen sei, „haben wir bemerkt: Es stimmt etwas nicht“, erzählt eine der Frauen. Auf ihr Drängen hin sei die von Jüngeren gewünschte Entwicklung, moderner zu werden, dargestellt worden.

Auf die Frage, mit wem die Chorleiterin weiter üben wolle, habe diese mit dem Finger vor allem auf die jüngeren Frauen gezeigt.

An diesem Abend ist für einige der älteren Sängerinnen– die eine oder andere ist schon seit der Gründung als Chor der Kindergärtnerinnen Anfang der 1970er-Jahre, auf jeden Fall aber schon über viele Jahre, dabei – eine Welt zusammengebrochen.

„Ich konnte das gar nicht glauben“, erzählt eine der Frauen, die an diesem Abend nicht selbst dabei war. Sie glaubt, einschätzen zu können, dass ihre Stimme auch als über 80-Jährige noch für einen Chor taugt.

Nicht anders geht es einer anderen Sängerin. Stimmlich fühle sie sich fit, lediglich längeres Stehen zum Beispiel bei einem Konzert fiele ihr mittlerweile schwer.

Enttäuscht über Art und Weise

Letztlich sind einige der älteren Sängerinnen vor allem über die Art und Weise, wie sie an den Rand des Chores gedrängt worden sind, enttäuscht.

„Es hätte sich gehört, dass wir offen über die Situation sprechen“, sagt eine der Leisnigerinnen. Sie glaubt, dass es durchaus möglich gewesen wäre, einen Kompromiss zu finden.

„Wir Älteren hätten bestimmt auch noch den einen oder anderen englischen Titel mehr einstudiert.“ Allerdings glauben sie und auch andere Sängerinnen nicht, dass dies im Sinne ihres Publikums ist. „Unsere Konzerte besuchen vor allem über 60-Jährige. Die wollen verstehen, was wir singen.“

Traurig sind die Frauen auch, dass es nach der von ihnen empfundenen Ausladung für nächste Proben nicht ein Wort des Dankes gab. Manche brachte auch andere Talente vor allem in Vorbereitung der Konzerte ein. „Das macht man so nicht“, sagen die Frauen übereinstimmend.

Carla Lichtenstein, die Vorsitzende des Kulturbundes, unter dessen Dach der Frauenchor Leisnig neben einer Reihe anderer Gruppen agiert, sagte am Dienstag, dass der Verein für alle offensteht.

Zum konkreten Fall verwies sie auf eine Vorstandstagung am Abend. Bei der hätten sich die Mitglieder lange mit dem Thema beschäftigt. „Trotzdem wollen wir uns im Augenblick nicht öffentlich dazu äußeren“, so die Vorsitzende am Mittwoch auf Anfrage.

Zur nächsten Vorstandssitzung Ende März soll die Chorleiterin eingeladen und deren Sicht gehört werden. Möglicherweise gebe es danach dann eine Stellungnahme. Auch Sächsische.de hat versucht, Kontakt zur Chorleiterin aufzunehmen. Gelungen ist das nicht.