SZ + Döbeln
Merken

Ehrfurcht und 70 Jahre alter Staub: Eine Kirchenmalerin erzählt von ihrem Beruf

Cindy Reimer aus Waldheim ist Kirchenmalermeisterin. Was sie an ihrem Job liebt und warum ihr ausgerechnet eine Fliege in Erinnerung geblieben ist.

Von Lea Heilmann
 4 Min.
Teilen
Folgen
NEU!
In Bayrischzell hatte Cindy Reimer die Möglichkeit, einen Altar neu zu vergolden. Etwas neu zu gestalten sei etwas besonderes in dem Handwerk.
In Bayrischzell hatte Cindy Reimer die Möglichkeit, einen Altar neu zu vergolden. Etwas neu zu gestalten sei etwas besonderes in dem Handwerk. © privat

Leisnig/Waldheim. Cindy Reimer wollte schon immer etwas Handwerkliches machen. Gerne auch in Verbindung mit Kunst. Dass sie mal Kirchenmalermeisterin wird, das hätte sie nach dem Abitur wohl nicht gedacht.

„Ich habe verschiedene Sachen ausprobiert und habe lange als Barkeeperin in der gehobenen Gastronomie gearbeitet“, erzählt Reimer, die sich aktuell im Verein „Lebendiges Leisnig“, aber auch bei den „Bunten Perlen“ in Waldheim engagiert.

Schon damals hat sie sich für das Besondere und Einzigartige interessiert. Zu der Zeit waren es Spirituosen, später Altare oder Fresko-Malereien. Die Gastronomie hat sie aber irgendwann verlassen.

Von der Gastro zur Kirchenmalerei

„Es waren schlechte Arbeitsbedingungen. Ich habe alle Hochzeiten, Geburtstage oder Weihnachten verpasst in den Jahren“, erzählt sie und ergänzt: „Irgendwann habe ich gedacht: Habe ich überhaupt noch Freunde, die nicht in der Gastro arbeiten?“

Danach hat sie eine Ausbildung zur Bootsbauerin angefangen, konnte diese aber nicht weiter machen. Sie ist nach München gezogen , dann aber noch mal für drei Monate nach Norderney zurückgekehrt, wo sie früher bereits gearbeitet hat, um einen Freund in der Gastro auszuhelfen. Auf der Insel hat Cindy dann geschaut, welche Ausbildung sie machen könnte.

Ihr Vater ist Malermeister. „Das ist auch etwas cooles, so ein bisschen in die Fußstapfen von Papa treten. Erst dann habe ich festgestellt, dass es im Malerbereich noch mal Fachrichtungen gibt und eben auch Kirchenmalerei“, erzählt sie weiter. In Deutschland gibt es eine einzige Schule, die Kirchenmaler ausbildet. Nachdem sich der Abschluss ihrer Ausbildung durch Corona verzögert hatte, hat die junge Frau direkt danach den Meister angeschlossen.

Auf die Frage, wie man sich ihren Job vorstellen kann, antwortete sie nur: Man muss es wollen. Cindy Reimer macht der Job total viel Spaß, auch weil er so vielseitig ist. Er hat aber auch sehr viel mit Saubermachen zu tun, wie sie weiter erzählte: „Eine Kirche wird alle 70 Jahre eingerüstet und der Staub ist dementsprechend auch so alt“, sagt Reimer und lacht.

Aber bei ihrer Arbeit erhält die Wahl-Waldheimerin auch einen spannenden Einblick in die Kirchen. „Man kommt in alle Räume und mit vielen Menschen ins Gespräch“.

Arbeiten mit jahrtausend alten Techniken

Der Job hat für sie viel mit Ehrfurcht zu tun. Nicht weil sie gläubig ist, sondern weil für viele Menschen Kirchen, Synagogen oder Moscheen sehr spirituelle und wichtige Ort sind. „Das hat auch voll etwas mit Vertrauen zu tun. Wenn wir da teilweise geweihte Figuren oder Hostiengefäße abbauen und in die Werkstatt transportieren“, sagt sie weiter.

Aber auch die Arbeitsweise ist für Reimer immer wieder beeindruckend. „Wir arbeiten noch immer genauso wie vor 2.000 Jahren. Wir mischen die Farbe selbst mit Pigmenten und stellen den Knochenleim her“, nennt sie als Beispiel. Bei der Vergoldung verwendet sie noch die gleiche Methode, die früher im alten Ägypten angewendet wurde.

Kirchenmaler müssen nicht nur genau einschätzen können, welchen Farbton sie mischen müssen, sondern brauchen gute Kenntnisse beim Thema Stilkunde. In der Meisterprüfung musste Cindy Reimer eine Figur oder ein Gebäude auf 30 Jahre genau datieren. Jede Kirche, jede Aufgabe sei etwas Besonderes, sagt sie.

Besondere und kuriose Momente bei der Arbeit

Dennoch habe sie ein paar Erlebnisse, die ihr besonders im Gedächtnis geblieben sind. So zum Beispiel ein Altar, den sie neu marmorieren und vergolden durfte. „Wenn man Glück hat, passiert so etwas ein bis zwei Mal im Kirchenmalerleben“, so Reimer. Aber auch kuriose Momente habe es schon zuhauf gegeben. So zum Beispiel in einer bayerischen Kirche.

  • Sie haben Hinweise, Kritik oder Lob? Dann schreiben Sie uns per E-Mail an [email protected]

Dort standen nur noch die letzten Pinselstriche an. „Von unten habe ich gedacht: Die eine Stelle, da muss ich noch einen Punkt machen. Also das Rollgerüst da hingeschoben, hochgeklettert mit der Palette. Dann kommt eine fette Fliege, setzt sich in das Schwarzpigment, fliegt los und war natürlich viel schwerer als vorher. Die Fliege knallte an alle neuen weißen Wände“, erinnert sie sich. Also musste sie der Fliege hinterher und jede Stelle saubermachen und retuschieren.

Die Waldheimerin gehört zu ganz wenig in Sachsen, die Kirchenmaler oder -malerin sind. Sie kennt nur noch eine Vergolderin, die in Dresden lebt.

Aktuell ist Cindy Reimer in Elternzeit. Ihr Handwerk, bei dem sie viel auf Montage ist, kann sie die nächsten Jahre mit Baby erst mal nicht ausüben. Aber Reimer hat schon einen Plan und viele Ideen, wie es weitergehen kann.