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Ein Leipziger verliebt sich in Döbeln

Der Autor Danilo Art-Merbitz schreibt an einem Roman, der in Döbeln handelt. Wie ist es eigentlich für einen Großstädter, in der Provinz zu leben?

Von Jens Hoyer
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Der Leipziger Danilo Art-Merbitz am Stiefelbrunnen vor dem Haus, in dem er den fiktiven Helden seiner Geschichte arbeiten lässt. Der Roman, den der Leipziger schreibt, spielt in Döbeln.
Der Leipziger Danilo Art-Merbitz am Stiefelbrunnen vor dem Haus, in dem er den fiktiven Helden seiner Geschichte arbeiten lässt. Der Roman, den der Leipziger schreibt, spielt in Döbeln. © Jens Hoyer

Döbeln. Danilo Art-Merbitz ist oft und Döbeln. Der Leipziger erzählt, dass er sich in die Kleinstadt verliebt hat.

Wenn er für Recherchen da ist, setzt er sich gern in eines seiner Lieblingscafés – bei der Bäckerei Jung in Döbeln Nord oder in die Bäckerei Körner am Niedermarkt – sammelt Eindrücke, spricht – da hat er keine Scheu – auch mal Leute an, die er interessant findet.

Döbeln im Mittelpunkt

Und er holt den Laptop raus und schreibt. Danilo Art-Merbitz schreibt an einem Buch, in dessen Mittelpunkt Döbeln steht.

„Die Geschichten liegen in Döbeln auf der Straße. Diese Alltagsgeschichten spiegeln viel von dem wider, was auf der Welt los ist“, meint er. Mit Döbeln hatte er vorher nie zu tun.

Als junger Mensch sei er mal im Staupitzbad gewesen, als das noch gut besuchte Großdisko war. Aber das zählt nicht. „Ich bin nachts angekommen und nachts wieder weggefahren.“

Warum also ein Buch, das in Döbeln spielt? Art-Merbitz – der Name ist das Pseudonym, unter dem er schreibt – kann es genau erklären.

„Das Kultusministerium holt junge Lehrkräfte in die Provinz und zahlt Geld an Referendare, wenn sie sich für einige Zeit verpflichten. Die Bezeichnung dafür ist ‚Bedarfsregion‘. Das ist so ein starkes Wort. Das hat meine Neugier angestachelt: Was ist das für eine Region, wo man Geld hinlegen muss, damit man Leute hinbekommt? Ich bin völlig unbefangen hierhergefahren.“

Was er fand, war eine Stadt, die er mit „sympathisch, höflich, liebenswert, kleinstädtisch“ beschreibt,.

Faible für die Kleinstadt

„Ich habe ein Faible für die Kleinstadt. Döbeln ist die große Welt im Kleinen. Vom Rathausturm höre ich den Glockenschlag vom Big Ben, der Staupitzsteg ist die kleine Variante der Golden Gate Bridge und das Wehr daneben ein kleiner Niagarafall“, erzählt er schmunzelnd.

Beim Gespräch hat Danilo Art-Merbitz drei Notizbücher dabei. In einem stehen die Figuren des Romans, an dem er gerade schreibt. In einem zweiten die Handlung. In einem kleinen Büchlein macht er Notizen über Begebenheiten.

Im Mittelpunkt der Geschichte steht kein Lehrer, auch wenn das der Titel „Bedarfsregion“ suggeriert. „Held“ des Buches ist Tommi Sommer, ein Journalist, der lieber für die Feuilletons großer Zeitungen schreiben würde.

Der wird aber in eine Redaktion in der Provinz zum „Döbelner Kurier“ abgeschoben, weil er einen Artikel geschrieben hatte, der einigen „hohen Herren“ nicht genehm war. Danilo Art-Merbitz hatte selbst für eine Leipziger literarische Untergrundzeitung geschrieben und arbeitet bis heute auch journalistisch.

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Die Redaktion seines Protagonisten hat der Autor in das Haus am Stiefelbrunnen gelegt. Ihm habe die üppige Fassade imponiert, wie er sagt.

Was Art-Merbitz nicht wusste: In dem Haus, der ehemaligen Druckerei Thallwitz, wurde bis 1945 der Döbelner Anzeiger produziert. Der Autor findet diesen Zufall witzig.

Ein bisschen aufregend ist die Provinz dann doch. Eine ominöse „Zopfdame“ erzählt dem Lokaljournalisten vom Geheimprojekt „Staupitz“. Drumherum ranken sich kleine und große Geschichten von Gartenfeten bis Demos, um die Pferdebahn und den Maler Bernhard Kretzschmar.

Bei diesen kleinen Begebenheiten hält sich der Autor ans Vorbild. Für die Recherche habe er sich auch mal ins KL 17 gesetzt. Der Running Gag der Geschichte ist: Tommi Sommer beschwert sich, dass er in der Provinz nirgendwo einen „Hemingway Special“ auf Eis bekommt.

100 Seiten sind geschrieben

100 Seiten habe er schon geschrieben, erzählt der 47-Jährige. In einem Jahr ist das Buch vielleicht fertig. Dann will Art-Merbitz auf die Suche nach einem Verleger gehen. Seine Idee: „Ich würde gern in Döbeln aus dem unveröffentlichten Manuskript lesen.“

Im vergangenen Jahr hatte Art-Merbitz einen anderen Roman aus der ostdeutschen Provinz abgeschlossen: „Altmark Blues“.

„Die Schriftstellergarde Ost hat sich mit der Zeit nach der Wende auseinandergesetzt. Die heute 40- bis 50-Jährigen, die damals in der Pubertät waren, haben sich noch nicht so oft zu Wort gemeldet“, sagt er.

Ansonsten schreibt Art-Merbitz Lyrik, hat Gedichte in der Lyrikzeitschrift „Poesiealbum neu“ untergebracht. Seit vergangenem Jahr ist sein erster eigener Gedichtband „Von Rom nach New York“ im Handel. Art-Merbitz fotografiert auch und klebt Gedichte als „Street Art“ an Wände im öffentlichen Raum.

In sein Leben hinter dem Pseudonym lässt sich der Autor wenig blicken. Schreiben sei seine große Leidenschaft, aber leben könne er davon nicht, gibt er zu. Er habe aber Rechtswissenschaften studiert.