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Mütter und Töchter – der ewige Konflikt

Das Mittelsächsische Theater spielt „Muttersprache Mameloschn“.Am Freitag war Premiere in Döbeln. Warum es sich lohnt, das Stück anzuschauen.

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Andrea Seitz, Sophie Lüpfert und Natalie Heiß vom Mittelsächsische Theater spielen das Stück „Muttersprache Mameloschn“.
Andrea Seitz, Sophie Lüpfert und Natalie Heiß vom Mittelsächsische Theater spielen das Stück „Muttersprache Mameloschn“. © Detlef Müller

Von Dagmar Doms-Berger

Döbeln. „War Brecht ein Antisemit? Nein, er war Kommunist.“ Laut Marx hat die sozialistische Revolution den Antisemitismus besiegt. – Humor erleichtert. Lachen macht es einfacher, sich schwierigen Themen zu nähern, die sonst schwer im Magen liegen.

In dem Schauspiel Muttersprache Mameloschn (jidd. für Muttersprache) geht es um drei Frauen, die sich mit ihrer eigenen Geschichte und der jüdischen Geschichte in der DDR und in Deutschland auseinandersetzen.

Am Freitag hatte das Stück unter der Regie von Petra Ratiu Premiere im Döbelner Theater. Die Frauen, um die es geht, sind Großmutter, Mutter und Enkelin.

Schonungsloser Blick auf Lebensrealitäten

Das Schauspiel bietet einen schonungslosen Blick auf die Lebensrealitäten und Emotionswelten von Müttern und Töchtern im Generationenkonflikt, wobei auch Geschichte und Politik mit den privaten Biografien verwebt werden. Das macht die Aktualität des Stückes aus.

In 80 Minuten verhandeln sie Fragen von Nähe und Ferne, Flucht vor- oder zueinander, Heimat, Identität, Schuld und Sexualität – ein intensiver Abend. Großmutter Lin hatte als Kind den Holocaust überlebt, ging als überzeugte Kommunistin in die DDR, um eine neue, bessere Gesellschaft aufbauen zu können.

Jüdische Traditionen und die jiddische Sprache sind zentrale Themen ihrer Lebenswelt. Sie war erfolgreiche Sängerin jiddischer Lieder in der DDR, durfte sogar in Israel auftreten. Parallelen zum Lebenslauf der prominenten Sängerin Lin Jaldati (1912 bis 1988) sind erkennbar.

Schmerzhafte Wortgefechte

Andrea Seitz in der Rolle der Lin spielt authentisch und famos, genießt sichtlich ihre Rolle, gibt ihr Lebensklugheit und Egozentrik. Ihre Tochter Clara hat mit dem Judentum nichts am Hut.

Für die Rolle ihrer Mutter in der DDR hat sie nur Spott übrig. Sie wirft ihr vor, sie wegen ihrer Gesangskarriere vernachlässigt zu haben. Die Verlustängste wirken bis in die Gegenwart und bestimmen ihr eigenes Muttersein.

Clara liefert sich mit ihrer Mutter schmerzhafte Wortgefechte mit beißendem Humor. Sophie Lüpfert spielt die Clara großartig, gibt ihr eine gewisse Härte, zeigt den weichen Kern.

Enkelin Rahel, feurig und jugendlich-stürmisch gespielt von Nathalie Heiß, ist in der Sturm- und Drangzeit, sie will weg, will sich aus der Familie befreien und erstmal nach Amerika gehen. Anders als ihre Mutter lehnt sie ihre jüdische Identität nicht ab.

Kakteen sind Überlebenskünstler

Das Bühnenbild (Cristina Milea) ist sparsam gestaltet, gleicht herabhängenden langen Trieben von überdimensionalen Kakteen. Mögliche Parallelen: Kakteen sind Überlebenskünstler und kommen selbst unter den widrigsten Bedingungen durch.

Robust und stachelig nach außen, symbolisieren sie Dickköpfigkeit und Egoismus, aber auch Individualität. Wiederholt werden die stacheligen Tentakel ins Spiel einbezogen, werden angeschubst und bewegt.

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Das Schauspiel, das von der Dramatikerin Marianna Salzmann geschrieben wurde, lebt von intelligenten und schnellen Ping-Pong-Dialogen ohne moralisierenden Unterton. Ein Stück, das sich lohnt, angesehen zu werden.

Das Stück Muttersprache Mameloschn steht in Döbeln wieder auf der Bühne am 24. März, 15 Uhr und am 25. März, 11 Uhr. Im Mai geht das Theater mit dem Stück auf Tournee nach Leipzig ins Theater der Jungen Welt.