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22 Monate Todesangst

In der vergangenen Woche haben Menschen überall auf der Welt der Opfer des Holocaust gedacht. Einer der überlebt hat, ist Thomas Geve, inzwischen 91.

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Thomas Geve, hat den Holocaust überlebt und nach der Befreiung des Lagers aus dem Gedächtnis heraus gezeichnet, was er und tausende Insassen tagtäglich ansehen mussten.
Thomas Geve, hat den Holocaust überlebt und nach der Befreiung des Lagers aus dem Gedächtnis heraus gezeichnet, was er und tausende Insassen tagtäglich ansehen mussten. © privat

Von Dagmar Doms-Berger

Mittelsachsen. Als 1942 die ersten Deportationszüge aus Berlin nach Auschwitz rollen, kann sich Thomas Geve noch dem Zugriff der Braunhemden entziehen. Als Erdarbeiter auf dem Friedhof Berlin-Weissensee gilt er als „unabkömmlich“. Ein Jahr später gibt es für ihn kein Entrinnen mehr. Er wird zusammen mit seiner Mutter nach Auschwitz deportiert.

Thomas ist 13 Jahre alt, als er das Tor des Vernichtungslagers passiert. Er kommt in die Maurerschule des Lagers. Die Arbeit ist hart. „Um 5 Uhr morgens fing alles sehr schnell an. Abends um 7 Uhr, nach der Arbeit, schmerzten unsere erschöpften Körper“, sagt Geve später. Seine Mutter sieht er nie wieder. Sie stirbt in Auschwitz.

Der junge Thomas hat mehrere Selektionen in den Vernichtungslagern überlebt.
Der junge Thomas hat mehrere Selektionen in den Vernichtungslagern überlebt. © privat

Allein in Auschwitz

Thomas versucht zu überleben, allein, ohne Verwandte, mit wenigen Freunden, die dann, einer nach dem anderen verschwinden. Er überlebt mehrere Selektionen, in denen überprüft wird, ob er noch „arbeitsfähig“ ist. Arbeitsunfähige werden von der Rampe direkt zu den Gaskammern der Krematorien von Auschwitz geführt. Auf dem Marsch Richtung Westen geht es zunächst in das Lager Groß-Rosen in Polen und von dort weiter im offenen Viehwaggon nach Buchenwald. Dort gibt es vor Kriegsende fast kein Essen mehr.

Gezeichnet von Hunger und Kälte

Insgesamt 22 Monate lang hat Geve in den Konzentrationslagern Birkenau, Auschwitz I, Groß-Rosen und Buchenwald verbracht. Als im April 1945 die Amerikaner anrollen und das KZ Buchenwald befreien, ist er 15 Jahre alt. Er ist gezeichnet von Kälte, Hunger und harter Arbeit. In den letzten Tagen des Krieges hatten ihm Mithäftlinge den Judenstern von seiner Häftlingsjacke abgenommen und ihn durch einen roten Winkel ersetzt. Auf diese Weise war er dem Todesmarsch entgangen.

Thomas Geve (91) vor wenigen Wochen in seinem Zuhause in Israel.
Thomas Geve (91) vor wenigen Wochen in seinem Zuhause in Israel. © privat

Zeichnungen entstehen im Lager

Noch im befreiten Lager Buchenwald, Tage und Wochen nach der Befreiung, zeichnet er das, was in den Lagern täglich stattgefunden hat: er malt den Ablauf der Selektionen und Desinfektionen, das Ausziehen und die Tätowierungen, Appelle, die harte Arbeit, den Hunger, die Schikane und den Tod. Es entstehen mit kindlichem Strich und gesichtslosen Figuren detailreiche Zeichnungen. Die Bilder entstehen aus dem Gedächtnis.

Seine Bilder können angesehen werden in der Ausstellung „Gegen das Vergessen“, präsentiert von der François Maher Presley Stiftung für Kunst und Kultur in Zusammenarbeit mit der Stiftung Gedenkstätten Buchenwald und Mittelbau-Dora. Die Ausstellung ist in 13 Städten Mittelsachsens sowie in Lommatzsch zu sehen, derzeit macht sie an der Hochschule Mittweida im Zentrum für Medien und Soziales an der Bahnhofstraße Station. Wegen der Corona-Beschränkungen ist sie leider nicht öffentlich zugänglich, auch auf die Eröffnung musste verzichtet werden. Studenten der Fachrichtung Medienmanagement haben sich mit dem Thema befasst und die Abläufe der Ausstellung Vorort geplant.

Gegen das Vergessen

  • Die Ausstellung startete 2020 in Oederan. Nach Mittweida (noch bis 25. Februar) folgen Rochlitz, Waldheim, Leisnig, Hainichen, Lommatzsch, Roßwein, Brand-Erbisdorf, Flöha, Frauenstein, Döbeln und im Juni 2022 Freiberg.
  • Sie zeigt die Zeichnungen von Thomas Geve und Fotografien von Alfred Stüber. Stüber (1904-1981) war als Zeuge Jehovas ins KZ Buchenwald gekommen und überlebte im Erkennungsdienst-Fotolabor der Buchenwalder Gestapo. Im Auftrag des Internationalen Lagerkomitees hat er das befreite Buchenwald fotografiert.
  • Begleitend zur Ausstellung gibt es einen Katalog mit den Fotos, Zeichnungen und Texten.
  • Darüber hinaus zeigt ein Film von Dr. Wilhelm Rösing ein interessantes und vertrauensvolles Gespräch zwischen Thomas Geve und einem Jugendlichen während eines Rundgangs durch Buchenwald. Dieser Film kann von Schulen ausgeliehen werden.

  • Infos auch unter Facebook.com/FMP.Stiftung.

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