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Döbeln: Wo die Schule ganz praktisch ist

Mit dem Produktiven Lernen geht die Oberschule Am Holländer einen Sonderweg. In diesem Jahr mit viel Erfolg.

Von Jens Hoyer
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Susanne Proft auf dem Markt ihrer Heimatstadt Nossen mit ihrem Zeugnis. Die 17-Jährige hat an der Oberschule in Döbeln im Profil „Produktives Lernen“ ihren Abschluss gemacht und wird jetzt eine Lehre als Fachlageristin bei Rewe beginnen.
Susanne Proft auf dem Markt ihrer Heimatstadt Nossen mit ihrem Zeugnis. Die 17-Jährige hat an der Oberschule in Döbeln im Profil „Produktives Lernen“ ihren Abschluss gemacht und wird jetzt eine Lehre als Fachlageristin bei Rewe beginnen. © Dietmar Thomas

Döbeln. Susanne Proft wird am 2. August ihre Lehrstelle im Zentrallager von Rewe in Starbach antreten. Zwei Wochen Seminar, die anderen Lehrlinge kennenlernen, Ablegen des Staplerscheins. Die 17-Jährige beginnt eine zweijährige Ausbildung zur Fachlageristin. „Im Anschluss mache ich vielleicht mit der Ausbildung zur Fachkraft für Lagerlogistik weiter“, erzählt sie.

Ihr Ausbildungsbetrieb ist der Nossenerin vertraut. Sie hat in den vergangenen Jahren dort bereits gearbeitet. Zwei Tage Schule, drei Tage Praktikum. Susanne Proft hatte einen Sonderweg zum Schulabschluss eingeschlagen. Einen, den die Oberschule Am Holländer in Döbeln anbietet. „Produktives Lernen“ heißt dieser Sonderweg, den junge Leute einschlagen, die Schwierigkeiten in der Schule haben.

Erfolgreicher Jahrgang

In diesem Jahr hat ein besonders erfolgreicher Jahrgang im „Produktiven Lernen“ seine Zeugnisse erhalten. Susanne Proft gehört zu den acht Schülern, die den Hauptschulabschluss geschafft haben. Zwei, darunter auch die Nossenerin, sogar den qualifizierten Hauptschulabschluss, der ein paar zusätzliche Anstrengungen erfordert. Vier der acht haben in ihren Praxisbetrieben eine Lehrstelle bekommen.

Für die Schüler, die diesen Weg einschlagen, ist es praktisch die letzte Chance für den Schulabschluss. Alle haben nicht bis zum Schluss durchgehalten. „Zu Beginn waren wir 17 Schüler“, sagt Susanne Proft.

Schwierigkeiten mit dem Lernen

Die Schüler haben aus ganz unterschiedlichen Gründen Probleme mit dem Lernen. Viele kommen aus schwierigen Lebensverhältnissen. Susanne Proft war oft krank und bei Kuren, erzählt sie. „Ich bin nicht mehr hinterhergekommen“. Erst sei sie in Nossen zur Schule gegangen, dann nach Roßwein gewechselt. „Meine Lehrerin hat vorgeschlagen, dass ich es in Döbeln versuchen könnte.“

Das Profil war vor zwölf Jahren noch ganz neu. Die Döbelner Oberschule war eine der Pilotschulen, in der das Konzept ausprobiert wurde. Mittlerweile ist es ins Schulgesetz aufgenommen, sagte Kerstin Hickethier, die mit ihrem Kollegen Axel Kühnert von Anfang an in dem Projekt arbeitet. Die Oberschule am Holländer ist eine der wenigen Schulen im Umkreis, die das Profil anbietet.

Maximal 20 Schüler pro Jahr

Die Schüler kommen nicht nur aus den Orten direkt um Döbeln, sondern auch aus Lommatzsch, Nossen und sogar Wermsdorf. „Das geht dann manchmal nicht mehr mit öffentlichen Verkehrsmitteln. Dann werden Taxis eingesetzt“, sagte die Lehrerin. Der Unterricht ist den weiten Anreisen angepasst: Die erste Stunde beginnt um 8.15 Uhr.

Für das kommende Schuljahr liegen 24 Bewerbungen vor. Maximal 20 Schüler werden nach einem Bewerbungsgespräch angenommen. Und auch bei diesen ist nicht klar, ob sie bleiben können. „Erst nach sechs Wochen Orientierungsphase werden sie in die Schule aufgenommen“, sagte Kerstin Hickethier.

Zehn Schüler pro Lehrer

Vier Pädagogen kümmern sich um die Schüler. Zwei in jedem Jahrgang. Auf jeden Pädagogen kommen somit maximal zehn Schüler. Absolventin Susanne Proft fand das gut. „Die Lehrer haben viel mehr mit uns unternommen und denen geholfen, die Probleme hatten.“ Weil für viele der jungen Leute die Schule eher wie ein rotes Tuch ist, nennen sich die Pädagogen auch nicht Lehrer, sondern Lernbegleiter.

Einen Halt gebe den Schülern auch der Praktikumsbetrieb. „Unsere Schüler sind oft schwere Fälle und die Betriebe nehmen sie in ihre Obhut. Mancher Mentor wird wie ein Papa“, sagte Kerstin Hickethier.

Mit der Berufsschule kämen die Schüler dank der Vorbereitung oft ganz gut zurecht. „Bei uns lernen sie das Lernen. Sie werden gefordert und das kommt ihnen dann zugute.“ Eine ganze Reihe von Absolventen hatte die Ausbildung geschafft und beruflich Fuß gefasst, sagte die Lernbegleiterin. „Manche kommen nach Jahren zu Besuch und berichten dann voller Stolz.“