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Döbelns Wilhelm Busch nimmt‘s genau: „Es muss sich reimen“

Seit 50 Jahren schreibt Kersten Biedermann Gedichte. Eines über den Krieg hat er 2006 verfasst. Es ist gerade wieder aktuell.

Von Heike Heisig
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Seit etwa 50 Jahren schreibt Kersten Biedermann Gedichte: Lustige, nachdenkliche, aber auch heimatgeschichtliche, die er selbst illustriert.
Seit etwa 50 Jahren schreibt Kersten Biedermann Gedichte: Lustige, nachdenkliche, aber auch heimatgeschichtliche, die er selbst illustriert. © Dietmar Thomas

Döbeln. Wer das Wort Gedicht hört, denkt zuerst vielleicht an Goethes Osterspaziergang, den nahezu jeder Schüler auswendig lernen und zumeist vor der gesamten Klasse vortragen musste. Kersten Biedermanns Passion ist es aber weder das Lernen noch Rezitieren von Gedichten. Er schreibt welche.

Mehr als 150 eigene Werke kann er inzwischen vorweisen. Jedes hat er ordentlich gestaltet ausgedruckt. Viele davon sind sogar noch von ihm selbst illustriert, wie eines über die Stadt Döbeln. Die Markenzeichen seiner Heimatstadt wie Rathaus und Riesenstiefel, hat der 63-Jährige zu seinen Versen dazugestellt.

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Beim Durchblättern seiner Arbeiten ist Kersten Biedermann kürzlich ein Gedicht aufgefallen. Es heißt „Verraten und verkauft“ und stammt aus dem Jahr 2006. „Wer hat den Krieg uns angetan? Wer lässt die Menschen sterben? Wer schürt mit Grauen diesen Wahn? Wer will uns all beerben?...“ Das ist ein Vierzeiler aus dem vor fast 20 Jahren entstandenen Gedicht. „Einen konkreten Anlass gab es damals nicht“, erinnert sich Biedermann.

Er habe sich mit seinem Großvater oft über den Krieg unterhalten. Dass die Zeilen Jahre später wieder aktuell werden könnten, habe er beim Schreiben nicht im Hinterkopf gehabt. „Es sind wieder unruhige Zeiten“, so sein Empfinden im Hinblick auf das Weltgeschehen.

Dichten im eigenen Garten

Dass Kersten Biedermann sehr heimatverbunden ist, daraus macht er keinen Hehl. Zum Beispiel gibt es ein Gedicht mit dem Namen „Der stramme Leutnant“. Dabei ist die Namensgleichheit mit dem Lokal an der Theodor-Kunzemann-Straße keineswegs Zufall. Auch für die Margarethenmühle im Zweiniger Grund hat Biedermann die passenden Verse gefunden.

Als Nächstes möchte er sich an ein Waldheim-Gedicht setzen – am liebsten in seinem Kleingarten. Da findet er die Ruhe und meist auch die Muse zum Fabulieren. „Dort ist die beste Atmosphäre“, schwärmt er. Die Mitglieder der Sparte „An der Kremsche“ bekommen derzeit als einige der wenigen zu lesen, was ihr Gartengruppen-Chef zu Papier bringt: Denn ab und an heftet Biedermann ein ausgedrucktes Gedicht in den Schaukasten in der Anlage.

In den Jahren nach der Wende was das ein wenig anders. Da hat Kersten Biedermann seine Gedichte und Geschichten ein paar Mal in Gaststätten öffentlich vorgetragen. Inzwischen gibt es nur noch wenige Gelegenheiten, andere mit seinen Reimen zu erfreuen und zu unterhalten. Dabei findet Biedermann im Freundes- und Bekanntenkreis immer wieder Zuhörer, die sich begeistern lassen.

Auch in erstaunte Gesichter blickt der Hobbydichter mitunter. Kein Wunder: Er hat zum Beispiel den sieben legendären Streichen von Max und Moritz noch einen achten hinzugefügt. Das wiederum scheint so abwegig nicht: Auch Wilhelm Buch bevorzugte die Reimform, ohne die bei dem Rand-Döbelner, wie sich Biedermann selbst bezeichnet, nichts geht: „Es muss sich reimen.“

Mit zwölf Jahren die ersten Verse

Das erste Gedicht hat er schon mit zwölf oder 13 Jahren verfasst. Ganz genau kann er sich daran nicht mehr erinnern. Umso mehr dafür an den Inhalt. „Der Baum“, so heißt es, ist kurz und witzig: Zuerst die Wurzeln, dann der Stamm, so fängt ein Baum von unten an. Dann komm’ die Äste mit den Zweigen, die in alle Richtungen zeigen. Auch Blätter sind noch dran, die fang’ bei Wind zu wackeln an.“

Danach blieb während der Ausbildung und im Arbeitsleben nicht immer viel Zeit fürs Schreiben. Kersten Biedermann hat Messerschmied gelernt, 1975 war er der einzige Lehrling seiner Zunft in der DDR. Bis 1995 führte er den Familienbetrieb an der Bahnhofstraße weiter, ein Jahr vorm 100. Bestehen musste er aufgeben. Nach der Wende hat er sich eine Zeit lang als Stadtrat in Döbeln engagiert. Mittlerweile ist er nicht mehr kommunalpolitisch aktiv.

Vom Schreiben hält den 63-Jährigen jetzt noch weniger ab. Seit ein paar Tagen ist er Rentner und kann sich noch mehr Zeit lassen für Recherchen. Denn manche seiner Gedichte basieren auf Sagen oder Überlieferungen. Zum Beispiel weiß Kersten Biedermann genau, „Wie der Christbaum entstanden ist“. Auch das hat er – in Reimform natürlich – aufgeschrieben.