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Überraschung im Döbelner Storchennest

Experte Kai Schaarschmidt wagt sich auf den maroden Schornstein in Großbauchlitz. Oben macht er eine Entdeckung.

Von Cathrin Reichelt
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Nachdem längere Zeit drei Storchen-Junge beobachtet wurden, zeigte sich jetzt noch ein viertes Jungtier.
Nachdem längere Zeit drei Storchen-Junge beobachtet wurden, zeigte sich jetzt noch ein viertes Jungtier. © privat

Döbeln. Als absolut spektakulär bezeichnet Kai Schaarschmidt, was sich auf dem Schornstein der ehemaligen PGH Fleischer in Großbauchlitz tut.

Es ist das erste Mal, dass Weißstörche dort einen Horst gebaut haben. „Bei Neuansiedlungen brüten die Paare eher nicht“, so Schaarschmidt. Anders in Döbeln. Die Störche haben nicht nur gebrütet, sondern ziehen jetzt vier Jungvögel auf.

Gefährlicher Aufstieg

Bisher waren der Storchenberinger und Gerd Wießner, der die Vögel von seiner Wohnung aus beobachtet, von drei Jungtieren ausgegangen. Das Vierte entdeckte Schaarschmidt, als er den maroden Schornstein nach oben gestiegen war und in das Nest blickte.

Noch vor zwei Wochen war er sich gar nicht so sicher, ob er den Aufstieg aufgrund des schlechten Zustandes des Schornsteins wagen werde. Sich selbst wollte er nicht in Gefahr bringen, stattdessen die Jung-Störche lieber unberingt lassen. „Ich habe dann probiert, ob die Steigeisen fest sind. Es ging, war aber kein besonders gutes Gefühl“, meint Schaarschmidt.

Als er dort vier Jung-Störche vorfand, war das eine Überraschung. Jeder erhielt einen kleinen Ring. Schaarschmidt sieht für alle Vögel die Chance, dass sie überleben, auch wenn sie unterschiedlich groß sind. Das erklärt der Beringer damit, „dass Störche erst zwei Eier legen, dann bereits beginnen zu brüten und im Zweitagesrhythmus jeweils noch ein Ei legen.“

Ein Geschenk der Natur

Über die allererste Weißstorchenbrut, die es nachweislich im Döbelner Stadtgebiet gibt, freut sich auch Siegfried Reimer, der 19 Jahre lang der Weißstorchenbeauftragte für den Altkreis Döbeln war. „Das ist wie ein Geschenk der Natur für mich“, sagt er und ist sich sicher, dass die Störche in der Umgebung genug Futter finden.

„Ein gutes Nahrungsgebiet haben die Großbauchlitzer Störche in Obergoseln. Die naturnahe Gestaltung, im Umfeld des Ortes mit Feuchtgebieten und vor allem dem Damwildgehege, dazu noch die großen Ruderalflächen vom Gewerbegebiet Mockritz, haben für Insekten großflächige Nahrungsräume entstehen lassen“, so Reimer. Auch die große Wiese am BMW Autohaus sei ein Nahrungsgebiet, von dem die Störche profitieren könnten.

In Großbauchlitz steigt Kai Schaarschmidt den Schornstein hinauf, auf dem zum ersten Mal Weißstörche einen Horst gebaut und gebrütet haben.
In Großbauchlitz steigt Kai Schaarschmidt den Schornstein hinauf, auf dem zum ersten Mal Weißstörche einen Horst gebaut und gebrütet haben. © privat

Die Beringungssaison dauere noch ein, maximal zwei Wochen, so Kai Schaarschmidt. Insgesamt, so schätzt er bereits jetzt ein, werden in Mittelsachsen nicht ganz so viele Jungstörche den Horst verlassen wie in den vergangenen beiden Jahren.

Da waren es jeweils mehr als 20. Bisher hat Schaarschmidt 15 Jungtiere gezählt. Zwei Nester stehen noch aus, in denen die Jungtiere beringt werden sollen. Zu einem Horst verweigert der Eigentümer des Grundstücks den Zutritt.

Vermutlich sind es insgesamt 19 Jung-Störche, die derzeit im Landkreis von den Alttieren aufgezogen werden. Es gebe mehrere Nester mit vier Jungen, wie in Döbeln, und eins in Burgstädt, in dem sogar fünf Junge ihre Schnäbel nach Nahrung in die Höhe strecken.

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„Anderorts scheinen es die Weißstörche nicht geschafft zu haben, die Eier bei dem nasskalten Wetter im Frühjahr warm zu halten“, sieht Schaarschmidt einen Grund für die geringere Zahl der Jungvögel.

In etwa vier Wochen, so meint Schaarschmidt, könnten die Döbelner Störche die ersten Flüge unternehmen. Ende August schließen sie sich dann voraussichtlich einem Zugtrupp von Störchen an.

Storchenexperte Kai Schaarschmidt hat die ersten Döbelner Jung-Störche in luftiger Höhe beringt.
Storchenexperte Kai Schaarschmidt hat die ersten Döbelner Jung-Störche in luftiger Höhe beringt. © privat

Schornstein ist geschützter Brutplatz

Der Eigentümer des Grundstücks in Großbauchlitz wollte den Schornstein, auf dem sich die Störche eingerichtet haben, ursprünglich abtragen. „Jetzt ist er ein geschützter Brutplatz und muss erhalten bleiben“, so Schaarschmidt. Es sei sogar schon eine Sanierung über den Jahreswechsel im Gespräch.

Das bestätigt das Landratsamt Mittelsachsen auf Nachfrage von Sächsische.de. „Der Ansiedlungsprozess und die Sicherung des Horststandortes wird durch die Untere Naturschutzbehörde von Beginn an aktiv begleitet“, sagt Pressereferentin Peggy Hähnel.

Dazu gehörten unter anderem die Einbindung des Ehrenamtes zur Beringung der Jungstörche und die erforderlichen Gespräche mit dem Grundstückseigentümer.

Zur dauerhaften Sicherung des Horststandortes ist eine Sanierung des Schornsteines unerlässlich. „Diesbezüglich erfolgte die Suche nach einer dazu geeigneten Baufirma. Gegenwärtig ist die Naturschutzbehörde dabei, die Finanzierung des Projektes sicherzustellen“, so Peggy Hähnel.