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Leisniger wegen fahrlässiger Tötung verurteilt

Ein Radfahrer (85) ist im Herbst 2020 zwischen Leisnig und Brösen tödlich verunglückt. Deshalb stand ein 77-jähriger Rentner am Donnerstag vor Gericht.

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Trotz durchgezogener Sperrlinie hat ein Rentner aus Leisnig auf der S44 kurz vor Brösen einen Radfahrer überholt und ist mit ihm zusammengestoßen. Der Mann starb wenig später an seinen Verletzungen. Dafür musste sich der Rentner verantworten.
Trotz durchgezogener Sperrlinie hat ein Rentner aus Leisnig auf der S44 kurz vor Brösen einen Radfahrer überholt und ist mit ihm zusammengestoßen. Der Mann starb wenig später an seinen Verletzungen. Dafür musste sich der Rentner verantworten. © Lars Halbauer

Leisnig/Döbeln. Ein Jahr und drei Wochen nach dem Unfall auf der Staatsstraße 44 zwischen Leisnig und Brösen muss sich der Renault-Fahrer vor dem Amtsgericht Döbeln verantworten. Dem inzwischen 77 Jahre alten Mann aus Leisnig wird fahrlässige Tötung vorgeworfen.

Der Unfall hat sich in den Mittagsstunden des 2. November ereignet. Wenn der böige Wind nicht gewesen wäre, hätte man ihn als schönen Novembertag bezeichnen können, sagte einer der Polizisten aus, die bei der Unfallaufnahme dabei waren.

Angeklagter bedauert seinen Fehler

Auch an diesem Tag macht sich ein 85-jähriger Leisniger von Leisnig nach Brösen auf den Weg. Die Strecke hin und zurück bewältigt er, so erfährt Richterin Anne Mertens, offenbar jeden Tag, um sich fit zu halten.

Am Vormittag des Unglückstages ist der Senior auf der S44 kurz hinter dem Abzweig nach Gorschmitz angelangt. Dort will ihn der Fahrer eines Renaults - trotz durchgezogener Sperrlinie - überholen. Das hat fatale Folgen.

Nicht alle Fragen sind geklärt

Als der heute 77-Jährige kurz vor dem Radfahrer angelangt war, sei dieser unvermittelt nach links in Richtung Fahrbahnmitte abgedriftet. Ein Zusammenstoß ist nach Aussage des Angeklagten unvermeidbar gewesen. "Ich konnte nichts mehr machen", war eine der wenigen Angaben, die der Beschuldigte den Tränen nahe selbst machte. Ansonsten ließ er überwiegend seinen Anwalt sprechen.

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Ein Polizeibeamter und eine Gutachterin schilderten der Richterin daraufhin, wie sie den Unfallort, an dem der Geschädigte kurz nach dem Zusammenstoß mit dem Auto verstorben ist, vorgefunden und wie sie den Unfall rekonstruiert haben. Weshalb genau der Radfahrer in Richtung Fahrbahnmitte zog, konnte bisher nicht geklärt werden.

Aus Sicht der Richterin genügt Geldstrafe

Am Ende sah die Richterin den Vorwurf der fahrlässigen Tötung als gerechtfertigt an. Der Beschuldigte hätte die Sperrlinie nicht überfahren dürfen. Eine Alleinschuld gibt Anne Mertens dem Leisniger trotzdem nicht. Auch der Radfahrer hätte sich durch einen Schulterblick über den nachfolgenden Verkehr informieren müssen, wie die Gutachterin zuvor ausführte.

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Der Rentner muss 1.350 Euro Strafe zahlen und die Kosten des Verfahrens tragen. Die Staatsanwaltschaft hatte eine höhere Geldstrafe sowie ein Fahrverbot für zwei Monate gefordert. Dafür sah die Richterin keinen Anlass. Sie zeigte sich sicher, dass der Rentner in Zukunft noch vorsichtiger fahren wird. Der Unfall und, dass dabei ein Mensch ums Leben gekommen ist, belaste ihn ohnehin schon schwer und werde ihn noch Zeit seines Lebens begleiten.

War diese Situation vorhersehbar?

Nicht genau diesen, aber einen derartigen Unfall mit einem Radfahrer - so etwas haben Nutzer der Straße schon lange prognostiziert. Denn an der dem Empfinden nach recht viel befahrenen und kurz vor Brösen unübersichtlichen Straße fehlt nach wie vor ein Radweg. Einen solchen fordern Leisniger und Einwohner der umliegenden Ortsteile wie Brösen und Gorschmitz seit Jahren.

Ihn anzulegen, wäre nach ihrer Meinung im Zuge des Ausbaus der S44 in den Jahren 2012/13 kein größeres Problem gewesen. Doch damals gab es trotz einer Sammlung mit mehreren hundert Unterschriften "Pro Radweg an der S44" und Abgabe bei der sächsischen Staatsregierung eine Entscheidung gegen diesen Schutzweg.

Unfall hat das Thema Radweg neu aufleben lassen

Nach dem Unfall vor einem Jahr haben sich die Initiatoren der damaligen Petition, die Stadträte Mathias Voigtländer (CDU) und Dieter Kunadt (Die Linke) für die Wiederaufnahme des Themas stark gemacht. "Wir möchten wenigstens erreichen, dass dieses Radwegstück auf der Prioritätenliste der Radwegplanung in Sachsen nach oben rutscht", sagte Voigtländer im November 2020.

Inzwischen hat die Kommune ein mehr oder weniger ganzheitliches Radewegekonzept erstellt. Darin enthalten ist auch der Radweg an der S44 bis zur Landkreisgrenze Grimma vor Podelwitz. Ob und wann das umgesetzt und Radwege gebaut werden können, dazu gibt es weder von der Kommune noch vom Landesamt für Straßenbau und Verkehr aktuelle Aussagen.