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Nachbarschaftsstreit landet vor Gericht

Eine Frau soll ihren Nachbarn mit Reizgas attackiert haben. Warum die Zeugen mit dem Urteil nicht zufrieden sind.

Von Frank Korn
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Die Angeklagte ist in der Verhandlung vor dem Amtsgericht Döbeln freigesprochen worden.
Die Angeklagte ist in der Verhandlung vor dem Amtsgericht Döbeln freigesprochen worden. © André Braun

Döbeln. Freispruch lautet das Urteil von Richter Wolfgang Dammer.

In der Verhandlung vor dem Amtsgericht Döbeln ist eine Frau der gefährlichen Körperverletzung in zwei tateinheitlichen Fällen angeklagt. Sie soll ein Ehepaar, das im gleichen Haus in Waldheim wohnt, mit Reizgas besprüht haben. Die Geschädigten sollen eine Reizung der Augen sowie Rötungen im Gesicht davon getragen haben.

Die Verhandlung ist offenbar von großem Interesse. Nicht nur das geschädigte Ehepaar, die beide als Zeugen geladen sind, sondern auch zwei weitere Bewohner des Hauses sitzen im Gerichtssaal. Auch Waldheims Friedensrichter Wolf-Dietmar Bleil ist vor Ort.

Der Anwalt der Beschuldigten spricht für seine Mandantin. „Es gab eine Vorgeschichte“, sagte er. Die Angeklagte wohne seit sieben Jahren in dem Haus. Immer wieder habe es nachbarschaftliche Streitigkeiten gegeben, bei denen auch Grenzen überschritten worden seien. „Es gab körperliche Angriffe mit nachfolgenden gegenseitigen Anzeigen. Die Verfahren wurden jeweils eingestellt“, so der Anwalt.

Spray als Beweismittel an Polizei übergeben

An dem besagten Tag im Juni vergangenen Jahres sei seine Mandantin im Fahrradkeller gewesen, um das Fenster dort zu schließen. Der Nachbar sei auf sie zugekommen und habe sie geschlagen. Später habe auch noch dessen Frau eingegriffen. Die Mandantin habe eine Flasche mit Reizgas hervorgeholt und gedroht, dieses einzusetzen. Die Nachbarin soll ihr das Spray weggenommen und es an ihren Mann weitergereicht haben. Die Angeklagte sei dann in ihre Wohnung geflüchtet.

Warum sie das Reizspray dabei gehabt hat, will Richter Dammer wissen. „Um sich zu schützen“, lautet die Antwort des Verteidigers.

Der Nachbar, der nun als Zeuge aussagt, schildert den Vorfall anders. Er sei vom Briefkasten, der sich außerhalb des Hauses befindet, gekommen. Die Angeklagte habe ihn beleidigt und ihn mit dem Reizgas angegriffen. Er habe ihr das Spray entwenden können und es später der Polizei in Döbeln als Beweismittel übergeben. Seine Frau sei dann ebenfalls dazugekommen.

Richter ermahnt den Zeugen

Bevor die Angeklagte in das Haus einzog, sei alles friedlich gewesen. Sie habe ihn bezichtigt, dass er in ihre Wohnung eingebrochen sei. Ob die Frau einmal oder mehrmals gesprüht hat, fragt Richter Dammer. Zwischendurch muss er den Zeugen ermahnen, weil dieser dazwischenredet. Sie habe mehrmals gesprüht, antwortet der Zeuge.

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Der Richter hält ihm dann die Aussage vor, die er am Tag des Geschehens bei der Polizei in Döbeln gemacht hat. Dort habe er ausgesagt, dass er und seine Frau vom Einkaufen gekommen seien. Davon will der Mann jedoch nichts wissen. Es sei so gewesen, wie er es vor Gericht geschildert habe.

Die Frau des Mannes wird nun ebenfalls als Zeugin gehört. Sie berichtet, dass sie nach ihrem Mann schauen wollte, weil dieser relativ lange weggeblieben war. Als sie sich auf den Weg gemacht habe, sei die Sprayflasche noch in den Händen der Angeklagten gewesen. Sie habe nicht sehen können, wie ihr Mann die Flasche in seinen Besitz bringen konnte. Auch sie könne sich nicht erinnern, bei der Polizei eine andere Version geschildert zu haben.

Anwalt fordert Freispruch

Doch genau diese Aussage, dass die beiden Zeugen vom Einkaufen gekommen seien, bestätigt die Polizistin, die damals die Aussage des Mannes aufgenommen hat. „Er hat gesagt, dass er und seine Frau vom Einkaufen gekommen sind. Hätte er gesagt, dass er am Briefkasten war, hätte ich es so aufgenommen“, sagt die Beamtin.

Die Vertreterin der Staatsanwaltschaft spricht die Widersprüche in der Aussage der Zeugen an. Dennoch ist sie der Auffassung, dass eine gefährliche Körperverletzung in minderschwerem Fall vorliegt. Der Anwalt der Beschuldigten fordert eben aufgrund dieser Widersprüche einen Freispruch.

Richter Dammer vertritt die Auffassung, dass der Widerspruch in der Zeugenaussage einen wesentlichen Aspekt des Randgeschehens betrifft. „An diesem Tag war etwas. Aber es lässt sich nicht genau ermitteln, was“, so Dammer. Im Zweifel sei die Angeklagte deshalb freizusprechen.