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Roßwein erteilt Solar-Projekt im Ortsteil Grunau eine Abfuhr

Ein Landwirt will auf seinem Feld Photovoltaik-Anlagen bauen. Dafür muss der Flächennutzungsplan für die Grundstücke geändert werden. Weshalb das die Mehrheit der Stadträte nicht mitträgt.

Von Heike Heisig & Lea Heilmann
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Sonnenenergie wird auf der Fläche in Grunau, in der im vorigen Jahr Mais zum Verstromen angebaut worden ist, wohl so schnell nicht geerntet. Das Gelände soll Ackerland bleiben, finden die Roßweiner Stadträte.
Sonnenenergie wird auf der Fläche in Grunau, in der im vorigen Jahr Mais zum Verstromen angebaut worden ist, wohl so schnell nicht geerntet. Das Gelände soll Ackerland bleiben, finden die Roßweiner Stadträte. © Foto: Lutz Weidler

Roßwein. Bereits im September hatte sich der Ortschaftsrat Niederstriegis mit einem Photovoltaik-Projekt im Roßweiner Ortsteil Grunau beschäftigt. Auf insgesamt 21 Hektar will der Landwirt Mark Reinken aus Reichenbach (Gemeinde Kriebstein) Photovoltaik-Anlagen bauen, die zugleich eine weitere landwirtschaftliche Nutzung ermöglichen. Zum Teil gehören ihm die ausgewählten Flächen bereits, den Rest wollte er pachten.

Dem Anliegen standen die Ortschaftsräte positiv gegenüber. Nun mussten die Roßweiner Stadträte über die zuvor nötige Änderung des Flächennutzungsplans entscheiden, um den Bau zu ermöglichen. Doch das entfachte eine große Diskussion bei der Sitzung vergangene Woche.

Mark Reinken war ebenfalls ins Rathaus nach Roßwein gekommen und stellte sich den Fragen der Abgeordneten. So wollte Torsten Stein (SPD) wissen, welche landwirtschaftliche Nutzung denn noch möglich sei. Eine Variante sei laut Reinken, dort Tiere weiden zu lassen, aber auch der Anbau von Futterpflanzen sei denkbar.

Kommune könnte von Photovoltaik-Anlagen profitieren

Rico Söhnel (CDU), der Bürgermeister Hubert Paßehr vertrat, merkte zu Beginn noch an, dass die Abgeordneten entscheiden müssten, ob die Stadt an dieser Art Energiewende teilhaben wolle. Immerhin würde die Kommune auch von den Photovoltaik-Anlagen profitieren und pro Kilowatt-Stunde 0,2 Cent Einspeisevergütung erhalten.

Im Jahr könnte sich das auf 40.000 Euro summieren. Geld, das Roßwein genau wie jede andere Kommune in der Region gut gebrauchen kann. Und, so Söhnel: „Es ist ein Unternehmer aus der Region, der hier investieren will.“

Gegen dieses Vorhaben äußerte sich Iris Claassen (Bürgerwählergemeinschaft Niederstriegis-Roßwein) deutlich. „Zum wiederholten Mal: Wir sollten Ackerfläche Ackerfläche seinlassen. Dass, was wir wollen, ist Getreide für die eigene Ernährung“, sagte sie.

Vor allem in Grunau gebe es gute Böden. Sie richtete sich auch direkt an den Landwirt: „Nehmen sie es mir nicht übel, aber das ist dann keine Landwirtschaft mehr, das ist Augenwischerei.“ Auch der AfD-Stadtrat Jens Tamke reihte sich in die Bedenken von Claassen ein. Es gehe dabei nicht nur um die 21 Hektar, sondern auch um andere Projekte, die bereits beschlossen wurden.

„Sie wissen selbst, dass von der Landes- und Bundesebene eine gewisse Energiewende gewünscht ist“, sagte Mark Reinken und ergänzte: „Dazu soll Photovoltaik massiv ausgebaut werden. Die Möglichkeiten, dafür auch Ackerflächen zu nutzen, die stecken noch in den Kinderschuhen, das stimmt.“

Stadträte sind skeptisch gegenüber Projekt

Auch er richtete sich direkt an Iris Claassen. In erster Linie sei er Landwirt, halte Tiere und bewirtschafte Felder. „Jede Form des Anbaus, den wir machen, ist Energieerzeugung, ob nun Brotweizen, Silomais oder in dem Fall Photovoltaik“, sagte Reinken weiter.

Claassen, lange Zeit beim Bauernverband beschäftigt und selbst Landwirtin im Nebenerwerb, konnte das aber nicht überzeugen. „Ackerfläche zu nehmen, um so Energie herzustellen, ist nicht in Ordnung“, sagte sie.

Auch Bernd Handschack (CDU) könne dem Antrag nicht zustimmen. „Wir verlieren im Stadtgebiet gewaltig an Ackerfläche. Mit Photovoltaik und Wasser retten wir den Strom nicht.“ Lieber sollten Eigenheimbesitzer verpflichtet werden, mit Fördermitteln Solaranlagen für den Eigenbedarf auf Dächern zu installieren, findet der Stadtrat und Ortsvorsteher von Gleisberg.

Rico Söhnel zeigte sich überrascht von der aufkommenden Diskussion. „Können wir hier in Roßwein die Moralapostel spielen?“, fragte er. „Ich bin erstaunt, dass wir eine so harte Haltung fahren“, sagte der stellvertretende Bürgermeister.

Vor der Abstimmung legte Frank Trommer (Bürgerwählergemeinschaft) noch mal ein gutes Wort für das Projekt ein. Als Ortsvorsteher von Niederstriegis berichtete er: „Das war bei uns auch eine kontroverse Diskussion. Aber wir haben letztendlich doch zugestimmt, weil der Investor in der Region tätig ist, die Ländereien teilweise sein Eigentum sind und wir im Endeffekt der erneuerbaren Energie nicht ausweichen können“, sagte er.

Standort noch nicht aufgegeben

Am Ende stimmten elf Räte gegen die Änderung des Flächennutzunsplanes und damit vorerst auch gegen das Solar-Projekt in Grunau. Mark Reinken ist von der Entscheidung verständlicherweise enttäuscht. „Wir lassen das jetzt erst einmal sacken“, sagte er auf Anfrage.

Danach wolle er gemeinsam mit seinem Projektentwickler noch einmal überlegen, ob und unter welchen Prämissen das Vorhaben an dieser Stelle doch noch umgesetzt werden könne. Reinken geht davon aus, dass die von ihm bevorzugte Agri-Photovoltaik (Agri-PV) noch zu wenig gekannt ist. Bei dem Konzept soll Landwirtschaft unter Solarzellen möglich bleiben.

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Damit genau das funktioniert, sind bei Agri-PV-Anlagen die Paneele im Vergleich zu herkömmlichen Freiflächen-Solaranlagen höher montiert. So lassen sich darunter weiter Agrarprodukte ernten – und zugleich oben der Strom. In dieser Kombination sieht der Reichenbacher Landwirt seine Zukunft, vielleicht sogar als Energiewirt.

Wegen dieser Vision will er den Standort auch nicht so ohne Weiteres aufgeben. Von der Fläche oberhalb des Geiger-Steinbruchs gibt es kurze Wege zum Einspeisen der gewonnenen Energie. Außerdem sei nicht davon auszugehen, dass die Anlagen an dieser Stelle negative Auswirkungen auf das Umfeld haben und zum Beispiel blenden. Das wurde den Ortschaftsräten bei der Vorhabenpräsentation in Aussicht gestellt. (mit DA/sig)